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Blog 852 – 25.08.2024 – Fitzelkatze, Rollatorrennen und Bettgalgen

Am Sonntag habe ich einen „freien“ Tag und kann mich – nach allem, was vorher noch zu tun ist – am Nachmittag in den Hof setzen und an der Katze werkeln. Das weiße Schnäuzchen kommt mir inzwischen zu breit vor. Die Katze entwickelt sich und plötzlich passen manche Proportionen nicht mehr. Ich trenne den weißen Stoff an den Seiten ab und setze stattdessen grauen an. Es ist eine etwas mühsame Arbeit, aber sie lohnt sich.


Mit einem kleinen Haltering schaffe ich die Möglichkeit, den Unterkiefer gut mit der Daumenspitze zu bewegen. Es ist nicht die ideale Lösung, aber eine akzeptable. Der kleine Kopf in Katzen-Originalgröße ist schon schwierig. Würde ich eine doppelt so große Katze baue, wäre ich sicher schon weiter, weil meine Hand in den Kopf passen würde und nicht alles so fitzelig klein wäre. Aber warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?

Am nächsten Morgen habe ich beim Aufwachen die fertige Idee im Kopf, wie ich an dem jetzt beweglichen Kiefer einen verlängernden Stab befestigen kann. Mit einem Haltegriff zusammen könnte ich den dann außerhalb des Kopfes als simple Mechanik nutzen und die Katze elegant von hinten halten. Ja, das mache ich! Freudig stehe ich auf und eile sofort zu meinem Katzenkopf, um mir das am Objekt anzusehen. Ja, würde wohl gehen, aber wenn ich es genau betrachte, gefällt es mir, wenn die Hand im Kopf ist. Ich lasse es so, wie es ist. Da haben meine Hirnzellen in der Nacht völlig umsonst gearbeitet.

Während ich den Katzenkopf betrachte, kommt meine echte Katze langsam um die Ecke geschlendert. Ich halte den genähten, noch ohrenlosen Figurenkatzenkopf in ihre Richtung, lasse den Unterkiefer kurz aufgehen und sage mit verstellter Katzenstimme: „Mau“. Die echte Katze stockt, starrt den Katzenkopf an, hebt den Schwanz steil nach oben und läuft gezielt darauf zu. Als ich den genähten Kopf vor sie halte, schnuppert sie daran, schnuppert nochmal, dreht sich weg und geht uninteressiert weiter. Aber hurra! Auf den ersten Blick war ihre Aufmerksamkeit geweckt. Das ist neu.


Als ich am Montag im Krankenhaus bei meinem Vater bin, freue ich mich, dass es ihm schon wieder etwas besser geht. Er liegt zwar recht kraftlos im Bett und scheint durch den Muskelverlust immer dünner zu werden, aber dann muss er zur Toilette. Langsam und stöhnend richtet er sich mithilfe des Bettgalgens auf, hebt die Beine vorsichtig und nacheinander über die Bettkante – und steht dann zügig auf, läuft lässig drei Schritte zum an der Wand stehenden Rollator, schnappt sich den und eilt schnell und völlig sicher durch den Raum und ins Bad. Der Bettnachbar sagt mit stark rheinischem Einschlag: „Isch muss immer meinen Rollator janz an de Wand stellen, weil der mit so ’nem Tempo durch den Raum wetzt“. Na, prima!

Der soziale Dienst des Krankenhauses hat die Vermutung, dass mein Vater in zwei Wochen entlassen wird. Die Entscheidung dazu wird aber erst nach der internen Stationsbesprechung in zwei Tagen getroffen. Wenn das mit den zwei Wochen stimmt, wird es jetzt dringend mit einer Betreuung oder Kurzzeitpflege. Leider muss ich, ehe ich die Vermittlungsagentur wieder kontaktiere, die beiden Tage bis zur Besprechung abwarten, um verlässliche Angaben zu haben. Nicht dass ich jetzt dränge und schnell eine Pflegekraft bekomme, mein Vater dann aber doch noch eine anschließende Reha verordnet bekommt. Ach, die drängende Zeit und die Unplanbarkeit gefallen mir gar nicht und machen mich nervös.

Einige Stunden später habe ich unerwartet eine Mail von der deutschen Vermittlungsagentur im Postfach. Sie hat einen Personalvorschlag. Die Pflegekraft könnte in zwei Wochen anfangen und 2 Monate bleiben. Was für ein Timing! Ich schildere die Situation, sage sofort so gut wie zu und darf die endgültige Bestätigung am Mittwoch nach dem Gespräch im Krankenhaus nachreichen. Bis dahin bleibt die Pflegekraft für uns „reserviert“. Wie toll! Was mache ich mir eigentlich immer für Sorgen, wenn es sich oft von ganz alleine regelt?


In meinem früheren Kinderzimmer, das jetzt das Zimmer für die Pflegekraft wird, sind noch Restarbeiten zu machen. Ich streiche eine Wand nochmal, weil die Farbe beim ersten Mal nicht schön gedeckt hat. Außerdem braucht das Holzregal neue Farbe und Tischbeine müssen eingeschraubt werden.

Hach, das wird ein luftiges, hübsches Zimmer, in dem man sich wohlfühlen kann.


Am Mittwochnachmittag erfahre ich im Krankenhaus, dass mein Vater tatsächlich in zwei Wochen nach Hause entlassen wird. Er wird weiterhin am Muskelaufbau und Laufen üben müssen, aber das kann er im täglichen Bewegen machen. Ich sage sofort für die 24-Stunden-Pflegekraft zu. Vielleicht kann mein Vater in einigen Wochen sogar wieder alleine wohnen, aber erstmal ist es – auch für ihn – eine Beruhigung, wenn jemand als Unterstützung bei ihm ist. Der ausgefüllte Vertrag geht an die Agentur, ich höre erstmal nichts mehr, erhalte keine Antwort auf die freundliche Begrüßungs-SMS, die ich an die Mobilnummer der Pflegekraft schreibe, und denke trotzdem, dass schon alles klappen wird. Der Vertrag muss ja erstmal an die polnische Agentur weitergeleitet werden und die Pflegekraft ist vielleicht in Wanderurlaub mitten im Funkloch.


Gegen Ende der Woche komme ich am späten Nachmittag mal wieder zwei Stunden ans Katzenbauen mit Podcasthören. Ober- und Hinterkopf brauchen an den flachen Stellen noch etwas Auspolsterung und Ergänzung und so langsam arbeite ich mich an einen Hals heran. Er soll schmal sein, locker sitzen und trotzdem muss meine breite Hand reinpassen. Das geht eigentlich nicht, muss aber irgendwie. Nach zwei Stunden konzentriertem Nähen ist kaum ein Unterschied zu vorher zu sehen. Aber ich weiß ja, dass es weitergeht. Wenn auch sehr langsam.


Ansonsten: Wäsche waschen, bügeln und ins Krankenhaus bringen, Verwandte und Freunde meines Vaters telefonisch auf den aktuellen Stand bringen, Fernseher für das Pflegekraftzimmer kaufen und anschließen, und eine halbe Stunde mit dem Auto fahren, um einen gebrauchten Bettgalgen – offizieller Titel: Aufstehhilfe“ – zu kaufen, der zuhause neben dem Bett meines Vaters stehen und das eigenständige Aufstehen unterstützen soll. Ich fahre extra mit dem größeren Auto, damit das 1,80 Meter hohe Teil problemlos zu transportieren ist. Als ich es imposant dort stehen sehe, bin ich froh, dass ich so schlau bin – da greift der Verkäufer zweimal zu und zerlegt den stabilen Metallturm, der ein Stecksystem ist, ganz einfach in drei Teile. Weiß ich das jetzt auch.


Außerdem hole ich meine neu erworbene alte Singer-Nähmaschine auf den Tisch und nähe ein Gewand für das nächste Krimidinner am kommenden Wochenende. Das Krimidinner passt zeitlich nicht gut ins Wochenende, an dem ich auch mein Steinhau-Wochenende haben, das ebenfalls zeitlich nicht mehr passt. Wenn es nur ein volles Wochenende ist, lässt sich das machen, wenn aber auch die Tage davor und danach übervoll sind, ist es etwas anstrengend. Zum Nähen eines Krimidinnerkostüms habe ich gerade auch keine Lust, beziehungsweise ich würde stattdessen lieber als Entspannungsausgleich weiter an meiner Katze nähen, aber ich will es jetzt erledigen, denn in der nächsten Woche wird es noch einiges zu tun geben. Dann habe ich auch die letzte Woche meines „freien Ferien-Monats“ erreicht, und inzwischen bin ich richtig urlaubsreif. Na ja, jammern auf hohem Niveau. Ich bin gesund, meinem Vater geht es deutlich besser, er kommt aus dem Krankenhaus nach Hause, die Versorgung ist – hoffentlich – gesichert … ich bin nur erschöpft und müde und würde so gerne mal vier Wochen „frei“ haben.