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Blog 890 – 18.05.2025 – Gurkensticks, Abenteuerfische und Lars Reichow

Im Garten ist der Meisenkasten belegt, was am lautstarken Piepsen aus dem Inneren und an den im Drei-Minuten-Takt an- und abfliegenden Kohlmeiseneltern zu erkennen ist. An einem Spätnachmittag fällt mir auf, dass alles still ist. Sind die Jungen jetzt ausgeflogen? Ihr Piepsen war in den letzten Tagen immer kräftiger geworden und da würde es passen, dass sie raus sind. Wenn ich den Kasten sofort saubermachen würde, könnte die nächste Brut einziehen.

Vorsichtig nähere ich mich dem Kasten. Es bleibt total still, was mich in der Annahme bestärkt, dass niemand mehr da ist. Oder haben die Eltern nicht mehr gefüttert und die Kleinen sind verhungert? Vorsichtig drehe ich die Halteschraube los, hebe die Klappe langsam hoch – und blicke in die aufmerksamen Augen eines Elternvogels, der bewegungslos über den Jungen sitzt und mit langgerecktem Hals starr auf mich guckt. In Zeitlupe senke ich den Deckel wieder ab, schraube ihn vorsichtig fest und ziehe mich zurück. Oh, doch noch belegt, aber sie gehen anscheinend schon am späten Nachmittag zu Bett und ich habe die Schlafzimmertür aufgerissen.

Am nächsten Tag ist wieder das laute Piepen zu hören. Am übernächsten Tag bleibt alles still. Wahrscheinlich sind sie jetzt wirklich raus. Ich traue mich aber nicht, sofort nachzusehen. Nicht dass jemand was unterm Bett vergessen hat, zurückkehrt, um es zu suchen, und dann reißt schon wieder dieses große Ungeheuer die Tür auf.


Die frisch renovierte Laube bekommt vom Gatten Steckdosen installiert – was für ein Luxus – und ich hänge ein Sonnensegel davor. Das hält zwar die Sonne vom dort wachsenden Wein ab, hilft aber gegen Hitze und gegen Regentropfen, die schräg in die Laube regnen könnten. Es wird immer komfortabler.

Das kleinteilige Wegräumen des Werkzeuges ist recht mühsam. Zum einen wird genau das, was eben weggeräumt wurde, kurz danach wieder irgendwo gebraucht, zum anderen müsste der Werkzeugschuppen vorher aufgeräumt werden, damit die Werkzeuge auch sofort an ihren richtigen Platz kommen und nicht nur quer übereinander abgelegt werden, wie ich das gerne mache, wenn es schnell gehen soll. Ich möchte aber zuerst den Grillplatz mit der Laube und den Hof aufgeräumt haben. Alles gleichzeitig geht nicht.

Die allgemeine Aufräumarbeit zieht sich, denn manche Sachen müssen gereinigt werden, wie die Kerzengläser mit Sand und Muscheln, die jetzt zwei Jahre herumstanden. Der nasse, am Rand schon grüne Sand muss von trockenen Blättern befreit und getrocknet werden, die Gläser müssen gespült und dann neu gefüllt werden. Danach sehen sie allerdings wie neu aus. Kein Wunder, dass so ein Dekokram aufhält. Er macht mir aber Spaß.


Im Hof gibt es eine alte Lampenfassung, bei der die Glühbirne ausgetauscht werden muss. Weil es schon bei unserem Einzug vor über dreißig Jahren keinen Lampenschirm mehr dafür gab, klemmt seitdem eine abgeschnittene Plastikflasche im Gewinde. Eine der typischen improvisierten Zwischenlösungen, die dann jahrzehntelang halten. Inzwischen ist das Plastikteil durch die Hitze aber verbogen, lässt sich nur mit Mühe rausziehen und dann nicht mehr einsetzen. Was nun? Neue Plastikflaschen sind, im Gegensatz zu den früheren, viel zu dünn. Ohne Schutz kann bei starkem Regen aber Wasser in die Fassung kommen.

Ich überlege hin und her. Wenn Plastik nicht funktioniert, könnte ich vielleicht ein leeres Gurkenglas darüberstülpen und irgendwie befestigen. Aber wie befestigen? Ach, erstmal sollte ich gucken, ob ich ein altes Glas habe, das über die Fassung passt. Ich greife zu einem leeren Gurkenglas und reiche es dem Gatten, der gerade zur Begutachtung der Lage auf der Leiter steht. Er hält das Glas prüfend an die Fassung, drückt es rein – und schraubt es fest. Es passt perfekt. „Süßsaure Gurkensticks“ haben ein Normgewinde, das in unsere Lampenfassung passt – und wir leben dreißig Jahre lang mit einer abgeschnittenen Coca-Cola-Flasche!


Der Mittwoch-Vater-Tag ist diesmal sehr ermüdend, weil nicht viel zu tun ist. Ich flitze zwar dreimal mit dem Auto zum Einkaufen, weil doch immer noch etwas fehlt, koche Mittagessen und gehe die Post durch, unterhalte mich mit meinemVater, telefoniere wegen eines Notrufknopfes, aber ansonsten sitze ich herum. Einfach rumsitzen kann ich nicht gut. Mit Buch und Tee ist es kein Problem, eine Viertelstunde im Garten sitzen und den Bienen, Käfern und vorbeiflitzenden Vögeln zuzusehen geht auch sehr gut, aber in einer anderen Wohnung zu sitzen und einfach gar nichts tun?

Im kleinen Gartenteich sind die Fische wieder aktiv. Ich mag sehr, wie sich einige immer wieder bewusst für die „Warmwasserbadezone“ in der Beckenrille entscheiden. Die ist eigentlich für Sumpfpflanzen gedacht, aber nicht bepflanzt worden. Jetzt zappeln sich die kleinen Fische mit kräftigem Schwanzflossenschwung über die hohe Kante ins flache Wasser, chillen eine Weile in der Relaxzone und zappeln sich zurück in den tiefen Teichteil. Manche von ihnen scheinen Spaß zu haben, immer wieder zu wechseln und dafür den kaum von Wasser überdeckten Wulst zu überqueren. Goldfische mit Sinn für Abenteuer. Mir macht das Zusehen Spaß.


Vor 9 Uhr am Morgen war ich schon bei meinem Vater, als ich fahre, ist es 17 Uhr. Mit der Fahrzeit zusammen sind das neun Stunden, ein ganzer Arbeitstag. Für den Abend habe ich noch eine Konzertkarte. Mir geht durch den müden Kopf, ob es eine so gute Idee ist, nach einem erfahrungsgemäß anstrengenden Tag unbedingt noch einen Abendtermin haben zu müssen. An einem Ort, der 50 Kilometer entfernt liegt. Ich hab sie nicht mehr alle.

Mein Zuhause liegt auf dem Weg, darum halte ich da kurz an, trinke schnell einen Kaffee und fahre dann 40 Minuten weiter zum Talbahnhof nach Eschweiler. Dort tritt Lars Reichow mit seinem neuen Programm „Boomerland“ auf. Schon während der Hinfahrt steigt meine Vorfreude, und als Lars Reichow am Klavier sitzt und die erste Zeile singt, bin ich schon wieder hin und weg von seiner Stimme und völlig damit einverstanden, dass ich für den Abend eine Konzertkarte geholt habe. Mein Energie- und Spaßlevel steigt sofort wieder bis oben an und ich genieße den ganzen Abend. Super Idee von mir. Und wieder ein schönes Programm von Lars Reichow. Ach, ich finde den ja klasse.

Gleich am nächsten Vormittag schreibe ich einen Konzertbericht für meine reihedrei-Homepage, was ungewöhnlich ist, denn meistens habe ich am Tag nach einem Konzert gar keine Zeit. Diesmal schon. Beziehungsweise beim Entscheiden, ob ich lieber mühsam draußen weiter aufräume oder mir einen Tee koche und einen Bericht schreibe, ist die Wahl einfach. Mit Besuchen bei Gregor Meyle, Gayle Tufts und Lars Reichow habe ich in den letzten drei Wochen drei Konzerte angesehen und drei Berichte geschrieben. Es ist fast schade, dass es nicht in diesem Tempo mit Konzertbesuchen weitergeht. Aber so viel Zeit habe ich dann auch nicht.


Der Garten ist viel zu trocken, wächst aber wie wild. Ich verbringe viel Zeit mit Gießen und mit dem Freischneiden von Wegen. Die Biotonne ist immer sofort voll, der Garten wächst weiter, ist zu trocken, muss gegossen werden, wächst zu … es hört nicht auf. Ist aber auch schön.


Nach drei stillen Tagen im Meisenkasten gucke ich vorsichtig nach. Keiner mehr da. Ich leere den Kasten, fege durch und hoffe, dass das freie Appartment schnell wieder belegt wird.