Am Sonntag würde ich gerne sofort die Wand im Hof streichen, aber es nieselt und ist zu kalt. Gerade mal fünf Grad. Die Mauer lag viele Jahre weitgehend hinter Pflanzen und Zeug versteckt, war zum Teil mit wildem Wein berankt und sieht freigelegt ziemlich übel aus. Drüberstreichen wäre schön, aber ich bin angesichts der fünf Grad vernünftig und sage: „Na gut, dann streiche ich eben morgen, da soll es sonnig werden. Kein Problem!“

Am Nachmittag zeigt das Thermometer 6,5 Grad, Tendenz steigend. „Jetzt könnte ich doch noch streichen“, sage ich grinsend und halb im Spaß zum Gatten. Er nickt: „Ja. In zwei Stunden wärst du fertig.“ „Oh, nein!“, rufe ich. „Hättest du jetzt gelacht, hätte ich bis morgen gewartet, aber so muss ich sofort losstreichen!“ Zack, Streichsachen geholt und losgelegt. Die letzten Zeichen der alten Vogelvoliere gehen dabei verloren, was auch ein bisschen traurig ist.

Eine Stunde später ist die Wand gestrichen und gefällt uns sehr gut, auch wenn sie blauer als gedacht ist. Offiziell ist es mittleres Anthrazit, real mittleres Graublau. Ein bisschen dunkler hätte ich gut gefunden, aber geht auch so.

Am nächsten Tag entferne ich blätternde Farbe von den beiden Holztüren und schmirgel die Oberfläche an. Wie immer ist das anstrengend und dauert ziemlich lange. Im Baumarkt lasse ich mir Farbe in einem hellen Grau mischen und streiche über die langjährigen blauen und weißen Streifen. Noch etwas, das immer da war und nun verschwindet. Das sorgfältig ausgewählte Hellgrau sieht auf den Türen wie Weiß aus und ist mir zu hell. Da werde ich für die zweite Schicht lieber ein dunkleres Hellgrau nehmen.

Schon wieder fahre ich nach Frankfurt. Diesmal um den Sohn für eine Woche Osterurlaub abzuholen. Er könnte die Strecke natürlich mit der Bahn fahren, was umweltpolitisch gesehen besser wäre. Finanziell aber nicht mal, denn die ICE-Verbindungen kosten pro Fahrt zwischen 50 und 80 Euro, und beim Regionalverkehr, wo das gerade wieder eingeführte 49-Euro-Ticket passt, wäre er mindestens dreieinhalb, meistens vier Stunden unterwegs. Nach einem vollen Arbeitstag ist das schon heftig. Noch kommt er mindestens ein Mal im Monat, aber er ist neu in Frankfurt, baut gerade mal erste Kontakte auf und freut sich noch, zwischendurch in den Heimathafen zu kommen und sich über sein neues Leben und die Weltpolitik zu unterhalten. Das ist auch schön.

Ich nutze die Hinfahrt nach Frankfurt, um die neue CD „Leichtes Gepäck“ von Sascha Bendiks zu hören. Zuhause kann ich Musik meist nur nebenbei hören – außer beim Illustrieren, aber das mache ich gerade nicht. Als ich mal einen sehr unterhaltsamen Abend mit Sascha Bendiks, Jess Jochimsen, Purple Schulz und Josef Piek gefilmt habe, fielen mir die schöne Stimme und die originellen Lieder von Sascha auf. „Den muss ich im Blick behalten und mal in eins seiner Konzerte gehen!“, dachte ich mir. Habe ich auch. Also im Blick behalten. Seit fast zwanzig Jahren, denn der Abend fand 2004 statt. In einem Konzert war ich seither immer noch nicht. Damit es nicht ganz so schlimm ist: Er tritt wirklich selten mal in meiner Nähe auf.

Jetzt also die neue CD, auf die ich sehr gespannt bin. Vielleicht gefällt sie mir ja gar nicht. Aber schon beim ersten Lied beginne ich zu lächeln. Ja, die gefällt mir sehr. Es gibt schöne Texte, treffende Zeilen, Geschichten, die etwas aussagen und mich berühren, immer musikalisch passend und abwechslungsreich gestaltet. Die Liebe, mit der jedes einzelne Lied sorgfältig gestaltet wurde, ist zu hören. Dazu eine so schöne Stimme! Hach, ich muss dringend mal in ein Konzert!

In Frankfurt komme ich extra zu früh an, weil ich vor der Rückfahrt noch eine gute Pause in einem Café machen möchte. Drei fußläufige Cafés stehen zur Auswahl, zwei davon habe ich schon getestet. Eins hat großartigen Cappuccino, wunderschöne Tortenstücke in der Vitrine, die mir zu viel kosten, ist leise, etwas vornehm und ganz schön teuer. Das zweite ist laut, eng und bunt, hat eine große, vielfältige Kuchenauswahl, der Cappuccino ist nicht toll, aber OK, die Preise sind niedrig. Diesmal teste ich das dritte Café und bestelle zum Cappuccino spontan ein Stück Frankfurter Kranz aus dem eher langweiligen Kuchenangebot. Der Cappuccino ist knapp unter OK und besteht zur Hälfte aus geschmacklosem Milchschaum. Die Creme im Frankfurter Kranz ist gezuckerte Plastikmasse, die fettig, aber ansonsten nach nichts schmeckt. Typ „süßlicher Bauschaum“. Dieses Café ist für immer aus der Auswahl raus. Immerhin ist das Buch gut, das ich mir kurz vorher aus dem Bücherschrank geholt habe.

Dann hat der Sohn Feierabend, kocht uns in seinem Apartment noch einen starken Tee, danach geht’s mit durchgehender Unterhaltung auf die Heimfahrt. Er hat drei Tage Urlaub, was für ihn, obwohl er mehr als gerne arbeiten geht, auch mal schön ist.

Im Hof streiche ich die Wand ein zweites Mal, danach gibt es Farbe auf den umlaufenden Sockel. Ich schätze dafür etwa eine Stunde Arbeitszeit – es werden drei. Puh.

Jetzt sieht die eine Seite des Hofes doch schon ziemlich gut aus. Die andere ist vollgestellt, gestapelt und rümpelig. Noch. Das wird ab jetzt Teil II der Verschönerung.

Die Woche endet mit einer Gartenparty. Anfang April kann es durchaus noch Schnee geben, aber das Geburtstagskind ist mutig und die Gäste sind es auch. „Warme Joppe mitbringen!“ steht in der Einladung. Meine beiden Lieblingschweizerinnen sind angereist und fahren ab Köln mit, und es wird eine große, bunte, volle, stimmenwirrige, manchmal kühle, am Lagerfeuer aber warme, unvergessliche Feier.