Blog 914 – 02.11.2026 – Nasen-OP, Ballast im Schrank und Frisurfragen
Na, geht doch. Kaum reserviere ich mir zwei Nachmittage in der Woche zum Arbeiten am Puppenstück, da klappt das auch. Am ersten Nachmittag nehme ich mir die halb fertige Klappmaulfigur vor, die zwar recht gut als Hauptperson passt, aber nicht ganz so aussieht, wie ich sie mir ursprünglich für die Rolle vorstellt habe. Ich führe eine kleine OP durch, um die Nase schmaler zu machen, nähe Augenlider und schnitze Ohren.



Schritt für Schritt komme ich dem gewünschten Aussehen näher, beziehungsweise lasse ich mich auf die Figur ein und finde sie immer passender. Habe ich sie mir jemals anders vorgestellt? Die ist doch genau richtig! Und eine festgelegte Zeit, in der ich mich intensiv mit eigenen Sachen beschäftige und nicht immer denke, dass ich jetzt unbedingt etwas anderes erledigen müsste, passt auch. Es ist allerdings ein bisschen anders als früher, denn jetzt liegt das Telefon immer griffbereit, weil mein Vater ein Problem haben könnte. Hat er auch. „Ich habe ein großes Problem.“ „Was ist denn, Papa?“ „Der Wecker tut es nicht mehr und ich komme nirgendwo hin, um eine Batterie zu kaufen.“ „Ich bringe eine mit und bis dahin hast du doch viele andere Uhren.“ „Die sind aber kein Wecker.“ Da hat er recht, auch wenn er überhaupt keinen Wecker nutzt. „Ich bringe beim nächsten Mal eine Batterie mit.“ „Na gut.“ Klack. – Solche kleinen Störungen holen mich sofort aus dem konzentrierten Arbeiten, aber da ich meine Ansprüche weit heruntergeschraubt habe, komme ich zurecht. Ich bin ja schon froh, dass ich nicht wieder die Stimme der Betreuungskraft höre: „Ruf Krankenwagen! Papa ist Treppe runtergefallen!“ Ich notiere „Batterie!“, greife zur Nadel und nähe weiter an meiner Figur. Eingeschränkt zu werkeln ist besser als überhaupt nicht.
Am nächsten Tag beginne ich mit dem Aussortieren. Es hat sich zu viel angesammelt, das ich ungenutzt mitschleppe. Zum Beispiel ein gestrickter Pullover, der seit etwa 40 Jahren im Schrank liegt. Ohne Anleitung hatte ich damals ausprobiert, wie ich mit drei Farben stricken und ein Motiv für die Maschenanzahl berechnen kann. Dafür ist es gut gelungen, finde ich. Wenn die Grundfarbe nicht so ein knalliges Rot wäre, würde ich den Pullover vermutlich zumindest noch im Garten tragen, aber jetzt lächle ich einmal sentimental und entsorge ihn. Ballast abwerfen.

Außerdem war ich lange Zeit ein Erinnerungs-T-Shirt-Opfer. Das heißt, ich habe mir bei Konzerten und Veranstaltungen T-Shirts mit Aufdruck gekauft. Eagles, Stoppok, Billy Joel, Helge Schneider, Bodo Wartke, Dirk Bach, Wise Guys …, ich mag es gerne, mich zu erinnern. Natürlich waren mir die T-Shirts viel zu schade, um sie regelmäßig zu tragen, darum habe ich sie im Schrank gestapelt. Was für ein Quatsch! Ab jetzt trage ich sie auf und wenn sie kaputt sind, kommen sie weg.

Für den Mittwoch bei meinem Vater steht viel auf der To-do-Liste. Da koche ich lieber wieder am Vorabend eine Suppe, denn genau um 12 Uhr – der Mittagessenszeit meines Vaters – steht ein Termin beim Hörgeräteakustiker an. Dafür muss ich meinen Vater im Rollstuhl mitnehmen und danach sollte so schnell wie möglich das fertige Mittagessen auf dem Tisch stehen. Vorher muss ich zu zwei verschiedene Arztpraxen mit erfahrungsgemäß langen Warteschlangen, um ein Rezept und eine Verordnung zu bekommen, außerdem möchte mein Vater ein altes Foto kopiert und als Foto ausgedruckt haben, eine Trauerkarte soll von mir geschrieben und in den Briefkasten geworfen werden, ich muss meinerseits ein Foto von meinem Vater machen, Lebensmittel einkaufen, wegen einer anstehenden Geburtstagseinladung mit unklarem Datum jemanden anrufen und er möchte am Nachmittag mit mir zusammen zum Kaffeetrinken zu einem Bekannten, der davon noch nichts weiß und den ich am Vormittag erst anrufen und fragen muss. Das alles, zusammen mit den kleinen Dingen und Problemen, die üblicherweise am Papa-Tag auftauchen, verspricht ein voller, stressiger Tag zu werden.
Aber wie das mit den festen Erwartungen manchmal ist, läuft alles unerwartet schnell und reibungslos. Bei den Ärzten bin ich blitzschnell dran, der Weg zum Hörgeräteakustiker ist rollstuhltauglich, der Termin dauert nicht lange und gleich gegenüber können wir beim dm das vorher abfotografierte Foto ausdrucken lassen, Lebensmittel muss ich nicht einkaufen, weil die Betreuung das schon gemacht hat, und der Nachmittagsbesuch beim Bekannten entfällt, weil mein Vater am Vortag schon einen Nachmittagsbesuch bei der Nachbarin abgesprochen hat. Auch alle anderen To-do-Punkte auf meiner Liste kann ich schnell als erledigt abhaken. Sogar die Weckerbatterie hat die Betreuungskraft schon ausgetauscht. Und so sitze ich am Ende des Papa-Tages bis fast 18 Uhr mit zwei etwa Neunzigjährigen und einer polnischen Betreuung bei Kaffee und Schokokeksen und unterhalte mich darüber, wie schnell das Leben vorbeigeht und wie unfassbar bescheuert der blöde Putin und der noch blödere Trump sind.
Am Donnerstagnachmittag ist wieder Kreativzeit, und diesmal kümmere ich mich um die Hände der Klappmaulpuppe. Die fallen ungewöhnlich groß aus, weil ich eine der Figurenhände mit meiner eigenen Hand spielen werden und die andere an meine Bauarbeitermaße angepasst werden muss.

Bei den Haaren kann ich mich nicht gut entscheiden. Ich habe leicht rosafarbenes Kunstfell, das sehr gut passt, aber auch dunkle Wolle, die mir gut für die Figur gefällt. Zunächst entscheide ich mich für das Fell und nähe es an einigen Stellen fest. Süß. Doch dann finde ich, dass die Wolle als Haar viel besser zum Charakter passt. Also trenne ich das Fell wieder ab. Ich nehme doch lieber die Wolle. Mmmh …. oder? Vielleicht ist das Fell doch besser. Tja, das muss ich noch hin- und her- und abwägen. Es muss ja zum Charakter der Person passen. Blöderweise würden das beide Varianten.

Die Katze rollt sich, passend zum meist kühlen Herbstwetter, in komplizierten Knoten zusammen und verschläft viel Zeit.

Ganz anders ein Hund, den ich hochkonzentriert hinter dem Steuer eines Autos sehe. Zum Glück wartend auf dem Parkplatz, darum aber nicht weniger ernsthaft.
