Blog 903 – 17.08.2025 – Katapult, Knie, Hirnzellen und Stadion
Mit meinem Sturz über die letzte Stufe der Laube habe ich mich erstmal ins Aus katapultiert. Katapultiert ist dabei der richtige Ausdruck. Obwohl sich die Knie, wenn sie nicht belastet sind, uneingeschränkt bewegen lassen, ist jeder Schritt schmerzhaft. Ich stakse steifbeinig herum, kann Treppenstufen nur mühsam bewältigen und verbringe den Tag weitgehend auf dem Sofa. Mir ist es übel, ich habe Kopfschmerzen, der Kreislauf schwankt und vor lauter Müdigkeit schlafe ich immer wieder ein. Oh, je. Einen Tag gebe ich mir. Wenn dann nicht eine deutliche Besserung festzustellen ist, werde ich meine Handspieldrehs absagen müssen.
Am Montag schlafe ich den Tag über deutlich mehr als ich überhaupt wach bin. Immer wieder fallen mir die Augen zu und ich schlafe tief ein. Übel ist es mir weiterhin, der Kreislauf schwankt und die Kopfschmerzen gehen trotz einer Ibu 600 nicht weg. Dafür mache ich aber Fortschritte beim Laufen. Gerade gehen funktioniert schon fast wieder, die Treppenstufen werden erträglicher und das Hinsetzen und Aufstehen ist nicht mehr von ganz so viel Gestöhne begleitet. Ich lasse das als deutliche Besserung durchgehen und gebe mir einen weiteren Tag.
Am Abend – immer noch habe ich Kreislauf, Übelkeit, Kopfschmerzen und Müdigkeit -, kommt mir ein Verdacht. Ich google „leichte Gehirnerschütterung“. „Symptome: Kreislauf, Übelkeit, Kopfschmerzen und Müdigkeit. Kann durch einen heftigen Sturz ausgelöst werden, auch ohne dabei direkt auf den Kopf zu fallen.“ Als medizinische Amateurin würde ich das als Treffer deuten. Und es würde passen. Bei meinem rasanten Abstoppen auf den Knien, nachdem ich so in Schwung war -, werden meine paar Hirnzellen kreischend durch den freien Raum geflogen, am anderen Ende an der inneren Schädelwand aufgeprallt und dort langsam heruntergesackt sein.
Als ich am nächsten Morgen aufwache, geht es mir deutlich besser. Die Knie tun weniger weh, die Kopfschmerzen sind weg. Ein etwas wattiger Kreislauf und leichte Übelkeit sind weiterhin latent vorhanden und ein wenig müde bin ich immer noch. Aber das ist doch schon gut. Dass ich mich besser fühle, ist doppelt gut, denn mein Vater hat seinen vorverschobenen Arzttermin. Ich fahre zu ihm, packe ihn und den Rollstuhl ins Auto, schiebe ihn bis zum „barrierefreien“ Arzt – und stehe dann vor einem der kleinsten Fahrstühle der Welt, in den ich den Rollstuhl nur reinbekomme, indem ich die Fußstützen abmontiere, mein Vater seine Füße gequetscht nach innen dreht und der Rollstuhl nach Hin- und Hergeruckle sowohl vorne als auch hinten an die Wand stößt. Beim Schließen schabt die Tür am Reifen entlang und ich hoffe, dass das kein Auslöser zum Steckenbleiben sein wird. Ich selber passe nicht dazu und bin froh, dass ich die Stufen im Treppenhaus wieder einigermaßen gut laufen und meinen Vater oben empfangen kann.

Nach dem Arztbesuch bringe ich meinen Vater nach Hause und schaffe es sogar noch zum Einkaufen, denn ich muss für den kommenden Papa-Tag das Mittagessen vorbereiten. Kaum bin ich Zuhause, stelle ich die Einkaufstasche ab, lege mich ins Bett und schlafe erstmal. Insgesamt bin ich sehr zufrieden mit meinem Gesundungsverlauf. Meine Beweglichkeit beim Laufen ist wieder da und als ich mich testweise auf den Boden setze – Puppenspielerinnenvoraussetzung -, tut nichts weh und ich kann gut wieder aufstehen. Das wird alles klappen. Die Frage ist jetzt eher: Schlafe ich beim Dreh alle zwei Stunden ein?
Dass ich den Mittwoch bei meinem Vater verbringen muss, passt nicht in mein Heil- und Entspannungskonzept, geht aber nicht anders. Gleich als ich ankomme, wird mir der Duschstuhl präsentiert, an dem zwei Gummifüße zerbröselt sind. Ich fahre zum Sanitätshaus, wo es keine Ersatzfüße, aber neue Duschstühle gibt. Die sind mir zu teuer, aber der Hausarzt könnte mir aufgrund des Pflegegrades meines Vaters einen Duschstuhl verordnen. Ich gehe hin – und warte zwanzig Minuten lang am Empfang auf die unterschriebene Verordnung.

Es ist ein heißer Tag, mir ist es immer noch übel, leichte Kreislaufschwankungen kommen und gehen, und ich weiß nicht, ob ich leicht schwitze, weil ich gleich umkippe, weil es so warm ist oder weil die spiegelnden Fliesen mich in ihrer Eintönigkeit hypnotisieren. Endlich kommt die Verordnung, ich eile zum Sanitätshaus, unterschreibe alles und habe einen neuen Duschstuhl. Diesmal bleibe ich nur bis kurz nach 15 Uhr bei meinem Vater und fahre dann nach Hause. Ich brauche gerade ein wenig Ruhe und Entspannung.
Am nächsten Tag geht es schon um 7 Uhr ab nach Dortmund. Es wird im Fußballstadion gedreht, und die Welt der Fußballbegeisterung ist für mich weit entfernt, etwas skurril, aber auch faszinierend. Die Leidenschaft, mit der dort alle für ihren Verein einstehen, ist deutlich zu spüren. Selbst im unwichtigsten Security-Mann scheint ein schwarzgelbes Herz zu schlagen.

Es ist für Außenstehende aber auch ein Terrain voller Fettnäpfchen, in die sie ständig tappen können, wenn eine Farbe falsch im Bild ist, ein Wort im Text unpassend oder die Kamera im Winkel etwas erfasst, was die harten Fans zum Anlass nehmen könnten, zu eskalieren.
Aufkleberkleben scheint für die Fans eine Art der Reviermarkierung zu sein, was auch die Damentoilette auffrischt. „Es lädt zum Verweilen ein“, würden Raumausstatter säuseln.


In dieses leidenschaftliche Milieu kommt eine kleine Gruppe von prominenten Puppen, die Kindern etwas über Fußball erklären wollen. Das ist schon ein großer Kontrast, der aber sehr schön ist.

Zum Glück kann ich mich wieder uneingeschränkt bewegen, es tut nichts weh und auch der Kreislauf ist stabil. Einzig an Essen kann ich immer noch nicht denken, ohne dass es mir übel wird. Es ist aber schon erstaunlich, wie fit ich bin, nachdem ich drei Tage vorher noch überwiegend schläfrig herumhing und seitdem auch kaum noch gegessen habe. Ich merke allerdings, dass meine Hirnzellen noch nicht wieder auf den Beinen sind und sich ihre eigene Schonung verordnet haben. Fürs normale Leben reicht ihre Leistung gut aus, aber die Gedanken britzeln und springen nicht so blitzschnell wie vor dem Sturz. Genaugenommen springt da gar nichts, alles läuft langsam und gesittet herum.
Es ist sehr warm, und wie üblich beim Drehen gibt es aktive Einsätze und Herumsitzerei. Wir drehen an verschiedenen Stellen im Stadion, unter anderem in der Spielerkabine. Es gibt Interaktionen zwischen Spielern und Menschen. Ich hocke zwischendurch unter Fell oder liege lange schräg hinter dem Sofa, warte, bewege Hände – und bin sehr gut gelaunt. Alles prima. Was bin ich froh, dass das geklappt hat!
Am nächsten Tag packe ich meine Reisetasche und fahre nach Frankfurt. Dort gibt es eine Übernachtung beim Sohn und am nächsten Morgen geht es früh vom Flughafen los nach Tallinn in Estland. Die nächste Handspielzeit, diesmal mit Fuchs – und hoffentlich zwischendurch auch etwas Zeit, um die schöne Innenstadt von Tallinn anzusehen.