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Blog 908 – 21.09.2025 – Nudeln, Gabeln, Tibet und Killer

Am Sonntag bin ich noch in Frankfurt, wache früh im Hotel auf und überlege, wo ich ausgiebig frühstücken gehe, um die Zeit rumzubringen, bis der Übernachtungsbesuch des Sohnes fährt. Doch der nimmt eine sehr frühe Bahn und ich kann vom Hotel sofort ins Wohnzimmer des Sohnes wechseln. Dort sitze ich gemütlich mit frischem Tee, wir unterhalten uns und ich überarbeite meine krakeligen Notizen vom Maybebopkonzert in lesbare Sätze.

Das Wetter weiß nicht genau, ob es Sommer oder Herbst sein soll, entscheidet sich dann aber für einen Restsommer.

Gegen Mittag fahren wir mit der Bahn in Richtung „Kulturhaus“, wo ich mir etwas später „People like us don’t kill“ ansehen möchte, eine Produktion vom Frankfurt English Speaking Theatre (F.E.S.T), bei der der Sohn mitspielt. Vorher essen wir in einem japanischen Restaurant Ramensuppe. Die schmeckt sehr gut, auch wenn wir das japanische Konzept von „sehr lange Nudeln in heißer Brühe, die mit Stäbchen gegessen werden“ für misslungen halten. Spritzer und Nudeln, die unelegant aus dem Mund hängen, während sie noch unangenehm heiß sind, sind dabei kaum zu vermeiden.

Ich nutze eine deutsch-italienisch-japanische Vorgehensweise, indem ich eine Nudel mit den Stäbchen raushebe, schön gekringelt auf meinem Brühenlöffel drapiere und dann problemlos esse. Das „italienisch“ in der Bezeichnung ist dabei nur in der Kombination mit „deutsch“ richtig, denn in Italien werden lange Nudeln nicht unter Einsatz eines Löffels gedreht und gegessen. Das machen nur viele Deutsche. Ganz richtig werden italienische Spaghetti mit einer Gabel auf dem Tellerrand aufgedreht. Aber in der japanischen Esskultur gibt es nicht mal Gabeln. Die haben so viele schlaue Sachen, die Japaner. Und so leckeres Essen. Und sehr lange Nudeln. Wieso haben sie keine Gabeln? Vermutlich gibt es Japaner, die verständnislos den Kopf schütteln, weil die Deutschen in ihren Restaurants die Nudeln mithilfe der Stäbchen auf ihrem Löffel aufkringeln. Oder nach Gabeln fragen. Gabeln! Diese Deutschen.

Warum mein Oolong-Eistee als purer, kalter Tee ohne jedes Extra im Glas ist, während der Zitronen-Eistee des Sohnes für den gleichen Preis Eiswürfel, Zitronenstücke, etwas Süße und ein Trinkröhrchen hat, beschäftigt mich. Aber nur kurz.

Der Sohn geht danach zum Warm-up ins Theater und ich in ein Café, wo ich noch einen Cappuccino trinke, bis es Einlasszeit ist.

Bei „People like us don’t kill – An Evening of One-Act Plays“ werden drei kleine Einakter und drei Musiknummern gezeigt, die alle von Mord handeln. Eine super Idee. Es ist sehr abwechslungsreich und der Wechsel von temperamentvollen Musicalnummern zu spannenden Szenen, die durchaus Humor haben können, bis hin zu atemlosen Nervenkitzel funktioniert. Mir gefällt es sehr. Ich mag nicht nur die professionelle Vorgehensweise bei den F.E.S.T.-Produktionen. Ich mag auch, dass die Mitglieder international sind und in den Stücken Leute aus England, Amerika, Spanien, Indien, Deutschland Australien … auf der Bühne stehen, die verbindende Sprache Englisch ist und die Atmosphäre fühlbar warmherzig, offen, freudig und voll Humor. So muss die Welt sein. Nationalität und Hautfarbe ist nur für die Biographie interessant und spannend, aber nicht für das Miteinander.

Am Abend erfahre ich die Ergebnisse der Kommunalwahl in NRW. Die geht in die gegensätzliche Richtung zum freundlichen Miteinander. Es ist beängstigend, wie viele Leute nicht weit denken und die AfD wählen. Dass sie mit der jetzigen Regierung nicht zufrieden sind, kann ich voll verstehen, aber eine Hass, Hetze und faschistische Parolen verbreitende Rechtspartei kann nie die Lösung sein. Wenn die AfD mal die Mehrheit haben sollte und dann in vielen Bereichen sofort neue Gesetze und Regeln durchsetzt, werden sehr viele der Wähler – wie jetzt viele Trump-Wähler in den USA – klagen, dass es ihnen immer schlechter geht und sie die Kürzungen und Einschnitte bei anderen, aber nicht bei sich selber sehen wollten. Und dann werden sie jammern: Das hat man ja nicht wissen können. – Doch. Wer hinsieht, hinhört und mal in das Programm der AfD reinliest, weiß, was kommen wird. Warum Leute eine rechtsextreme Partei wählen, die die Demokratie abschaffen und autoritär über alles bestimmen möchte, ist für mich nicht zu verstehen. Wer heute die AfD wählt, hätte damals aus den gleichen fadenscheinigen Gründen die NSDAP gewählt. Geschichte wiederholt sich, manche Leute lernen nichts dazu und fahren lieber gegen die Wand. In meinem Dorf ist von zehn Leuten mindestens einer ein Neu-Nazi. Zum Glück findet mein Leben in einer anderen Blase statt, in der ich mich noch so fühlen kann, als wären überall Anstand, Klarheit und Wissen die Basis.


Zuhause setze ich mich hin und schreibe den Bericht über das Maybebopkonzert. Das dauert immer etwas. Ich mag es aber, so etwas aufzubewahren und dass ich Jahre später nochmal lesen kann, wie es war, die Atmosphäre wieder spüre und auch andere daran teilhaben lassen kann. Bei den Fotos war ich in der Sicht etwas eingeschränkt, zumal ich nicht mit hoch erhobenen Armen fotografiere und damit Zuschauer störe, aber auch da finde ich einige passende Bilder.

Während ich noch schreibe, fällt mir ein, dass Lukas nach dem Konzert verwundert fragte, warum ich bis nach Frankfurt gefahren sei. Im nächsten Jahr würden sie doch drei Konzerte in Köln geben. Eins davon im Gloria. – Das Gloria ist schön klein. Ich gucke im Internet nach und es gibt tatsächlich noch einige Restkarten. In der etwas erhöhten Reihe 13, die ich sehr gerne mag, sehe ich einen freien Einzelplatz. Den nehme ich. Klicken, bezahlen, Hometicket ausdrucken, fertig. Ich freue mich. Hurra, im nächsten Mai bin ich im Kölner Gloria dabei! Als ich dem Gatten davon erzähle, schüttelt er augenverdrehend und grinsend den Kopf, denn bis dahin habe ich noch zwei weitere Maybebop-Termine im Kalender stehen. Er findet das zu viel. Ich nicht.

Einige Minuten später kommt der Gatte mit seinem Kalender zu mir und sagt verwundert, dass er gerade eintragen wollte, dass ich im Mai bei einem Maybebopkonzert in Köln bin, genau das dort aber schon steht. Meine Hirnzellen ziehen kurz die Luft ein und erinnern sich schwach und entfernt an etwas. Ich sehe im Schrank bei meinen Konzertkarten nach und richtig: Ich habe schon eine Karte für das Maybebopkonzert im Gloria. Gebucht vor vier Monaten. Und völlig vergessen. Ich gucke genauer: Auch da habe ich einen Platz in Reihe 13. Und wirklich völlig zufällig ist es genau der Platz neben dem, den ich gerade gebucht habe. Vermutlich weil meistens paarweise verkauft wird und der Einzelplatz bisher übrig blieb. Und jetzt? Darf ich, wenn ich zwei Karten für das Konzert habe, doppelt hören? „Dann komme ich mit“, sagt der Gatte. Auch eine Lösung.


Den Mittwoch verbringe ich – wie üblich – bei meinem Vater. Das Essen, das ich am Dienstag vorbereite, schmeckt ihm. Zum Glück. Ich koche für uns selber schnell mit frischen Sachen, oft kurz in einer Pfanne angebraten und asiatisch abgeschmeckt. Für meinen Vater muss ich gutbürgerlich Fleisch, Kartoffeln, Gemüse und Soße machen, was mir nicht locker von der Hand geht, weil ich es eben selten koche. Das Gemüse muss für ihn weich und das Fleisch saftig und leicht zu kauen sein. Immer Frikadellen geht aber nicht. Oft geht am Dienstagnachmittag viel meiner Zeit mit Einkaufen und Vorbereiten drauf, und manchmal sagt er dann am nächsten Tag nach dem Essen: „Musst du nicht nochmal machen.“ Na, diesmal hat’s gestimmt. Für den Nachmittag hat er sich zum Kaffee bei der Nachbarin verabredet, wohin er begleitet werden muss. Erst um 18 Uhr kommen wir von dort zurück. Bis ich zuhause bin, ist schon wieder ein 10-Stunden-Tag vorbei.


Am Freitag fahre ich schon wieder nach Frankfurt. Diesmal zusammen mit dem Gatten, der den mörderischen Abend von F.E.S.T. ebenfalls ansehen möchte. Auch diesmal fahren wir mit dem Sohn zusammen schon etwas früher in die Innenstadt, um vor der Vorstellung noch essen zu gehen. Jetzt tibetanisch. Es gibt verschieden gefüllte, gedämpfte und zum Teil angebratene tibetanische Teigtaschen mit leicht scharfer Soße, die dim geschmack für uns völlig neu ist, und dazu Mango-Lassi. Alles sehr gut. Mjammi. Teigtaschen lassen sich mit Stäbchen problemlos in Soße tunken und essen.

Die anschließende Theater-Vorstellung ist wieder sehr gut. Wir gucken mit Freude zu und finden es lustig, spannend und abwechslungsreich.


Anschließend übernachten wir beim Sohn und haben am nächsten Morgen einen wunderbar lässigen Vormittag. Ich sitze mit Tee und Buch auf dem sonnigen Balkon, zwischendurch plaudern wir – es ist Urlaub. Mittags wollen wir in einem persischen Restaurant essen, in dem wir auffällig auf das gerade vorbereitete Mittagsbuffet hingewiesen werden. Es könnte auch etwas aus der Karte gewählt werden, wird gesagt, aber wir haben das Gefühl, dass gerade wenig Zeit oder wenig Personal zur Verfügung steht. Warum nicht das Buffet? Wir erhalten sehr leckeren Tee, in dem eine kleine, getrocknete Rosenblüte schwimmt, der nach Rosen schmeckt und eine Dattel am Tellerrand liegen hat. Das startet schon mal gut.

Das Buffet überzeugt uns allerdings nicht. Es gibt eine Linsensuppe, die gutbürgerlich deutsch ist und nur einen Zusatz von Schärfe und Minze hat, ein sehr leckeres Auberginenpüree, vollkommen deutscher, kalter Nudelsalat mit Mayonnaise, neutral schmeckenden Hummus und gebratenes Gemüse, bestehend aus Zwiebeln, Zucchini, Auberginen und Paprika, das gut schmeckt, aber für uns ziemlich normal ist. Alles lecker, aber zu wenig authentisch persisch. Im Gegensatz zu den Bildern auf der Speisekarte eher langweilig.

Die sehr nette Inhaberin erklärt, dass ihre Kunden gerne auch deutsch essen möchten und sie darum immer mal wieder deutsche Gerichte anbietet. Am Vortag hätte das Mittagsbuffet aus gebratenem Gemüse, Falafel und Reis bestanden, wäre also viel persischer gewesen. Tja, für uns wäre das besser gewesen. Wir werden nochmal hingehen und dann von der Karte bestellen.

Nach dem Essen fahren wir nach Hause, wo ich erst noch in den Supermarkt fahre und am Abend dann kleine Quiches backe, die ich am Sonntag zum Brunch beim Krimidinner mitnehmen werde.

Dass ich gerade das Gefühl habe, dass die Zeit rennt und ich immer unterwegs bin, ist nicht verwunderlich.