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Blog 910 – 05.10.2025 – Figuren, Jürgen Maaßen und Betonwidder

Am Sonntag wache ich um 6 Uhr im Wohnzimmer des Sohnes auf der Klappmatratze auf. Geschlafen habe ich sehr gut, aber ich finde es etwas früh, da ich erst um halb 2 auf der Matratze lag. Schlafen kann ich aber auch nicht mehr. Ich setze mich an den Tisch, mache den sonntäglichen Blogbericht fertig und lese Nachrichten. Der Sohn steht gegen 8 Uhr auf – da hätte mein Wecker geklingelt – und macht eine Kanne Tee für uns. Es ist entspannt und sehr gemütlich – ich bin im Urlaubsmodus. Schon eine Stunde später fahre nach Bad Kreuznach zum Puppentheatermuseum. Dort findet die Ausstellungseröffnung „Geschnitzt – Geformt – Gestaltet. Das Werk des Hamburger Figurenbaumeisters Jürgen Maaßen“ statt. Bei Jürgen war ich vor vier Wochen noch im Schnitzkurs und habe an meinem depressiven Prinzen gewerkelt.

Die Eröffnungsfeier gefällt mir sehr, weil sie so unaufgeregt und persönlich ist. Die Atmosphäre ist liebevoll, es wird gelacht, es gibt kurzweilige Reden, Spielszenen mit Maaßen-Figuren, sogar der Meister selber spielt eine kurze Szene. Dabei ist er wie immer sehr bescheiden und will sich gar nicht so gefeiert sehen.

In der Ausstellung sind viele seiner Figuren aus unterschiedlichsten Inszenierungen zu sehen. Was für tolle Charaktere!

Jürgen Maaßen hat sich bereiterklärt, einen Rundgang durch die Ausstellung zu machen und dabei etwas zu den Figuren zu sagen. Aber wie das beim Vollblutpuppenspieler Jürgen so ist, schwenkt er immer wieder schnell vom Bau der Puppen in die Inszenierungen ab und erzählt, spielt, lebt mit verstellten Stimmen Szenen aus den Stücken. Es sind großartige Hörspiel-Fragmente, die viel Spaß machen und denen ich lange zuhören könnte.

Wie schön und richtig, dass es diese Sonderausstellung über seine Figuren gibt. Sie ist bis Ende 2026 im Figurentheater Bad Kreuznach zu sehen.


Am Nachmittag bin ich zurück in Frankfurt. Wir leeren noch eine Kanne Tee, dann fahre ich mit dem Sohn zusammen in die Innenstadt. Erst gibt es Eiskaffee im Eiscafé, dann sehen wir uns ein Theaterstück an, bei dem ein Freund mitspielt.

Das Stück ist bunt und voll, entspricht aber nicht unseren persönlichen Anforderungen. Der Freund ist – wie wir es erwartet haben – sehr gut, souverän und professionell und macht uns beim Zugucken viel Spaß. Unsere Regie-Gene sehen aber sofort, was bei dieser Inszenierung zu tun wäre und welche „darlings“ rausfliegen müssten. Da es aber nicht unser Stück ist, greifen wir nicht ein und unterhalten uns auf der Rückfahrt in der Bahn nur angeregt über unsere Eindrücke und Regiemaßnahmen. Das ist auch schön, dass wir da einen ähnlichen Blick haben und ein gutes Regieteam wären.


Den Montag verbringe ich bis mittags noch in aller Ruhe in Frankfurt, dann essen wir Bowl und vietnamesische Pho-Suppe beim „bowlwerk“, und am Nachmittag komme ich sehr entspannt und gut gelaunt wieder nach Hause. Die letzten vier Tage waren voll mit Fahrerei, Musik und Theater und haben mir sehr gutgetan. Zwischen dem Einkaufen, Vorkochen und dem Mittwoch bei meinem Vater schreibe ich dann noch den Konzertbericht vom Maybebopkonzert in Bonn. Wie immer auf reihedrei.de zu lesen.


Am Donnerstag fahre ich zum viertägigen Betonkurs. Dort möchte ich keine Betonwände gießen, sondern eine Figur bauen. Die Betonfiguren haben ein Innenleben aus Holz und Draht und sind dadurch deutlich leichter als Steinfiguren. Das wäre mal schön für große Figuren. Mit Beton kenne ich mich – außer bei den Fertigpackungen für Reparaturen im Haus – nicht aus. Der Kurs findet bei „bildhau“ in Brühl statt, einem Fachgeschäft für alles, was mit Bildhauen, Steinbearbeiten und Ton zu tun hat. Praktisch ist, dass ich jeden Tag nur in den Nachbarort fahren muss und weder Klappmatratze noch Schlafwagen brauche.

Im Vorfeld überlege ich, dass ich eine hohe, stehende Figur bauen möchte, aber da ich nicht weiß, auf was ich achten muss, entscheide ich mich für ein kleineres, kompaktes Motiv, einen liegenden Widder. Erstmal möchte ich die Technik kennenlernen und möglichst alle Schritte bis zum Ende der Arbeit schaffen, ehe ich mit einer zu großen Figur in Zeitdruck komme. Außerdem müsste ich dann ja auch noch einen Sockel bauen, damit eine schmale, hohe Figur nicht umfällt, was noch mehr Zeit kostet. Mein Widder liegt einfach auf dem Boden.

Im Kurs muss ich zunächst das Innenleben bauen. Ich säge Holzlatten, schraube sie zusammen und überziehe sie mit Kaninchendraht. Normalerweise vermeide ich, dass mir Kaninchendraht zu nahe kommt. Zwanzig blutende Stellen an den Fingern und zwei tiefe Kratzer an den Unterarmen später weiß ich wieder, warum. Als ich endlich alles in die gewünschte Form gebracht habe, muss ich es noch mit Jute überziehen. Da sind wir aber schon am zweiten Tag und mir kommen Zweifel, ob ich die mindestens zwei, besser noch drei Lagen Beton innerhalb der Kurszeit überhaupt schaffe. Der muss zwischendurch ja auch immer noch trocknen. Schmale Sockel können im Übrigen im Kurs fertig gekauft werden, das wäre kein Problem gewesen.

Der Kursleiter, Bildhauer und Künstler Ákos Sziráki strahlt Ruhe aus und behält den Überblick. Er erklärt die nächsten Schritte und gibt individuelle Ratschläge und Hilfen, wo sie gebraucht werden. Alle Kursteilnehmer*innen sind nett, sympathisch und hilfsbereit, die Atmosphäre ist schön und es wird zügig gearbeitet, was auch erforderlich ist. Ich schaffe es am Nachmittag des zweiten Tages tatsächlich noch, meinen Widder mit der ersten Grundschicht zu überziehen. Zumindest oben herum, die Unterseite kann erst am nächsten Morgen drankommen, wenn ich die angetrocknete Figur umdrehen kann.

Am dritten Tag rühre ich weitere Sand-Betonportionen an und spachtel die zweite Betonschicht auf den Widder. Das Gestalten der Figur mit Beton macht mir deutlich mehr Spaß als das Bauen des Innengestells. Jetzt kann ich mir sogar vorstellen, die Kaninchendrahtprozedur nochmal zu machen, um eine große Figur für den Garten zu bauen. Ich bin aber froh, dass ich am Widder lerne, auch wenn der mit seinen Hörnern verhindert, dass ich mit einem Spachtel gut an alle Stellen komme.

Der Workshop bei bildhau gefällt mir. Der Arbeitsraum ist groß und hell, es gibt ein gemeinsames Mittagessen am großen Tisch, und fehlendes Werkzeug oder Material können ganz schnell im Ladengeschäft geholt werden. Mal sehen, was ich am letzten Kurstag noch schaffe. Der wird gegen Mittag enden, denn es muss ja noch aufgeräumt werden und die Figuren müssen angetrocknet sein, ehe sie in die Autos gepackt werden können.