Blog

Blog 916 – 16.11.2025 – Waffeln, Ärmel nähen, Uniklinik und Beziehungen

Die vier beim Aufräumen gefundenen Waffeleisen ergeben Überraschungen. Eines ist für viereckige, belgische Waffeln, eines für dünne Eiserkuchen, eines ist so verbraucht und alt, dass ich es nicht behalten möchte und eines ist ein Sandwichmaker, bei dem sich die Teflonbeschichtung löst und der mit dem verbrauchten Waffeleisen zum Werkstoffhof kommt.

Um zu testen, ob die beiden übrigen Waffeleisen noch funktionieren, muss ich natürlich Waffeln backen. Es sind zwei verschiedene Teige nötig. Ergebnis: Beide Geräte arbeiten vorbildlich. Beide Waffelsorten sind sehr lecker. Besonders die Eiserkuchen finde ich klasse, allerdings machen sie viel Arbeit. Und wenn man sie nach dem Abkühlen nicht sofort isst oder in eine Dose packt, werden sie im Laufe der nächsten Stunden weich und zäh. Wir suchen nicht nach einer Dose, wir essen sofort. Ich habe vorausschauend ein Eiserkuchen-Rezept, bei dem steht: „Reicht für 100 bis 120 Waffeln“ auf 8 Waffeln heruntergerechnet.


Der Montagnachmittag ist jetzt – ebenso wie der Donnerstagnachmittag – für meine Kreativzeit geblockt. Es sind nur zwei halbe Tage in der Woche, aber ich arbeite konzentriert und komme gut voran. Am Montag nähe ich nähe die Ärmel, bei denen der eine ganz schnell gemacht ist, der andere Ausprobieren, Handnäherei und fitzelige Kleinarbeit verlangt, weil ich da zum Spielen mit meinem eigenen Arm reinschlüpfen muss. Es klappt aber gut.

Die Hauptfigur ist jetzt fast fertig, beim nächsten Kreativnachmittag steht das Schnitzen des zweiten Figurenkopfes aus Schaumstoff an. Danach ist die grobe Dreckarbeit, bei der überall kleine Schaumstoffschnipsel durch die ganze Wohnung wandern, vorbei.


Ansonsten steht Kelleraufräumen auf dem Programm. Viele Kisten sind seit zehn oder zwanzig Jahren nicht mehr geöffnet worden, und einiges kann ich jetzt gut wegwerfen oder für einen Flohmarkt oder Kleinanzeigen vorbereiten. In einer der Kisten finde ich das kleine Teeservice, das ich seit etwa 30 Jahren vermisse. Gut weggepackt, würde ich sagen. Ich entdecke auch alte Melitta-Kannen wieder und sehr alte Gläser, die die Zeit unbeschädigt überlebt haben. Die hübschen Melitta-Kannen kommen vorerst als Deko auf die Fensterbank, die Gläser sind mir zu schade zum Benutzen, ich will sie aber auch nicht wieder in eine Kiste packen und wegstellen. Also packe ich eine Kiste als „Sachen, bei denen ich noch überlegen muss, was damit geschehen soll“.

Die Katze macht ein farblich schönes Bild in Kombination mit der neuen Tür und der Fußmatte. Entweder weiß sie das oder sie genießt einfach nur die Sonne.


„Ich habe eine Sechs-Tage-Woche“, geht es mir manchmal durch den Kopf, denn am Mittwoch bin ich immer bei meinem Vater, so dass ich den Tag bei meiner persönlichen Wochenplanung komplett streiche. Diesmal gucke ich die Post durch, stelle am Radio die durch Herumspielen an den Tasten verlorenen Sender wieder ein, fahre einkaufen, bringe leere Getränkekisten und viele Pfandflaschen weg und schleppe drei Getränkekisten in den Keller. Die am Vorabend vorbereitete Suppe schmeckt meinem Vater sehr gut. So langsam komme ich in Übung und weiß, worauf ich bei ihm achten muss. Am Nachmittag kommen mein Cousin und seine Frau zum Kaffee, was meinem Vater sehr gefällt und mir plauderndes Herumsitzen ermöglicht. Am Abend bin ich trotzdem müde und schaffe nur noch Tee vor dem Fernseher.


In den Donnerstag starte ich mit viel Schwung. Bis zum Mittag möchte ich sortieren und wegräumen, dann schnell Ofengemüse vorbereiten, zu Mittag essen, eine Stunde im Garten werkeln, um die Biotonne zu füllen, und danach – tadaa – in meinen Kreativnachmittag verschwinden, um die zweite Figur zu beginnen. Ich sortiere und räume viel, und gerade als ich das Gemüse vor mir liegen habe, um es zurechtzuschneiden, klingelt das Telefon. Mein Vater ist zusammengebrochen, war mehrere Minuten nicht ansprechbar und ist im Krankenwagen unterwegs zur Uniklinik. Sofort lasse ich alles liegen und fahre los. Im Notfallzentrum wird mir gesagt, dass er gerade noch untersucht wird und ich mich in den Wartebereich setzen soll, bis gleich jemand kommt und mich über das Ergebnis unterrichtet. Es ist viel los, einige Leute warten länger, viele nur relativ kurz. Ich sitze und warte.

Nach drei Stunden klingle ich erneut beim Empfang der Notaufnahme und sage, dass ich immer noch nicht weiß, was mit meinem Vater ist. Die Dame an der Empfangstheke wirft einen Blick auf den Computer und sagt: „Oh, der ist schon lange auf Station. Bei der Übergabe wurde mir nicht gesagt, dass jemand draußen wartet.“ Na, super.

Ich gehe zur Station und frage mich zu meinem Vater durch. Er liegt im Bett, sieht nicht sehr fit aus und seine Sprache ist verwaschen. Arme und Beine kann er bewegen. Er ist ansprechbar und kann auf Fragen meist antworten, wenn auch mühsam. Das ist ja schon mal was. Die Ärztin, die eine Stunde später endlich da ist, bestätigt den Verdacht auf Schlaganfall. Als er später müde einschläft, fahre ich nach Hause. Es ist nach 19 Uhr, als ich ankomme. Das war’s mit meinem Kreativnachmittag.

Abgesehen davon, dass mir mein Vater leid tut, weil jetzt das eingetreten ist, was er nie haben wollte, weiß ich nicht, wie es in der nächsten Zeit für mich und meine Zeit aussehen wird. Es lief doch gerade gut an, dass ich mir seit seinem Schlaganfall vor einem Jahr wieder eigene Zeit einplanen und nehmen konnte. Jetzt ist alles erneut abgebremst, durcheinandergeworfen und schon wieder muss ich mich nach den Gegebenheiten richten. Ach, als wäre es nicht schon knapp genug, bis Weihnachten ein kleines Puppenstück fertig haben zu wollen und parallel dazu den Keller aufzuräumen, um das kleine Tonstudio wieder zu aktivieren. Jetzt stehen auch noch organisatorische Sachen und Besuche im Krankenhaus an. Die Fahrt bis zur Uniklinik braucht 45 Minuten – wenn es keinen Stau gibt. Aber ich will nicht einfach aufgeben. Ich werde versuchen, meine Kreativstunden zu behalten. Wenn es nicht anders geht, dann eben nachts.


Am nächsten Nachmittag bin ich zusammen mit meiner Schwester im Krankenhaus. Meinem Vater geht es zwar nicht besser, aber auch nicht schlechter, was unter den Umständen ein gutes Zeichen ist. Dass er erschöpft und müde ist, ist nicht ungewöhnlich, zumal er beruhigende Medikamente bekommt. Überfordert und etwas verwirrt ist er immer noch, die Aussprache nicht besser. Sichere Prognosen können im momentanen Zustand nicht gemacht werden. Es ist alles drin von „er wird so fit, dass er nach Hause kann“ bis zu „das geht nicht mehr“. In einigen Tagen wird sich wohl sagen lassen, wohin die Entwicklung tendiert.


Meine Schwester übernimmt den Samstagsbesuch bei meinem Vater, darum kann ich, wie ursprünglich geplant, mit dem Gatten nach Frankfurt fahren. Dort spielt der Sohn in der englischsprachigen FEST-Theatergruppe im neuen Stück mit. Ich mag die internationale Atmosphäre der FEST-Gruppe, ich mag, wie engagiert und gut sie Theater spielen, wie offen und herzlich sie sind und wie egal es ist, welche Hautfarbe oder Nationalität man hat.

Diesmal werden bei „Almost, Maine“ kurze Episoden von Liebesbeziehungen gezeigt, die alle an einem Abend im Ort Almost, im Staat Maine stattfinden. Es ist lustig, manchmal unerwartet schräg, dreht sich plötzlich ins berührend Emotionale, wird wieder lustig – sehr abwechslungsreich und sehr gut gemacht.

Schade ist, dass das kleine Kulturhaus am Abend nicht ausverkauft ist. FEST spielt mehrere Stücke im Jahr, zeigt jedes aber nur bei sechs Vorstellungen an zwei Wochenenden. Bis sich herumgesprochen hat, wie gut es ist, ist schon alles vorbei. Aber auch wenn es nicht komplett ausverkauft ist, haben die internationalen Leute auf der Bühne und die internationalen Leute im Publikum viel Freude. Auch ich, auch wenn ich zwischendurch an meinen Vater denke und für ihn hoffe, dass er sich wieder berappelt und nochmal nach Hause kann. Im Januar hat er seinen neunzigsten Geburtstag, und die Einladungkarten liegen schon auf dem Tisch. Wäre schon schön, wenn er das ausreichend fit erleben und genießen könnte.