Blog 902 – 10.08.2025 – Sushi, Spielhände, perfekter Reifegrad und junges Reh
Am Sonntag mache ich mit dem Gatten schon wieder einen Ausflug nach Frankfurt. Vor zwei Wochen waren wir dort, um mit dem Sohn zusammen feste Fliegengitter an seinen Fenstern auf- und einzubauen, aber die passten wegen einer unerwarteten Innenlippe in den Fensterrahmen nicht. Inzwischen haben wir eine andere Art von Fliegenfenstern bestellt, bauen sie vor Ort zusammen, setzen sie ein und diesmal passt alles.

Danach wollen wir in einem arabischen Restaurant essen, aber das erweist sich als Imbiss mit Sitzgelegenheiten an der befahrenen Straße. Nee, das gefällt uns nicht. Gleich um die Ecke gibt es das „Bowlwerk“, ein kleines Restaurant, das ich im Vorbeigehen immer für einen reinen Sushi-Imbiss gehalten habe. Das Internet zeigt aber schöne Essensbilder und jubelnde Bewertungen. Also wird es das. Was für eine gute Entscheidung! Wir werden freundlichst begrüßt, die Speisekarte ist sushilastig, bietet aber auch Bowls und Suppen. Ich möchte heute kein Sushi essen, aber auf den Fotos sehen gerade die Spezial-Sushi so lecker aus, dass ich dann weder eine Bowl noch eine Udon-Suppe wähle. Schon die Vorspeisen Misosuppe und Sommerrollen sind sehr lecker. Die Sushi sind frisch gemacht, sehen großartig aus und schmecken sehr gut. Was für ein sympathischer, kleiner Laden. Da gehen wir sicher nochmal hin.

Als ich am Abend wieder zuhause bin, bekomme ich die Anfrage, ob ich in der nächsten Woche für zwei Tage als Handspielerin einspringen kann. Bei einer Figur, bei der ich mich total freuen würde, mal die rechte Hand spielen zu dürfen. Aber leider sind das die beiden Tage unmittelbar vor meiner Abreise zu dem einwöchigen Projekt, bei dem ich ebenfalls Handspielerin bin. Es sind genau die Tage, an denen ich zwei Arzttermine habe – einen unwichtigen Kontrolltermin für mich und einen wichtigen für meinen Vater – letzte Sachen wegen der Betreuung meines Vaters organisieren und auch noch meine Reisetasche packen muss. Das wird leider zu knapp. Wie schade!
Doch dann stellt sich heraus, dass nicht in Hamburg, wie ich dachte, sondern in Dortmund gedreht wird, was für mich viel schneller zu erreichen ist, und dass ich darum am Abend des zweiten Tages auf jeden Fall zuhause sein werde und am nächsten Morgen – wie geplant – zu meinem nächsten Projekt starten kann. Ich muss nur ein wenig umorganisieren, zwei Tage früher meine Reisetasche fertig gepackt haben und die beiden Arzttermine verschieben – schon geht’s. Hurra! Das wird schön. Ich freue mich sehr!
Am nächsten Tag möchte der Gatte nur mal kurz gucken, ob es Probleme beim Ausbau eines kleinen Holzfensters geben könnte. Das neue Fenster, das an die Stelle soll, ist zwei Tage vorher geliefert worden. Versuchsweise hämmern wir ein bisschen herum, holen einen Meißel und einen Trennschleifer dazu, hämmern, ruckeln – und nach einer Stunde ist das Fenster samt Rahmen draußen. Ups, das hatten wir doch erst für Ende der Woche geplant! Manchmal überraschen wir uns selber mit Spontanaktionen.

Weil wir noch gar nicht das Material für den Einbau des neuen Fensters haben, lehnen wir das lose Fenster wieder in die Lücke und schützen es vor dem Umkippen mit zwei dicken Pflastersteinen. Wenn man nicht genau hinguckt, sieht es aus, als wäre nichts geschehen.
Am nächsten Tag fährt der Gatte in der Mittagspause schnell zum Baumarkt, so dass wir am späten Nachmittag mit dem Einbau beginnen können. Beginnen könnten, denn blöderweise fällt uns dann auf, dass unsere Schlagbohrmaschine noch bei meinem Vater ist, wo wir in der letzten Woche Löcher in die Wände für das Verlegen des Stromkabels bohren mussten. Es war geplant, dass ich am morgigen Papa-Mittwoch dort noch zwei kleine Löcher bohre, dann das Werkzeug einsammle und wieder mit nach Hause nehme. Dass wir jetzt schon mit unserem Fenster beginnen und dafür Löcher bohren müssen, war nicht vorgesehen. Aber hatten wir nicht noch …? Nach einigem Suchen finden wir in unserem Werkzeugschuppen die alte Bohrmaschine, die Probleme beim Einspannen des Bohrers hat, aber problemlos funktioniert, wenn der Bohrer dann mal endlich mit Gefluche reingebröselt ist. Manchmal ist es ganz gut, nicht alles sofort wegzuwerfen. Das Fenstereinbauen geht dann recht schnell. Die Übergänge und Ränder verputze ich aber erst später mal. Ich muss nicht übertreiben.

Im Garten wächst seit Jahren eine dornenlose Zucht-Brombeere, die in diesem Jahr richtig viele Früchte trägt. Jeden Tag esse ich zwanzig bis dreißig Brombeeren frisch vom Zweig. Das Besondere bei meinen Brombeeren ist der punktgenaue Reifegrad. Wenn die Früchte schwarz sind, bleiben sie noch einige Tage hart und ziemlich sauer, werden dann plötzlich weich und haben ihren perfekten Reife- und Süßegrad gefühlt zwei Stunden lang, ehe sie matschig werden. Dementsprechend sind von zehn gepflückten Brombeeren acht ziemlich sauer, eine überreif-matschig und eine sehr lecker.

Wenn ich hochrechne und bis jetzt zehn Tage mal dreißig Brombeeren nehme, komme ich bei 300 Früchten auf 10 leckere, 10 überreif-matschige und 280 ziemlich saure. Immer in der Hoffnung auf eine süße Ideal-Beere esse ich mich natürlich weiter durch.
Es ist gerade einiges zu tun, zu planen und zu organisieren. Interessanterweise macht mich das nicht müde, sondern immer wacher. Das hängt vermutlich auch damit zusammen, dass ich nach dem Schlaganfall meines Vaters, der vor genau einem Jahr war und dessen Folgen seitdem viel meiner Zeit und Energie fressen, immer öfter in mein „normales“ Leben springen kann. Das tut mir gut. Vielleicht sind es auch die vielen sauren Brombeeren, die alles lustig machen.
Am Ende der Woche erfahre ich, dass ich beim zweitägigen Dreh nur an einem Tag die Hand bei „einer Figur, bei der ich mich total freuen würde, mal die rechte Hand spielen zu dürfen“ spiele. Am zweiten Tag werde ich die Hand einer anderen Figur spielen, bei der ich mich ebenfalls total freuen würde, mal die rechte Hand spielen zu dürfen. Win-win würde ich sagen – und beide Male für mich. Und während ich mich noch vorfreue, ermahne ich mich, immer im Hinterkopf zu haben, dass auch alles noch abgesagt oder komplett geändert werden könnte. Aber dann würde ich wahrscheinlich immer noch am Samstag zum einwöchigen Dreh starten, auf den ich mich ebenfalls sehr freue.
Am Samstagmittag lege ich mich eine halbe Stunde in die Laube und schlafe fest ein. Als ich aufwache, ist mein erster Blick immer noch so, wie er seit einigen Wochen ist. Und wie jedes Mal denke ich: „Das ist wie Urlaub!“

Aber wie war das mit dem Esel, dem es zu wohl wird? Als ich kurz danach erneut zur Laube hochgehe, bin ich so gut gelaunt und übermütig, dass ich den Weg als Fitness-Übung durchziehen will: Den Hügel mit allen Treppenstufen im schnellen Dauerlauf hoch. Das klappt gut, ich komme hechelnd vor der Laube an und will aufhören, da denke ich: „Ach, die letzte Stufe in die Laube rein schaffst du auch noch! Immer eine Stufe mehr machen, als man will!“ Wotsch – bleibe ich beim Überspringen mit dem Schuh knapp hängen und lande mit vollem Schwung auf Knien und Händen. Aua, aua, aua! Wie blöd kann man sein! Die Knie tun sofort ziemlich weh. Die Schürfwunden sind hellrosa und nicht der Rede wert, aber innen an den Kniescheiben tut es weh.
Ab da kann ich den Rest des Tages kurze Wege nur mühsam und mit steifen Beinen humpeln und ziehe mich mit schmerzverzerrtem Gesicht langsam am Geländer hoch, wenn ich Treppenstufen schaffen muss. Ich wirke so fit wie eine krummgebeugte Neunzigjährige, die sich generell kaum noch bewegen kann. Na, toll. Und in der nächsten Woche möchte ich beweglich wie ein junges Reh sein. Okay, wie ein mittelaltes Reh. Aber beweglich. Zum Glück sieht alles nach nach einer Prellung aus – also zwei Prellungen, in jedem Knie eine -, die in den nächsten Tagen abheilen sollten. Beugen und strecken kann ich alles, im Liegen und Sitzen merke ich gar nichts, nur belastet werden wollen die Knie gerade nicht.
Zum Trost esse ich die ersten reifen und süßen Trauben aus dem Garten. Ruhig sitzen und Trauben futtern, das geht. Immerhin.

Am Sonntagmorgen humple ich noch mühsamer als am Vorabend und komme kaum die Treppe herunter. Aua, aua, aua. Aber ich bin optimistisch. Heute mal wenig Anforderungen an die Knie stellen und viel auf dem Sofa liegen, dann wird das schon wieder mit dem Reh. Ich denke mal nicht daran, dass ich am Dienstag meinen Vater im Rollstuhl eine recht weite Strecke zum Arzt schieben muss.