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Blog 838 – 19.05.2024 – Walton-Oma, Fledermäuse und Entspannung

Am Sonntag ist die zweite Vorstellung von „Tod auf dem Nil“. Vorher schaffe ich es zuhause ganz alleine meine Haare seitlich in Strähnen zu drehen, Zöpfe zu flechten und hinten alles zusammenzustecken. Am Hinterkopf! Ohne dritte Hand! Ich bin selber erstaunt. Die Ponyhaare drehe ich auf Wickler, mit denen ich auch zum Theater fahre und die ich bis kurz vor der Vorstellung drin lasse. Die Rolle erfordert es und da bin ich schmerzfrei. Wenn die Wickler rauskommen, verharren die mit leichtem Zuckerwasser gestärkten Ponyhaare in einer hohen Stirnrollenposition. Das Frisurenergebnis betoniere ich mit Haarspray, so dass alles – vermutlich auch bei einem plötzlichen Orkan – in Form bleibt. Wenn ich mich im Spiegel sehe, denke ich an die Oma bei den Waltons. Gute Nacht, John-Boy.

Die Sonntagsvorstellung läuft gut, das Publikum ist zwar aufmerksam, aber deutlich ruhiger als bei der Premiere. Sehr ruhig. Nicht mal am Ende eines Aktes wird geklatscht. Aber so ist das manchmal, wenn nicht von Beginn an jemand mit dem Klatschen loslegt – es traut sich danach keiner mehr, zuerst anzufangen und dann vielleicht seltsam angeblickt zu werden. Zwei Tage später gibt es eine schöne Kritik im Kölner Stadt-Anzeiger, bei der ich auf dem Foto mit der Oma-Walton-Frisur zu sehen bin. Mein Vater erkennt mich zunächst nicht und kommentiert dann eher unbegeistert: „Oh, da haben sie dich aber ganz schön bearbeitet!“

Nach der Vorstellung räumen wir auf und spülen die Gläser, dann habe ich frei, frei, frei! Zwei Wochen lang weder Probe noch Aufführung. Nach den vielen Theaterterminen der letzten Wochen kann ich das brauchen und es fühlt sich wie Ferien an.


Richtige Ferien sind es nicht, denn in den letzten beiden Wochen ist vieles liegengeblieben. Da muss ich mal wieder räumen und putzen. Für mich geht es aber zuerst ab in den Garten. Er ist so grün zugewachsen wie noch nie in einem Mai und auch da gibt es einiges zu tun. Da macht es aber Spaß. Ich bekomme die große Biotonne sofort voll, und als sie – zufällig schon am nächsten Tage – geleert wird, stopfe ich sie sofort wieder voll. Der Garten sieht immer noch zugewachsen aus.

Manchmal liebäugle ich mit dem Gedanken, einen ganzen Sommer weitgehend im Garten zu verbringen. Gärtnernd, zeichnend, schreibend, schlafend. Vielleicht hätte ich nach vier Wochen aber schon genug davon. Vielleicht aber auch nicht.

In der abendlichen Dämmerung sausen kleine Fledermäuse über mir herum, die für ein Foto deutlich zu schnell sind. Vermutlich fressen sie gerade gut gelaunt die Insekten, die ich mit meinem naturnahen Garten mühsam anlocke.

Na, wenn die Insekten oben von den Fledermäusen weggefressen werden, muss ich unten eben noch mehr von ihnen ansiedeln. Auch die Spatzen, die unter dem Dach nisten, werden sich über Futter freuen. Die Meisen im Garten sowieso. Bei denen ist die erste Brut schon ausgeflogen, wahrscheinlich ist der Kasten bald mit der nächsten besetzt.


Ich räume in der Woche locker vor mich hin, hole neue Bücher aus der Bücherei, schneide Buchsbaum, kaufe ein, weil ich am Wochenende backen möchte, und fühle mich jetzt wieder sehr entspannt. Vor einiger Zeit kündigten sich verschiedene Termine und Projekte für den Mai und den Juni an, die ich kaum gleichzeitig hätte machen können. Wie sollte ich zwischen den engen Probeterminen, dem Probenwochenende, den Auftrittsterminen bis Mitte Juni und einer schon lange feststehenden Lesung auch noch einige Tage am Stück wegfahren können, um an einer Puppe zu bauen oder zu Dreharbeiten zu fahren? Die Projekte, deren Termine noch nicht klar waren, bei denen ich aber eingeplant war, und meine sehr eingeschränkte Zeit, die nur kleine Lücken ließ, machten mir innerlich Stress.

Jetzt hat sich die Lage wundersamerweise entspannt, die wöchentlichen Probetermine sind schon weg und alles andere scheint zeitlich gut aufzugehen. Na gut, am nächsten Wochenende muss ich meine Teilnahme am örtlichen Schulfest, wo ich Patin im Projekt „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ bin, auf eine Stunde begrenzen, und meine Karte für Rainald Grebe im Bonner Opernhaus habe ich mit einem Seufzer verschenkt, weil ich da gerade am Nil sein werde, aber die Teilnahme an einem Puppen-Näh-Kurs Anfang Juli in Bochum, auf den ich mich sehr freue, ist wohl nicht mehr in Gefahr, was ich eine Weile lang befürchten musste. Insgesamt also: Alles wieder locker und sehr entspannt.