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Blog 866 – 01.12.2024 – Funken im Thymian, Efeubäume und Kartoffeln

Am Sonntagmittag komme ich nach drei Tagen Frankfurt wieder zuhause an. Ich freue mich, dass gerade nichts Dringendes ansteht, rufe meinen Vater an und kann sofort die To-do-Liste verlängern. Er ist hingefallen und hat große Wunden an den Händen, die wegen der hohen Dosis Blutverdünner lange nachbluten. Die polnische Hilfskraft hat alles im Griff, braucht aber für die neue Woche weitere Wundpflaster. Mein Vater möchte zu seinem Hörgeräteladen, weil etwas mit seinem Hörgerät nicht in Ordnung ist, und er muss in diesem Jahr noch zur Zahnärztin wegen der jährlichen Kontrolle. „Und Frisura!!“, ruft die polnische Pflegekraft aus dem Hintergrund. Ich notiere: „Pflaster kaufen, Hörgeräteladen, Zahnarzttermin, Friseurtermin“. Och, nee!

Am Montag erledigt sich das Pflaster, weil meine Schwester sich erstmal darum kümmert, außerdem stellt sich heraus, dass sich am Hörgerät nur etwas gelöst hat, wofür mein Vater nicht mitfahren muss. Der Zahnarzttermin ist auch nicht nötig, erfahre ich bei einem Anruf, denn eine Kontrolle hatte er im Sommer noch gehabt. Den Friseurtermin kann ich für einen Mittwoch ausmachen, wenn ich sowieso bei ihm bin. Puh, ich fühle mich erleichtert. Aber diese To-do-Listen, die sich immer wieder füllen, geben mir das unschöne Gefühl, nie alles erledigt zu haben.


Im Garten wuchert der Thymian halb auf den Weg und ich greife zur Gartenschere, um ihn zurückzuschneiden. Weil er so dicht verfilzt gewachsen ist, muss ich beim Schneiden kräftig zudrücken. Plötzlich schlagen Funken aus dem Thymian. In der ersten halben Schrecksekunde kommt mir das seltsam, aber durchaus interessant vor, in der zweiten Sekundenhälfte weiß ich, dass ich gerade die dort liegende Stromleitung durchgeschnitten habe. Ups. So etwas ist mir noch nie passiert. Und dabei weiß ich doch, dass dort eine Leitung liegt, hatte sie aber etwas weiter links vermutet. Was für ein Glück, dass die Gartenschere Kunststoffgriffe hat und außer Funken und rausgesprungener Sicherung nichts passiert ist! Ich ziehe den Kabelstecker aus der Steckdose und habe keine Lust, weiter am Oregano zu schneiden. Dabei wäre das jetzt ja harmlos.

Mein Blick fällt auf die große Efeubewachsung, die inzwischen wie zwei Bäume an meinem Wäschetrockenplatz hochwächst. Sie gefällt mir gut und wird im Herbst von vielen Bienen umsummt, macht aber zunehmend unangenehme Arbeit.

Mindestens dreimal im Jahr muss ich inzwischen Mengen von wuchernden Ranken und Ästen rausschneiden, bei Trockenheit, bei starkem Regen und im Herbst fallen täglich Blätter ab und liegen auf den Wegen und Büschen herum und ich muss ständig den naheliegenden Abfluss im Blick behalten und ihn alle paar Tage von Blättern freiräumen.

Drei Jahre lang überlege ich schon, ob der Schatten der Efeubäume, der malerische Anblick und die Bienenfreundlichkeit meine Arbeit ausgleichen. Jetzt entscheide ich: Nein. Außerdem will ich neben den Efeustämmen einen neuen Weg pflastern und der wird nicht halten, wenn die dicken Wurzeln sich weiterhin ausbreiten.

Aber soll ich wirklich heute, nachdem ich schon eine Stromleitung durchgeschnitten habe, mit einer Motorsäge arbeiten? Ist vielleicht nicht mein Tag für Elektrogeräte. Ich zögere tatsächlich kurz, aber wenn ich es nicht sofort mache, kommt wieder schlechtes Wetter, dann Winter, dann ist Frühling und dann sieht alles so hübsch aus und der Efeu wächst weiter. Eine Stunde später sind die Stämme des Efeus durchtrennt und die Zwischenstücke entfernt. Es gibt kein Zurück. Alles, was jetzt noch grün ist, wird in den nächsten Wochen abfallen. Und den Abfluss verstopfen. Und Arbeit machen. Aber dann zum letzten Mal.

Es ist ja schon schade, dass die hübschen Efeubäume jetzt eintrocknen werden, aber ich merke, wie erleichtert ich über die Entscheidung bin. In wenigen Jahren wären sie so groß geworden, dass auch ein Entfernen schwierig geworden wäre. Schon jetzt besteht die Gefahr, dass dicke Äste beim Absägen auf das Dach des Anbaus fallen und die Dachpfannen durchschlagen. Darum entferne ich vorerst sehr vorsichtig nur die Äste, an die ich mit einer Astschere komme und die nicht in Dachrichtung fallen.

Danach holze ich mich noch durch den Schmetterlingsflieder und zwei sehr hohe Haselnussbüsche. Die Astschere knirscht, die hohen Stämme kippen um – und es sieht aus, als wäre ein Wirbelsturm durch den Garten gerast. Ich bin zufrieden.


Bei meinem Vater läuft gerade alles gut mit der polnischen Pflegekraft, die beiden haben sich eingegroovt und ich muss mich um ihren Alltag nicht mehr kümmern – da steht der Pflegekraftwechsel an. Am Samstag kommt morgens die „Neue“ und abends wird die bisherige abgeholt. Ich fahre am Vormittag mit einem vorbereiteten Mittagessen hin. Ach, alles lief so gut und jetzt fange ich wieder mit dem Erklären und Zeigen an. Auch mein Vater muss sich umgewöhnen. Eine seiner großen Sorgen ist, dass die neue Kraft nicht so gut kochen kann. Sie scheint gerne Nudel- und Reisgerichte zu machen, während mein Vater am liebsten täglich Kartoffeln isst. Na, es wird sich schon einruckeln. Erst am Abend fahre ich wieder nach Hause. Die wöchentlich 12 Stunden, die ich als meine Betreuungszeit der Krankenkasse angegeben habe, sind inzwischen ein Witz.


Zwischen all den Sachen sitze ich immer mal wieder an meiner reihedrei-Berichte-Homepage und ergänze. Vier Berichte, die vorher nicht veröffentlicht waren, kann ich noch reinsetzen. Bis dahin dachte ich, dass ich wegen Corona im Jahr 2021 auf keiner Veranstaltung war und fand das auch völlig logisch. Aber nein, es gab – neben Onlinekonzerten – mindestens zwei öffentliche Veranstaltungen, die ich besucht und in Notizen festgehalten habe. Mal sehen, was ich vielleicht noch finde. Das wird ein schönes Archiv, über das ich mich vermutlich am allermeisten freue.