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Blog 834 – 21.04.2023 – Mechanik im Kopf und Klappmaulhund

Seit letztem Freitag besuche ich im Bochumer Figurentheater-Kolleg den Kurs „Intensivkurs Puppenbau für Fortgeschrittene“. Am Wochenende ist das Wetter noch frühlingshaft, dann schlägt es um in kaltnassen Winter. Wir sitzen in der Werkstatt, gucken durch die Fenster auf den zwischendurch prasselnden Regen, finden es manchmal ein wenig kühl und werkeln intensiv vor uns hin.

Mein Ziel ist weiterhin ein Klappmaulhund, der bewegliche Augenbrauen und bewegliche Ohren hat. Dafür braucht er ein verdrahtetes Innenleben. Ähm, wie mache ich das am besten? Wo und wie muss ich ziehen, um am anderen Ende zwei Sachen zu bewegen? Weil mir technische und logische „hier ziehen – da wackeln“- Überlegungen völlig fern sind, muss ich mit simplen Konstruktionszeichnungen meinen Hirnzellen auf die Sprünge helfen.

Außerdem muss alles im Kopf, an dem es Zugkräfte gibt, verstärkt werden, damit ich nicht mit dem Ziehen des Drahtes den Kopf eindelle. Dass meine Finger auch noch Platz finden müssen, macht es nicht einfacher. Bodo Schulte, der Dozent, lässt mich auf eigenen Wunsch grübeln, probieren und das System begreifen und gibt zwischendurch Tipps, auf was ich achten muss oder welches Material ich verwenden sollte. „Lass den Faden weg, der hält nicht. Da brauchst du Metall!“ Ich will auf keinen Fall eine fertige Bauanleitung bekommen, aber seine Unterstützung hilft sehr. Während um mich herum schon Puppen entstehen und mit Stoff überzogen werden, schraube ich Lüsterklemmen auseinander, spanne Draht und wechsle die ersten Versuchs-Dreh- und Zug-Elemente gegen bessere aus. Ich improvisiere mit Material, das vor Ort ist und das ich im Lager des Kollegs finde und erschaffe ein mechanisches Monster, das seinen eigenen Reiz hat. Nur von „Klappmaulpuppe Hund“ ist es noch weit entfernt.

Ich wusste schon vorher, dass mir eine Mechanik zu frickelig ist und das bestätigt sich. Es ist nicht mein Ding. Dass oft nicht mal mehr meine Finger Platz haben, um ein weiteres Drähtchen zu befestigen oder die Schraube anzuziehen, ist schon nervig. Ich bin wohl eher die Grob- als die Feinmechanikerin. Aber ich bleibe mit Energie dran. Erstaunlicherweise macht es aber sogar etwas Spaß, darüber zu grübeln und dann tatsächlich Lösungen zu finden. Ich bin froh, dass ich mir diese Aufgabe gewählt habe.


„Ich habe meinen Schlafwagen dabei“, sage ich gerne, denn auf dem Hof des Kollegs steht mein Auto, das mit Matratze und Gardinen gemütlich ausgestattet ist. Inzwischen ist es kühl geworden, die Temperatur an den Abenden beträgt nur vier bis fünf Grad. Auch im Auto. Zum Glück habe ich zwei zusätzliche Fleecedecken mitgenommen, die mir beim Packen noch zu viel vorkamen, jetzt aber genau richtig sind. Hach, ich mag es sehr, wenn ich im Auto schlafen kann, auch wenn es kalt ist und ich einen Berg von Decken über mir habe, unter dem ich kaum die Beine bewegen kann. Nur das spätabendliche Lesen im Bett fällt sehr kurz aus, weil meine Hände, die dabei nicht unter der Decke sein können, eiskalt werden. Warm eingepackt schlafe ich sehr gut, bis mich an jedem Morgen die nahen Kirchenglocken wachdengeln. Frühstück in der Bäckerei mit Monika aus der Schweiz, dann gehen wir mit Schwung und motiviert in die Werkstatt.


Nach sechs Tagen kann ich im Gerippekopf mit dem Mittelfinger an einem Ring ziehen, woraufhin ein Drahtbügel über den Augen hochklappt und zwei seitliche Metallstreben – mit der Hand gesägt aus Klavierband aus Messing – nach oben gehen. Hurra! Ob ich in den letzten drei Tagen noch einen Hund daraus machen kann?

Das Beziehen mit Schaumstoff und Fell ist schwierig, denn der Draht muss überall Freiraum haben und da, wo etwas hochklappen soll, darf es kein Hindernis für die Bewegung geben. Es sollen aber auch keine Lücken bleiben, durch die man in das Innere des Kopfes blicken kann. Puh! An was ich alles denken muss! Aber nach und nach bekommt das Gerippe Stoff und Fell, Hände und Arme, Nase und Zunge, Augenbrauen und Schlappohren.

Erst am letzten der neun Tage nähe ich die Teile zusammen und habe auf einmal tatsächlich einen Hund.

Am Samstagabend komme ich zufrieden nach Hause und freue mich, dass ich den Kampf gegen die Mechanik durchgezogen habe und trotz der tagelangen Tüftelei nicht aufgegeben habe. Ich glaube, dass ich weiterhin nicht dringend Mechaniken in meine Puppen einbauen möchte, aber dass ich es könnte, ist ein sehr gutes Gefühl.

Neun Tage Intensivbau machen nicht nur viel Spaß, sondern auch intensiv müde. Die ganze Zeit über fühlte ich mich fit und gut gelaunt, auf dem Nachhauseweg beginne ich zu gähnen. Neun Tage tägliche Konzentration und spätes Schlafen kosten Energie. Aber es war ein sehr schöner Kurs mit netten Leuten aus Deutschland, der Schweiz und Österreich, Gelächter und gemeinsamer Unterstützung. Die frickelige Mechanik funktioniert. Noch. Wenn mal nicht mehr, werde ich in einer Kopf-OP ans Hundehirn gehen und alles wieder zurechtschrauben können.