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Blog 833 – 14.04.2024 – Wespe, Hund, Rainald und Augenmechanik

Die Woche hat eine lange To-Do-Liste. Nicht nur, dass im Garten frühlingsgemäß in allen Ecken etwas zu tun ist, zwei abendliche Nil-Proben anstehen und ich einen halben Tag bei meinem Vater verbringe – ich muss auch bis Donnerstagnachmittag reisefertig sein. Das heißt Wäsche waschen, Zeug für neun Tage packen, alle Dinge erledigen, die vorher noch erledigt sein müssen, Fleece- und Plüschstoffe aussuchen, Bau- und Nähzeug zusammenstellen und das Auto zum Schlafwagen umbauen. Blöderweise fällt meinen Hirnzellen immer noch was ein. „Draht einpacken!“ rufen sie, während ich nach T-Shirts gucke, oder „Laptop mitnehmen!“, während ich in den Plüschstoffkisten krame. Ich werde trotzdem wichtige Dinge vergessen, vermute ich.


Als ich mich in der Nacht schlafend im Bett umdrehe, spüre ich am Unterarm einen kleinen, aber heftigen Schmerz. Aua! Ich mache Licht, schlage die Bettdecke auf und eine Wespe fliegt torkelnd von der Matratze hoch und summt aggressiv brummend gegen die helle Lampe. Eine Wespe lag mit mir im Bett und hat mich gestochen! Wie ekelig ist das denn? Ich eile in die Küche, um das Spinnenfangglas zu holen, doch als ich zurück bin, ist von der Wespe weder etwas zu sehen noch zu hören. Oh, nein! Vor dem Fenster ist ein Fliegengitter. Keine Ahnung, wie die Wespe überhaupt ins Zimmer gekommen ist, aber so einfach raus kommt sie nicht. Zwei Stunden lang bleibe ich lesend wach, immer in Erwartung, dass es über, neben mir oder unter der Bettdecke brummen könnte. Endlich bin ich so müde, dass ich einschlafen kann, schrecke aber sogar hoch, wenn ich die Bettdecke unerwartet am Arm spüre.

Am Morgen suche ich im Hellen nach der Wespe, da sehe ich sie plötzlich langsam an der Wand hochklettern. Zack! Fangglas drüber! Es ist eine wirklich unangenehm große Wespe. Ich lasse sie draußen fliegen. Zur Erinnerung an die gemeinsame Nacht behalte ich eine große, warme, leicht geschwollene Stelle auf dem Arm.


Die Nil-Proben machen Spaß, es läuft immer besser und die Szenen laufen schneller durch. Noch gibt es einige Dialoge und Timings, an denen noch geprobt werden muss, aber Sicherheit und Lockerheit ziehen ein, was sehr schön ist und das Proben vergnüglich macht.


Am Donnerstag habe ich immer noch recht viel zu erledigen. Ich flitze morgens zum Einkaufen, und auf dem Rückweg sehe ich, dass ein kleiner Hund ganz alleine über die Hauptstraße läuft. Ich halte sofort an und bin froh, dass er sich problemlos und beißfrei auf den Arm nehmen lässt. Kurzentschlossen fahre ich mit ihm einige Häuser weiter zur Tierarztpraxis, bei der meine Katze in der Patientenkartei ist. Vielleicht kennen sie den Hund dort. Die Praxis ist so früh am Morgen aber noch geschlossen, darum kommt der Hund erstmal mit nach Hause, wo er sehr hungrig zwei Portionen Katzenfutter frisst. Er sieht schon älter und etwas mitgenommen aus und trägt kein Halsband. Na, toll! Vielleicht wurde er ausgesetzt. Normalerweise würde ich mich sorgsam um ihn kümmern, aber gerade heute will ich am späten Nachmittag mit dem fertig bepackten Schlafwagen wegfahren.

Etwas später packe ich den Hund erneut ins Auto und fahre nochmal zur Tierarztpraxis. Die Arzthelferin versucht den Chip auszulesen, es piept aber nichts. „Es wäre ja auch zu einfach gewesen“, seufzt sie. Zu meiner Freude kann ich den Hund in der Praxis lassen, werde nur gebeten, die Feuerwehr und das Ordnungsamt zu benachrichtigen. Später erfahre ich, dass der Hund ins Tierheim kommt und werde gefragt, ob ich ihn gegebenenfalls behalten möchte. Äh, das kann ich so jetzt nicht beantworten. Erstmal hoffe ich sehr, dass er – oder sie? Ich habe nicht mal nachgesehen – irgendwo vermisst und jetzt wiedergefunden wird. Außerdem muss ich jetzt noch schneller packen und bin dann erstmal weg.


Pünktlich am späten Nachmittag geht es los. Erstmal zur Comedia in Köln, wo Rainald Grebe das „Foreveryoungkonzert“ zeigt. Für immer jung sein – er sieht passend zum Titel so frisch und erholt aus, als wäre er runderneuert. Seine Augen strahlen und er lacht viel. Das Programm ist noch sehr neu und manchmal hakt es kurz, aber – wenn ich es überhaupt merke – stört mich das gar nicht. Ich lache über erzählte Erlebnisse und folgen seinen Gedankengängen über die „Generation X“ und der fast empörten Frage, warum jetzt immer „mega“ gesagt wird, wo es doch „geil“ heißt oder „spitze“ oder „knorke“ oder „bombastisch“. „Das ist die Sprache von Luther. Und von meiner Mutter“, singt Rainald, und auf den Plätzen neben mir wird genickt und gelacht, denn da sitzt tatsächlich seine Mutter.

Auf einer Leinwand werden zwischendurch Fotos gezeigt und kommentiert, und es gibt Dialoge mit Franz Schumacher, der nicht nur die Technik macht, sondern ein wichtiger Part bei Programmen und der Tourbegleitung ist. Es kommt gut rüber, wie gut die beiden sich verstehen.

Rainald Krankheit ist natürlich ein wiederkehrendes Thema, was auch zu „for ever young“ und dem Wunsch nach einem langen, gesunden Leben passt. Am Ende singt er erst sehr berührend „Mein Kiez, die Charité“, danach, noch viel berührender „Mein letzter Tag“. Es ist ganz still in der Comedia als Rainald von seinen Vorstellungen eines letzten, schönen Tages vor dem Tod singt. Puh! Als Nachspann gibt es eine Diashow mit gemeinsamen Bildern von Rainald und Franz aus den letzten Jahren und auch das ist berührend und sehr schön.

Nach dem Konzert wird es noch etwas länger und erst um Mitternacht geht es weiter nach Bochum. Dort parke ich um kurz nach 1 Uhr am Figurentheater-Kolleg und schlafe sehr gut und fest in meinem Schlafwagen. Hach, ich freue mich immer, wenn ich im Auto schlafen kann. Um sieben Uhr läutet mich die Kirche aus dem Schlaf. Kleines Frühstück, Dozentenauto mit ausladen, dann beginnt das Bauseminar.

Den ersten Tag verbringe ich in der Werkstatt mit dem Tüfteln für eine Zieh- oder Drückmechanik, mit der ich Augenbrauen anheben kann. Idealerweise hebt die Mechanik gleichzeitig auch Ohren. In der Theorie ist das nicht mal schwierig, aber es muss alles in einen Klappmaulkopf passen und unter den begrenzten Platzverhältnissen auch noch mit einem einzigen Finger bewegt werden. Ich baue mir aus Hartschaum, Draht und Nadeln ein Mini-Probemodell, das zwar hakt, aber von der Grundidee her funktioniert. Oh, diese Figur muss ich tatsächlich mit den Augen beginnen, das ist ja total ungewohnt. Aber die Mechanik muss gebaut sein, ehe ich die Figur drumherum machen kann.

Am zweiten Tag werden um mich herum schon Köpfe geklebt und mit den ersten Stoffen bezogen, während ich immer noch Drähte biege, Stäbe absäge und an wackeligen Modellen zusammenbrechende Testreihen durchführe. Irgendwo hakt immer etwas und wie das alles in den Klappmaulpuppenkopf passen soll, wenn der nicht monstergroß wird, weiß ich immer noch nicht. Ein örtlicher Fotograf kommt herein und möchte Fotos für die Stadtteilzeitung machen. Bei mir bleibt er nicht stehen, um mein Gebilde zu fotografieren. Ich kann ihn gut verstehen. Allerdings wäre es auch nicht erstrebenswert so ein Foto abgebildet zu sehen, unter dem steht: „Anette Dewitz, langjährige Puppenbauerin, mit ihrer neuesten Klappmaulpuppe.“

So langsam stellt sich am Ende des Tages bei der Bewegungsfunktion eine Richtung heraus, die mir möglich erscheint. Es soll alles einfach und mechanisch sein, ohne viel zu verschrauben und besondere Gelenke einzubauen. Ich fixiere die Augen und baue ein klappbares Plattenmaul. Mal sehen, wie ich um Klappe und Augen ein Hundekopfmodell bauen kann, bei dem genügend Platz bleibt, Finger, Drähte und Fäden zu bewegen. Ansonsten bleibt Plan B: Einen Klappmaulhund bauen, der nur Hund ist und außer das Maul zu klappen nichts kann. Geht auch. Hätte ich das mal gleich so geplant, wäre ich schon halb fertig. Aber das wäre ja keine Herausforderung.