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Blog 791 – 25.06.2023 – Wolfsmilch und die Wollige Napfschildlaus

Weil ich seit Wochen total gerne im Garten bin, dort immer etwas zu tun habe und wenig Interesse habe, mich irgendwo anders hin zu begeben, fürchte ich, zu einem zurückgezogenen Menschen ohne soziale Kontakte zu werden. Ganz alleine mit einem Kaffee und einem Buch im Garten sitzen – oder den Weg hochlaufen und dort nach den Himbeeren sehen – oder an meinen Steinen hämmern – oder vor mich hin herumwerkeln und dabei die Vögel zwitschern hören … ich genieße es gerade sehr, dass ich Zeit und fast terminfreie „Sommerferien“ habe. Wenn ich jetzt noch einen Schwimmsee im Garten hätte, wäre das Glück perfekt. Aber mein Garten liegt ja am Hang, da hätte es ein See schwer.

Wäre ich nicht ein so kommunikativer Mensch, würde ich mir wegen meiner seit Wochen zufriedenen Zurückgezogenheit Sorgen machen. Der Schritt zur seltsamen Alten, die durch ihren Garten pusselt, an Steinen rumhaut und wenig Kontakt zur Außenwelt hat, ist nicht groß. Ehrlich gesagt, ist er nicht mal abschreckend. Aber vermutlich wäre mir das irgendwann zu wenig „Input“.

Der Garten bringt viel Natur mit sich. Am hohen Ilex, der im Topf steht und seltsamerweise trotz des vielen Gießens seit dem Kauf vor sich hinmickert, entdecke ich beim Vorbeigehen einige hübsche weiße Blüten. Ich sehe näher hin. Ähm … Oder sind es Raupen? Einzeller? Watteflocken? Häh, was ist das??

Die Internetrecherche ergibt: „Wollläuse“ oder „Sackschildlaus“ oder „Wollige Napfschildlaus“. Ganz sicher kann ich das nicht herausfinden, aber auf jeden Fall: „Schädling“. Wobei mir der Name „Wollige Napfschildlaus“ sehr gefällt und unerwartet sympathisch rüberkommt. Ein genauerer Blick auf die Pflanze zeigt, dass es nicht „einige“ sind, sondern die Gespinste überall unter den Blättern hängen und es mindestens 200 Stück sind. Uäh! Der Internettipp heißt: „Rapsöl“, und ich eile in den Keller, hole eine Flasche Rapsöl und streife mir Handschuhe über. Dann sammle ich die Gespinste ab und öle gleichzeitig meine Ilexpflanze ein, bis sie glänzt. Wer mich sieht, hält mich vermutlich für verrückt: „Sie reibt die Pflanze mit Sonnenöl ein? Wohl zu viel alleine im Garten gewesen!“

Parallel zu den Läusen entdecke ich an den Zweigen auch noch platte Schildläuse – oder gehören die dazu und sind die Mütter der Gespinste? Ich hoffe, sie vertragen ebenfalls kein Rapsöl. Kein Wunder, dass der arme Ilex immer wieder gelbe Blätter bekam und vermeintlich nicht im Topf heimisch wurde. Jetzt steht er ölglänzend im Hof und ich hoffe, dass er unter der heißen Sonne nicht zu brutzeln beginnt und braun frittiert wird.

Ebenfalls Natur, diese aber sehr angenehme, ist ein Großer Grüner Grashüpfer, auch Heupferd genannt, der im Holunder sitzt. Er ist etwa 7 cm lang, behält mich genau im Blick und klettert so, dass er möglichst unauffällig einen Stängel oder ein Blatt zwischen mich und ihn bringt. Wenn ich von links gucke, klettert er vorsichtig nach rechts, sobald ich rechts ankomme, geht er bedächtig nach links. Was für ein schlaues und hübsches Tier!

Beim Steineklopfen ziehe ich es durch. Ursprünglich wollte ich einen hochkant im Stein steckenden Fisch machen, aber weil während der Arbeit plötzlich die Schwanzflosse abbrach und nicht mehr viel Zeit war, wurde ein plumpes Ungetüm daraus, das „Bombe mit Zeitzünder“ genannt wurde. Jetzt wird mit viel Wegklopfen doch noch ein Fisch daraus, aber ein geschwungener. Warum ich einen Fisch klopfe, weiß ich nicht. Ich habe kein Aquarium, keinen Teich und angel nicht mal. Beim Hämmern denke ich an eine dicke Lachsforelle, das aber eher kulinarisch.

Den fertigen Stein wuchte ich an einen Platz im Garten und freue mich, dass der steinerne Fisch so geschmeidig aussieht. Dass ich die „Bombe“ noch bearbeitet habe und trotz des „Knack-Traumas“ auch wieder in eine dünnere Form gehauen habe, freut mich.

Eine weitere Variante von Natur gibt es, als ich im Vorgarten vertrocknete Staudenteile abschneide. Ich weiß, dass die Katzenminze bei mir rote Flecken in meinem Gesicht auslösen kann und passe darum auf, dass ich während des Arbeitens nicht mit den Händen übers Gesicht gehe. Das ist nicht ganz einfach, wenn es so warm ist und der Schweiß läuft. Zwei Stunden nach der Arbeit beginnt der Bereich um meine Nase herum zu brennen und wird rot. Etwas später wird das Gesicht rot, schwillt leicht an und brennt wie bei einem starken Sonnenbrand. Dann schwellen die Augenlider an.

Schon wieder recherchiere ich im Internet und lerne: Nicht die Katzenminze, vor der ich so aufgepasst habe, löst die Flecken aus, sondern die Walzen-Wolfsmilch, die giftig und ätzend ist und die ich zum ersten Mal radikal geschnitten und mit beiden Händen immer wieder angefasst habe. Vermutlich bin ich mir dann doch mal mit den Händen oder auch nur den Unterarmen übers Gesicht gestrichen, jedenfalls habe ich die beschriebenen Hautreaktionen, die wie ein starker Sonnenbrand oder leichte Verbrennungen ausfallen können. Tatsächlich entwickeln sich an der Nase sogar zwei kleine Bläschen. Zum Glück habe ich mir immerhin nicht puren Pflanzensaft über die Haut gewischt, denn das kann sogar massive Vergiftungserscheinungen ergeben.

Am Abend spannt und schmerzt das angeschwollene Gesicht, an den Händen und Armen habe ich rote, juckende Stellen und beim Blick in den Spiegel sieht mich eine deutlich ältere, starke Alkoholikerin mit dicken Tränensäcken und zugeschwollenen Augen an. Ich mache ein Foto von mir, werde es aber nicht posten, weil das irgendwann ohne Erklärung im Internet auftauchen könnte. *Google-Suche: Anette Dewitz. – Waaaas? Lesungen an Grundschulen??? Bei uns nur nüchtern!!* Es reicht ein Foto von meinem Unterarm, der anscheinend ebenfalls Kontakt mit dem Wolfsmilchgewächs hatte, immerhin aber nicht anschwillt.

Am nächsten Tag ist es schon deutlich besser, aber die Haut im Gesicht fühlt sich wie feines Schmirgelpapier an (ich schätze eine 400er-Körnung), braucht viel Creme, und der Bereich um die Augen ist noch deutlich geschwollen. Sogar drei Tage später ist es noch zu sehen, wird aber zunehmend besser. Trotzdem Glück gehabt, würde ich sagen. Aber in der Nähe der Wolfsmilch bin ich ab jetzt sehr vorsichtig und mit Handschuhen unterwegs.

Endlich ist Regen angesagt. Sogar Starkregen, was in unserem Gebiet, in dem vor zwei Jahren das Hochwasser war, merkbare Anspannung auslöst. Aber dann wird es doch nur ein netter Landregen, der die Wassertonnen nicht mal zu einem Drittel füllt. Na, immerhin besser als Hagel und Sturmböen.

Seit 2018 steht mein Stein-„Prinz“ im Vorgarten und ist – wie alle meine Wochenendkurs-Figuren – nicht fertig geworden. Aber jetzt habe ich ja meinen eigenen Hauklotz. Und gefühlte Sommerferien, in denen ich jeden Tag klopfen und stauben kann, so viel ich Lust habe.

Bisher war der „Prinz“ für Betrachter nur ein Prinz und damit völlig OK. Meine Idee war aber, dass er eine zu große Krone auf dem Kopf hat, die er mit einer Hand abstützen muss. Die Hand steckt noch im unbehauenen Stein, die Krone ist zu dick und sieht darum nicht aus, als würde sie locker auf dem Kopf sitzen. Also los!

Der Stein hat ziemlich viele sandige Einschlüsse und immer wieder bricht mehr Material weg, als ich möchte, aber so ist das mit Naturmaterialien. Die prinzliche Nase hat schon seit fünf Jahren ein Sandloch auf der Spitze, das ich nicht ausgleichen kann, wenn der Nasenrest nicht wie bei Michael Jackson aussehen soll. Mal sehen, wie viel ich von dem Grundstein noch abhaue, denn ich mag es schon, wenn der Prinz nicht ganz freigestellt ist, sondern aus dem Gestein wächst.

Während ich mich in meiner kleinen Welt aufhalte, gucke ich auch aufmerksam nach Russland. Prigoschin marschiert ein, dann aber sofort wieder raus. Das ist alles nicht logisch und schwer zu durchschauen. Aber es schädigt Putin, der immer mehr die Kontrolle verliert und das nicht verbergen kann. Seine selbstüberschätzenden Machtphantasien werden für ihn das Ende sein, davon bin ich überzeugt. Und wer meint, dass es nach Putin noch viel schlimmer werden kann – was kann noch viel schlimmer werden, als ein unberechenbarer Idiot, der mit Atomwaffen droht? Vermutlich muss Russland – wie alle paar Jahrzehnte – durch eine innere, heftige Revolution eine neue Machtstruktur bekommen, idealerweise teilt es sich dabei in mehrere unabhängige Kleinstaaten auf und ab dann wird es in einigen der Bereiche wieder gehen mit Handel und freundschaftlichen Beziehungen. Bis dahin: „Slawa Ukrajini!“