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Blog 805 – 01.10.2023 – Suppe, Zelt, Perscheid, Portrait, Corona, Fuchs

Am Montag fahren wir den Sohn mit einigem Zeug zusammen nach Frankfurt zurück. Sicherheitshalber haben wir Reparaturzeug dabei, denn eine Schranktür in seinem eher hochpreisigen Appartementzimmer bricht von ganz alleine raus und muss dringend befestigt werden. Zum Glück haben wir einem Wochentag, der Hausmeister des Gebäudes ist da und kommt auch sofort vorbei. Pfusch am Bau, stellt er fest. Anscheinend wurde die „außen hui, innen Sperrholz“-Schrankwand schon beim Einbau zusammengeschustert, weil die schweren Türen nicht mit den kurzen Originalschrauben halten können. Anstatt selber zu reparieren, können wir das jetzt dem Hausmeister überlassen und gehen essen.

Wir gehen zu „Jinda a la Carte“, dem kleinen, schmucklosen, thailändischen Restaurant im Erdgeschoss eines Hochhauses, bei dem man am Zaun klingeln muss, damit jemand kommen und das Tor öffnen kann. Diesmal frage ich nach, warum das so ist, und es liegt an den Bewohnern des Hauses, die nicht möchten, dass das Tor offen ist und Fußgänger den Garten als Abkürzung nutzen und Müll hinterlassen. Blöd für das Restaurant und seine Gäste, aber durchaus zu verstehen. Für das leckere Essen und den freundlichen Service lohnt sich aber das Klingeln. Schon die Tom Kha Vorsuppe mit Kokosmilch, Gemüse und Koriander ist wunderbar.

Am Nachmittag fahren wir ohne Sohn zurück nach Hause und für mich geht es sofort zur ersten „Tod auf dem Nil“-Probe. Die Auf- und Abgänge werden festgelegt, die Anzahl der Stühle auf der Bühne überlegt und probeweise aufgestellt, dann fangen wir mit Textbuch in der Hand an. Reinschnuppern in das Stück, die Laufwege und die Charaktere. Als wir die ersten Seiten wiederholen wollen, springt plötzlich die Sicherung raus und es ist stockdunkel. Das bleibt es auch, denn trotz aller Bemühungen am Sicherungskasten bekommen wir den Strom nicht mehr aktiviert. Zur Krimiatmosphäre passt es, fürs Proben ist es blöd. Wir hören auf und hoffen, es lässt sich schnell reparieren.

Am nächsten Tag beende ich meine Campingzeit und baue das kleine Zelt im Garten ab. Das stand jetzt ziemlich viele Wochen unter der Kastanie und ich habe öfter mal nachts oder auch mittags draußen geschlafen. Ein bisschen wehmütig wird mir klar, dass mit dem Zeltabbau auch der Sommer auf sein Ende zugeht. Ich habe im Garten lange nicht alles geschafft, was ich machen wollte und vor allem für die Bauprojekte keine Zeit gefunden. Aber es war ein schöner Sommer, der nur manchmal zu heiß und zu trocken war, für den Garten und für mich ansonsten sehr schön. Außerdem hängen noch fast alle Blätter an den Bäumen, viele davon grün – das sieht noch gar nicht nach Herbst aus.

Wie die Zeit vergeht, erkenne ich auch an einem Buch. Auf dem Klappentext lese ich, dass es um einen Schriftsteller kurz nach der Jahrhundertwende in Berlin geht. Spannend, denke ich, in Berlin war damals schon viel los und vielleicht geht es sogar bis in die Kästner-Zeit. Gut eingestimmt beginne ich zu lesen, und stutze erst, als der Hauptdarsteller ein Handy zückt. Häh? Oh, nein, es ist die Jahrhundertwende um das Jahr 2000 gemeint! Ich bin so alt, dass für mich „Jahrhundertwende“ völlig selbstverständlich die Zeit um 1900 ist. Wir hatten ja nichts anderes. Also keine andere Jahrhundertwende.

Der Cartoonist Martin Perscheid hat in Wesseling gelebt und ist dort auch aufgewachsen. Im Rathaus ist eine Ausstellung seiner Bilder zu sehen. An Stellwänden und in Vitrinen hängen sowohl Drucke als auch Originale, und ich betrachte sie erfreut und grinse über den schön schrägen Humor.

Während ich im Gesicht amüsiert bin, spüre ich innen durchgehend eine melancholische Traurigkeit. Wie schade, dass Martin schon gestorben ist. Viel zu früh. Im Freundeskreis meiner Eltern gab es die Eltern und die Kinder, und er gehörte zur Gruppe der Kinder. Dass inzwischen immer mehr der mir seit Kindheit vertrauten Erwachsenen aus der Eltern-Gruppe beerdigt werden, ist schon seltsam und blöd genug, aber wenn eins von uns „Kindern“ stirbt, darf das gar nicht sein. Und abgesehen davon, dass Martin in seiner Familie fehlt – wie viele wunderbar treffende und witzige Cartoons werden jetzt nicht mehr gezeichnet, weil kein anderer auf diesen Gedanken kommt.

Am Rand der Ausstellung hängen im Rathausflur Bilder der ehemaligen Bürgermeister*innen der Stadt. Eine gute Idee, jeden mit einem gemalten Portrait zu ehren, aber die Qualität ist doch in vielen Fällen … nun … ähm, ja. Vielleicht malen alle Bürgermeister*innen am Ende der Amtszeit ihr Portrait selber? Das wiederum wäre eine schöne Tradition und würde einiges erklären.

Der Sohn, der am Wochenende bei uns war und sich dort mit seinen Freunden getroffen hat, erfährt zwei Tage später, dass die Freunde an Corona erkrankt sind. Zwei Tage später liegt er selber mit Fieber, Schüttelfrost und Kopfschmerzen kraftlos im Bett und wir fragen uns: Haben wir uns ebenfalls angesteckt? Immerhin haben wir die Freunde am Samstag persönlich begrüßt und waren noch am Montag mit dem Sohn zusammen in Frankfurt. Ich habe tatsächlich Kratzen im Hals und leichte Kopfschmerzen. Uaaaah!! Aber, nein, da fällt mir ein, dass ich das in letzter Zeit öfter habe. Das liegt an zu wenig Schlaf in der Nacht und zu wenig Jacke, wenn es abends kälter wird. Schon lustig, wie ich plötzlich auf jedes Räuspern achte. Aber so lange die Hals- und Kopfschmerzen nach einer Kanne Tee weg sind, ist es ziemlich sicher kein Corona. Ansonsten hätte ich wohl ohne große Forschung ein Gegenmittel entdeckt.

Beim Sohn sind die Coronatests – trotz aller typischen Krankheitssymptome – negativ. Ist es doch nur ein Infekt? Oder eine Corona-Variante, auf die die Schnelltest nicht eingestellt sind? Ich lese, dass bei Geimpften sofort die Antikörper loslegen, die Viren sich deshalb langsamer vermehren als bei Ungeimpften und dementsprechend im Rachenraum oft nicht genügend vorhanden sind, um Corona im Schnelltest nachzuweisen. So oder so warte ich es gespannt ab, denn in der nächsten Woche will ich wegfahren, was nur geht, wenn ich weiterhin gesund bleibe.

Vor einem Monat gab es in Warschau Dreharbeiten für Werbeclips, bei denen ich als Handspielerin für die Puppe dabei war. Vorher hatte ich beim Bau des Fuchses mitgearbeitet und dabei Arme, Beine und auch die fitzelkleinen Finger und Hände gebaut und mit Stoff überzogen. Jetzt ist der erste Clip der Reihe mit dem Verifox-Fuchs im Netz. Weitere werden folgen, vermutlich begegnet man ihnen in der nächsten Zeit immer mal wieder im Internet und Fernsehen.

Internes für Nicht-Puppenspieler: Wäre ich beim Filmen für die Set-Einrichtung zuständig, gäbe es in den Möbeln genug Platz, Hohlräume und Durchbrüche für Puppenspieler und Spielstäbe. Das sehen die Ausstatter und die Kostenstelle einer Produktion natürlich anders. In diesem Fall mussten wir an einem normalen Sofa mit sehr dicker Rückwand spielen. Für eine Fünf-Sekunden-Szene ein Loch ins Sofa bohren, wollte – außer den Puppenspielern – keiner. Wir probierten ein bisschen herum, und schließlich lag ich vor dem Sofa platt auf dem Boden, führte den Stab der rechten Fuchshand und achtete darauf, dass die Fuchsfinger eng auf den Tasten des Instrumentes liegen blieben. Auch bei der leichten Drehung, was nicht ganz einfach war. Im schnellen Werbungsschnitt ist gar nicht zu erfassen, wie viel Arbeit und Konzentration hinter so einer kurzen Szene liegen. Da dreht sich der Fuchs zur Kamera und ZACK! AUS! Bleibt die Frage, ob er wirklich in das Instrument gepustet hat. Und wenn ja, wie.

Am Ende der Woche hat der Sohn einen positiven Coronatest, eine ärztliche Begutachtung und eine Krankschreibung. Auch wenn es ihm täglich etwas besser geht, hat es ihn voll erwischt. Corona eben. Das ist schon etwas heftiger als ein Erkältungsvirus. Die nächsten Tage kann er in aller Ruhe schlafen, schwitzen, husten und gesunden. Wird schon. Ich bin am Samstagmorgen immer noch fit und gesund, was bedeutet, dass ich mich sehr sicher nicht angesteckt habe. Prima! Dann kann ich meine Tasche packen und in der nächsten Woche wegfahren.