Blog 821 – 21.01.2024 – Schneewelt, Gehüpfe und Froschzähne
Dieses Jahr möchte ich deutlich kreativer als das letzte haben. Den Sonntag nutze ich sofort zum Schreiben, allerdings erstmal für meine Neujahrskarten. Namen, Grüße, Adressen – da kommt schon einiges zusammen. In jedem Jahr denke ich, ob ich meine Tradition nicht mal aufhören soll, weil es eben doch Aufwand, Druck- und Portokosten und vor allem recht viel Zeit bedeutet. Aber wenn ich durch bin und die frankierten Umschläge vor mir liegen, finde ich es wieder genau richtig. Mir sind durch das persönliche Schreiben wieder viele Leute gedanklich sehr präsent, und ich weiß, dass sich im Gegenzug viele über die Post freuen.
Am Montag kommt der Winter in Form von Schnee und Eis. Im Rheinland bleibt der Schnee erstmal überschaubar. Die Katze ist so gut isoliert, dass die ersten Schneeflocken eine ganze Weile lang ungeschmolzen auf ihrem Fell kleben. Der Versuch, sie damit zu fotografieren, scheitert an ihrer Schnelligkeit. Ich möchte nicht auf meine eventuelle Langsamkeit hinweisen.
In letzter Zeit habe ich körperlich zunehmend abgebaut. Es scheinen ganze Muskelgruppen verschwunden zu sein, die ich seit Monaten nicht genutzt habe. Im Garten war nichts zu tun, zwischendurch hatte ich Knieprobleme und habe deswegen Dreh- und Hockbewegungen vermieden, und seit ich vor zwei Wochen in völlig schräger Haltung am Himmelbett geschraubt habe, zieht es im linken Bein. Besonders nachts, wenn ich liege. Es fühlt sich nach Hüftschmerzen an, aber genau den Schmerz kenne ich noch von einer Adduktorenzerrung, die ich mir vor einigen Jahren mal beim Rasenmähen am rutschigen Hang zugezogen hatte. Vermutlich habe ich mir jetzt beim Schrauben in Schräglage etwas gezerrt. Andere müssen für eine gute Adduktorenzerrung heftig Fußball spielen, ich kann das, während ich einen Rasenmäher schiebe oder liegend, beim Schrauben. Egal, ich muss jetzt dringend an meiner Kondition und Beweglichkeit arbeiten. Geschmeidig aus der Hocke kommen, anstatt ächzend nach einer Stuhllehne greifen.
Meine spontane Idee: Stepptanz. Hört sich bei Knie- und Hüftproblemen blöd an und ist es vielleicht auch, könnte aber funktionieren. Ich habe viele Jahre gesteppt und das durchaus fortgeschritten, bis ich vor mehr als zehn Jahren aus Zeitgründen aufgehört habe. Für Kondition, Beweglichkeit und nicht zuletzt fürs Hirn ist Stepptanzen aber gut geeignet, und außerdem hat es mir immer wirklich viel Spaß gemacht. Warum also nicht? Ich muss ja nicht in Pirouetten durch die Gegend springen. Zumindest nicht sofort. Erstmal muss ich an den Grundschritten arbeiten. Ich suche mir bei Youtube einen Anfängerkurs und mache vor dem Bildschirm mit. In Stoffturnschuhen auf dem Wohnzimmerlaminat.
Einerseits bin ich stolz, dass ich die Schritte und ihre Namen noch gut kenne und sofort mitmachen kann, andererseits übe ich gerade die totalen Anfängerschritte, die ich vor vielen Jahren in den allerersten Steppstunden gemacht habe. Shuffle, shuffle, hop, step. Das alles in langsamem Tempo und überhaupt nicht sauber. Puh, was da im Laufe der Jahre verlorengeht! Interessant ist, dass ich im Kopf genau weiß, was ich machen muss und wie es klingen soll, dass ich das aber noch nicht schnell und exakt an meine Füße weitergeben kann, die schluderig hinterhertrödeln. Beim „Hop“, einem kleinen Sprung auf einem Bein, hebe ich zunächst kaum vom Boden ab. Nach zwanzig Minuten Gehüpfe jammern die ersten Muskeln los, weil sie mal wieder was tun mussten. Prima. Ich schließe einen Deal mit mir ab. Wenn ich das durchziehe und in einigen Wochen deutlich sicherer, besser und schneller bin, ohne dass ich Nachteile für Knie oder andere Gelenke bemerke, kaufe ich mir wieder ein Paar Steppschuhe.
In der Wochenmitte beginnt es sanft zu schneien und das hört bis zum nächsten Tag nicht auf. Am Morgen liegen mehr als 15 cm Schnee, was in dieser Gegend nicht häufig vorkommt. Ich stapfe durch den Garten, bekomme Schnee von oben in die Strümpfe und bin in einem stillen, verzauberten Winterwonderland.
Mittags habe ich einen Zahnarzttermin und muss dafür mein Auto vom Schnee freiräumen und sogar den Schnee drumherum zur Seite schieben, damit ich überhaupt abfahren kann. Ich fühle mich wie im Wintersportort. Ich bin allerdings auch nichts gewohnt. Im Wartezimmer meiner Zahnärztin liegt mein Froschbuch im Zeitschriften- und Kinderbuchregal. Das freut mich.
Vielleicht sollte ich eine Extraausgabe mit einem Frosch beim Zahnarzt schreiben, aber dann fällt mir auf, dass gerade Frösche keine Zahnprobleme haben. Ein Frosch mit Gebiss wäre allerdings eine witzige Sache. Oder eine gruselige – kommt auf die Zähne an.
Am Nachmittag geht’s bei schon tiefstehender Sonne zu Fuß eine Runde über die Felder. Einige juchzende Kinder mit Schlitten sind unterwegs, schwitzende Eltern, die einen Schlitten mit Kind hinter sich herziehen und sogar zwei Ski-Langläufer. So oft gibt es dieses Wetter im Rheinland nicht, das muss man ausnutzen.
Das Auto ist endlich repariert und kann aus der Werkstatt abgeholt werden. Es hat eine neue Tür und einen neuen Kotflügel und sieht damit ganz genauso aus wie vorher. Ich freue mich, dass es wieder da ist.
Ebenfalls hocherfreut bin ich über die massiven Proteste der bisher eher ruhigen Bürgermitte gegen die Rechten, nachdem deren Deportationspläne bekannt wurden. Nicht nur, dass der AfD gezeigt wird, dass ein Großteil der Deutschen die Demokratie ohne „völkische Alternative“ bevorzugt, auch den amtierenden Politikern wird deutlich Druck fürs Handeln gemacht. Viele AfD-Politiker und deren Wähler sind damit nicht umzustimmen, aber wer Nazi ist oder wer Nazis wählen will oder wer einfach zu blöd ist, um Zusammenhänge und Konsequenzen zu verstehen, muss merken, dass er damit an den Rand der Gesellschaft kommt. Nur weil einem die jetzige Ampelregierung nicht passt, unterstützt man keine Umsturzphantasien und harten Faschismus. Für mich ist nicht zu fassen, dass selbständig denkende Menschen überhaupt auf die Idee kommen.
Der Sonntag ist immer noch winterlich-schön. Knirschender Schnee, kalte Luft und Sonne am blauen Himmel. Der Gatte und ich spazieren eine große Runde. Superschön.
Die Schafe haben Knutwoche mit ins Gehege geworfenen Weihnachtsbäumen. Bei der Anzahl der Bäume überlege ich, ob das noch im Sinne der Schafe und deren Besitzer ist oder ob Anwohner feierlich und ungefragt ihr Restweihnachten über den Zaum kippen.
Die Sonne schmilzt trotz der niedrigen Lufttemperatur schon einiges weg, und ab heute soll es wieder deutlich wärmer werden. Tschüss, Winter. Das waren drei schöne Tage. Reicht mir aber auch schon. Von mir aus könnte der Frühling sofort loslegen.