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Blog 820 – 14.01.2024 – Putzfrauenstolz, Betreuungsstress und Persien

Am Montagfrüh beginnt im Rheinland der Winter. Es geht deutlich in die Minusgrade und es schneit. Ein wenig.

Für den Montag sind auch Bauerndemos angekündigt, bei denen Landwirte Traktor-Sternfahrten machen und Autobahnauffahrten besetzen, um gegen Subventionskürzungen zu protestieren. Ein spannender Zeitpunkt, um ausgerechnet dann mit dem Sohn nach Frankfurt zu fahren. Aber es klappt gut. Der Schnee bleibt überschaubar und ist ab der Hälfte der Strecke plötzlich weg, und von den Demos sehen wir nur einige Traktoren an einer Auffahrt.

Für rechte Gruppierungen, ganz vorneweg die AfD, sind die protestierenden Bauern der beste Vorwand, um mitzumischen. Immer dabei, wo sie Unzufriedenheit anheizen können. Die AfD empört sich lautstark über die Kürzungen der deutschen Subventionen, will aber dringend die weitaus höheren EU-Subventionen für die Bauern komplett streichen lassen. Das erwähnt sie nur gerade nicht, während sie tut, als wäre sie auf Seiten der Landwirte. Verlogenes Pack.

Wenn es in der Regierung hakt und die Bevölkerung unzufrieden ist, schnellen überall die Rechten hoch. Demokratie geht verloren, wenn nicht mehr Argumente und Diskussionen, sondern Brüllen und Gewalt zu Ergebnissen führen. Es wird wichtig, sich als anständiger, demokratiebewusster Mensch wieder klar gegen Rechts zu positionieren und nicht nur zuzusehen, wie die AfD und ähnliche Gruppierungen mit Lügen und Gebrüll ihre Ratten fangen. Gerade jetzt, wo die AfD immer unbefangener und frecher ihre wahren Ziele verkündet. Wer die AfD wählt, wählt die Demokratie ab. Wer die AfD wählt, wählt Gewalt. Wer die AfD wählt, wählt Nazis und will Nazis. Punkt.

Dass die Ampelregierung immer wieder vorschnell und anscheinend unüberlegt handelt, ist ein anderes Thema. Ich fürchte sogar, sie überlegt, bevor sie handelt, was aber zeigen würde, dass sie oft keine Ahnung und kein Basiswissen hat, aber denkt, sie hätte es. Ich war ja schon vorher von Scholz nicht überzeugt, der Erinnerungsprobleme hat, lächelnd nichts sagt oder wenn, dann inhaltlich wenig bietet. In seiner Selbstgefälligkeit, Selbstüberschätzung und der Unfähigkeit, ein Land zu führen und dafür schnelle und klare Entscheidungen zu treffen, ist er in meinen Augen eine Katastrophe. Es gibt ganz sicher fähige Politiker*innen, die es schaffen könnten, der Bevölkerung wieder Vertrauen in ihre Tätigkeit zu geben. Die jetzige Ampelkoalition wird das wohl kaum noch hinbekommen. Sehr schade. Ich hatte gedacht, dass sie das gut machen können.

Es ist schwierig, eine Wahlempfehlung zu geben, wenn die aktuelle Ampel häufig schlecht arbeitet und es ein Hin und Her ohne Verlässlichkeit gibt. Aber das kann niemals ein Grund sein, eine rechte Partei zu wählen. Auch Sahra Wagenknechts populistisches Gemisch aus rechtem und linken Gedankengut, kombiniert mit ihrer Sympathie für Russland und dem Ziel, die Unterstützung der Ukraine zu beenden und stattdessen mit Putin freundlich zu verhandeln, ist auf keinen Fall eine Lösung. Der einzige Vorteil der neuen Sahra-Wagenknecht-Partei ist, dass sie in Deutschlands Osten der AfD Stimmen wegnehmen kann. Ich halte die Frau allerdings auch zu selbstverliebt, um die Partei lange durchzuziehen, wenn sie nicht alles bestimmen darf und nicht alle Parteimitglieder ihr zustimmen. Hach, genug aufgeregt.


Der Weg nach Frankfurt am Montagmorgen zwischen Schneeflocken und Bauernprotest klappt jedenfalls überraschend gut und ich habe unterwegs anregende Gespräche mit dem Sohn, der Politikwissenschaftler ist und viel solides Hintergrundwissen hat. In Frankfurt hatte der Sohn in der letzten Woche immer schon Kleidung und Geschirr aus seinem Apartment in Tüten gepackt und zur neuen Wohnung getragen. Jetzt räumen wir den Rest aus den Schränken und fahren damit eine Tour mit dem Auto.

Weil das große Auto noch in der Werkstatt ist, passen Bügelbrett, Wäscheständer, Stuhl und Bodenschutzmatte nicht mehr ins kleine Auto. Ich würde gerne nochmal fahren und außerdem das Apartment komplett leer machen und mit dem Sohn zusammen putzen, so dass es abgabebereit ist, aber ich habe am Abend Theaterprobe. Also fahre ich am späten Nachmittag schon wieder nach Hause und bin pünktlich am Nil. Die Probentermine sind gerade etwas ungünstig für mich, aber die stehen nun mal fest und die anderen Termine müssen sich möglichst drumherum legen.


Ein Vormittag in der Woche ist fest für meinen Vater reserviert. Abgesehen von fast täglichen Telefonaten mit ihm und manchen Besorgungen und Behördenkram, den ich zwischendurch von zuhause aus mache. So ein paar Stunden ist ja nicht so wild, denke ich selber, aber oft stresst es mich ganz schön. Diesmal steht auf meinem To-Do Zettel für diesen Tag, dass ich mit ihm um 8 Uhr zur Blutabnahme beim Hausarzt sein muss (Wartezeit üblicherweise zwischen 30 und 60 Minuten – für eine Blutabnahme!), dass die vielen Geburtstage von Familie, Freunden und Bekannten noch in den Kalender 2024 eingetragen werden müssen, dass er den von mir bestellten Regenmantel anprobieren muss, dass er einen Absperrschacht im Keller gereinigt haben möchte – keine Ahnung, was ich da machen muss -, dass ich in der Apotheke Rezepte abholen muss, dass der nächste Fußpflegetermin nicht klar ist und ich die Fußpflegerin deswegen anrufen muss, dass eine Haushaltshilfe der Krankenkasse am Vormittag kommt, für die ich noch überlegen muss, was sie machen kann, ohne dass wir uns ständig im Weg sind – könnte sie wohl den Absperrschacht im Keller reinigen? … ähm, eher nicht -, außerdem muss ich mit meinem Vater besprechen, was er an seinem anstehenden Geburtstag machen möchte und eine Liste anlegen, wer zum Frühschoppen, wer abends und wer am Wochenende kommen soll, Post durchsehen und bei Bedarf darauf reagieren, mich nach der Verkaufsstelle einer Eintrittskarte für eine Karnevalssitzung erkundigen und Mittagessen kochen. Puh!

Immerhin sehe ich auf dem Weg zur Apotheke eine Verivox-Plakat-Werbung und erinnere mich sofort wieder daran, wie ich im Sommer gemütlich in der Werkstatt saß und an den fitzeligen Fingern und Füßen des Fuchses genäht habe.


Am Mittwochabend ist schon wieder Nilprobe – es macht Spaß und nimmt Formen an -, am nächsten Morgen fahre ich erneut ganz früh nach Frankfurt. Der Sohn muss tagsüber arbeiten, aber der Internetmensch hat sich für „zwischen 14 und 20 Uhr“ angemeldet und braucht jemanden mit Schlüssel vor Ort. Da passt es gut, dass ich am Vormittag das machen kann, wozu wir am Montag nicht mehr gekommen sind: Das Apartment reinigen. Es ist schon grundsätzlich sauber, aber ich habe dem Sohn angeboten, dass ich überall nochmal durchgehe und auch die Schränke auswische. Da der Sohn nicht blöd ist, hat er das Angebot angenommen. Ich putze sehr ungern und nur, wo es nötig ist, aber ich habe am Vormittag Zeit und ich kann es prinzipiell.

Während ich, umwabert von Reinigungsmitteldüften, die Armaturen blank reibe, denke ich stolz, ich wäre eine gute Reinigungskraft geworden. Das Apartment wird echt tippitoppi. Wie neu. Ich verstehe, dass man eine Zufriedenheit fühlt, wenn alles glänzt und perfekt sauber ist. Bei Hausarbeit bleibt nur nichts, man beginnt immer wieder von vorne. Das nervt mich. Ich sage immer: Hausarbeit sieht man nur, wenn man sie NICHT macht.

Am Ende des Vormittags schleppe ich Bügelbrett, Wäscheständer, Stuhl, Bodenschutzmatte und eine Tüte voller Putzmittel, Lappen und Tücher zum Auto. Fertig! Juchuh! Das Apartment ist einzugsbereit für den nächsten Mieter. Und jetzt habe ich Hunger!

Vor kurzem habe ich in der Gegend ein Gebäude mit der Beschriftung „Frauen, Leben, Freiheit“ entdeckt und kurz gedacht, ob das ein Rotlicht-Etablissement sein könnte, aber dann kamen mir die Begriffe irgendwie bekannt vor und beim genaueren Hinsehen erkannte ich, dass es ein persisches Restaurant ist. Na klar, „Frauen, Leben, Freiheit!“ ist auch gerade der Slogan der iranischen Freiheitsbewegung. Oh, persisches Essen wäre jetzt genau richtig, denke ich nach der Putzaktion, gehe hin und bestelle mir ein Gericht zum Mitnehmen. Ich esse es in der Wohnung des Sohnes, weil ich ja auf den Servicetechniker warten muss. Mjammi! Linsen, Lamm und Auberginen mit Safranreis. Sehr lecker! Meine Hände riechen immer noch nach Putzmittel. Als untrainierte Super-Putzfrau habe ich natürlich ohne Handschuhe gearbeitet.

Weil ich danach Zeit habe, stelle ich eine erste Wäsche mit der neuen Waschmaschine an, enteise den übernommenen und ziemlich vereisten Gefrierschrank und heize den neuen Backofen für eine Stunde an, um die künstlichen Neu-Gerüche zu entfernen. Währenddessen teilt die Internetfirma per SMS mit, dass sie alles aus der Entfernung einstellen konnten und das Internet jetzt schnell läuft. Tut es. Hurra! Wie gut, dass ich nicht nur wegen des Technikers nach Frankfurt gefahren bin.

Am Abend geht der Sohn von seiner Arbeitsstelle los, ich von seiner neuen Wohnung und wir treffen uns mittig im leeren Apartment. Ein letztes Mal gehen wir nach oben auf die hauseigene Dachterrasse. Der Blick in das abendlich beleuchtete Viertel ist schon beeindruckend. Alles ist sauber, klar, geradlinig und modern. Aber eben auch steril, kalt und künstlich. Wie gut, dass der Sohn jetzt in dem modernen Viertel arbeitet – was völlig in Ordnung ist -, und gleich nebenan im alten, natürlichen Viertel sehr gemütlich wohnen kann.

Das Apartment war recht teuer und auf Dauer zu klein, aber es war vor einem Jahr die perfekte Lösung, als der Sohn so plötzlich eine Arbeitsstelle in Frankfurt bekam. Innerhalb weniger Tage konnte er einziehen und war nur wenige Fußminuten von seiner Arbeitstelle entfernt. Das voll möblierte Apartment hat ein Bad und eine kleine Küchenzeile, Waschmaschinen und Trockner gibt es im Haus, und es war ein sicheres, ruhiges Zuhause auf Zeit, auch wenn der Hotelcharakter blieb. Aber genau für solche Übergänge sind die fertigen Apartments gedacht und eine gute Lösung.

Jetzt hat der Sohn endlich wieder eine richtige Küche, und er knetet und backt mal eben zwei Teigfladen, die es mit Salat als Abendessen gibt. Schon wieder mjammi!

Am späten Abend fahre ich nach Hause. Der Umzug ist abgeschlossen. Check! Jetzt gibt es nur noch kleine Restarbeiten und Ergänzungen, die alle nicht dringend sind und erst im Laufe des Wohnens gemacht werden. Wandlampen, Bilder, Balkontisch. Und demnächst werde ich mal mit der Nähmaschine kommen und die überall zu langen Vorhänge kürzen. Vielleicht erst im Februar. Es ist nichts mehr eilig. Jetzt kann ich mich erstmal umschauen und überlegen, wie und mit was ich in diesem Jahr wieder kreativer werde. Im letzten Jahr war das deutlich zu wenig.