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Blog 829 – 17.03.2024 – Inszenierungsblick, Palisander und Nil-Wochenende

Am Sonntagmorgen packe ich Pflanzen, Erde, Gartenstühle, Bohrmaschine und Theaterkarten ins Auto und fahre mit dieser interessanten Mischung zum Sohn nach Frankfurt. Boah, wir haben beide keine Lust mehr, weitere Sachen die Treppen hoch zur neuen Wohnung zu schleppen, aber es kommt eben immer noch was dazu.

Auf dem Balkon füllen wir die Lücken in den Kästen mit mehrjährigen Pflanzen aus meinem Garten auf, pflanzen viel Pfefferminze in einen Topf und stellen einen mittelhohen Busch in einen Kübel. Über Kleinanzeigen habe ich zwei gebrauchte Gartenstühle sehr günstig bekommen, und weil der Balkon überdacht ist, ist das ein guter Platz für sie. Der Balkon wird zur Wohnzone erklärt und bekommt auch sofort Besucher: Die ersten Wildbienen und Insekten suchen sich die schmale Kost aus den Frühjahrsblühern, werden demnächst aber ein wahres Buffet vorfinden. Der Sohn und ich sitzen auf den Stühlen und trinken Tee. Wie großartig, dass es zum Hinterhof hinaus so schön ruhig ist!


Am frühen Abend fahren wir mit der S-Bahn die wenigen Stationen bis in die Frankfurter Innenstadt, wo wir im Kellertheater „Martin & friends“ ansehen. Martin habe ich vor einigen Jahren in einem Puppenbaukurs im Bochumer Figurentheater-Kolleg kennengelernt und schon mal in einer Puppentheaterproduktion im Kellertheater gesehen. Jetzt zeigt er sein Solostück, in dem zwischendurch ebenfalls Puppen vorkommen.

Martin ist ein großartiger Schauspieler, der in verschiedene Charaktere mit unterschiedlichen Dialekten schlüpft und jeden überzeugend darstellt. Wir gucken fasziniert zu und lachen viel. Auf der Rückfahrt kommen aber die Regisseure in uns raus und wir haben sofort Ideen, wie wir das Talent von Martin noch besser einsetzen könnten, wo es in der Inszenierung ein wenig klemmt und wie die Geschichte des Abends einen runden Bogen machen würde. Manchmal finde ich es erstaunlich, dass beide Söhne und ich sehr schnell sehen, was funktioniert, was geändert, was gestrafft werden sollte und wie eine Geschichte spannend wird. Wir sollten gemeinsam ein Regie- und Inszenierungsbüro aufmachen.

Martins Abend macht mir Spaß, aber oft sitze ich in Bühnenstücken und bin genervt, weil vieles falsch läuft und anscheinend niemand eine gute Gestaltung des Stückes erarbeitet hat. Oder mit dem, was da läuft, schon zufrieden ist. Ich sehe die Nachlässigkeiten und Unzulänglichkeiten, und mir reicht das dann nicht. Kein Wunder, dass mich manche Leute für überkritisch halten oder sogar finden, ich „meckere“, wenn ich etwas an Produktionen kritisiere. Andererseits wurde mir von einem professionellen Coach sogar schon ans Herz gelegt, beruflich an Inszenierungen zu arbeiten, was mir zeigt, dass ich so falsch nicht liege. Weil Martin weiß, dass der Sohn und ich beide einen guten Blick haben und genau definieren können, wo etwas klemmt – und weil er ein ehrliches Interesse an konstruktiver Kritik hat, – möchte er gerne ein Feedback bekommen, was ich bald telefonisch machen werde. Wird auch gar nicht schlimm werden.


Mit angeregtem Geplauder und vielen Ideen laufen der Sohn und ich nach der Vorstellung durch das abendliche Frankfurt, fahren S-Bahn, kommen wir wieder in der Wohnung an und finden, wir hatten einen guten Abend.


Am Montagmorgen geht der Sohn zur Arbeit und ich greife zur Bohrmaschine. Zuhause habe ich aus einem Brett und Haken eine einfache Garderobe gebaut, an die schnell mal eine regenfeuchte Jacke gehängt werden kann. Weil die Türrahmen in der Wohnung dunkel sind, habe ich das Holz mit dunkler Palisanderlasur gestrichen. Also – ich wollte es. Die Lasur ist aber wohl schon zu alt, darum ist der Farbton nicht dunkel, sondern „angeschwemmtes, ausgeblichenes Holz“ geworden, was mir in seiner Grauheit gut gefällt. So gut, dass ich keine neue Palisander-Lasur kaufe, sondern alles so lasse. Als das Brett an der Wand hängt, bin ich erfreut, dass es sich harmonisch einfügt und aussieht, als hätte es schon immer dort gehangen. Es wirkt sogar antik – ich hätte einige Holzwurmlöcher einbohren sollen – und nicht einfach nur zusammengeklopft und fehlgestrichen.

Ich wasserwaage, bohre und schraube noch einige Regalbretter, dann packe ich mein Werkzeug ein, fahre zurück nach Hause und habe Nil-Probe. Diese Abwechslung mag ich ja schon sehr: Als Gärtnerin den Balkon bepflanzen, im Theater Zuschauerin sein, Löcher in Wände bohren und Regale verdübeln, von Nordrhein-Westfalen über Rheinland-Pfalz nach Hessen und zurück fahren und dann auf dem Nil reisen. Am späten Abend bemerke ich, dass ich meine Zahn- und die Haarbürste in Frankfurt vergessen habe.


Mein Vater braucht ein CT. Beim zuständigen CT-Anbieter in seinem Wohnort hänge ich immer wieder in der Warteschleife und höre neben nerviger Dudelmusik: „Legen Sie nicht auf, Sie sind gleich dran!“, bis es dann jedes Mal plötzlich heißt: „Leider sind alle Leitungen belegt. Versuchen Sie es später wieder!“ Klick. Kurzentschlossen rufe ich bei meinem örtlichen CT-Anbieter an und komme sofort durch. Der für mich örtliche Termin bedeutet allerdings, dass ich sehr früh erst 30 Minuten zu meinem Vater fahren muss, um mit ihm zusammen die gleiche Strecke zurück zum CT-Termin zu fahren. Nach dem Termin bringe ich ihn wieder nach Hause und fahre danach wieder zu mir. Das sind zwei Stunden reine Fahrzeit – fast so lang wie die Strecke nach Frankfurt, auch wenn es gefühlt nur „Ich hole Papa zum CT“ ist.

Beim CT-Termin gibt es einige Wartezeit vorher und auch danach. Ich bin vor fünf Stunden gestartet, und es ist schon fast Mittag, als mein Vater bei mir schnell ein Frühstück bekommt. Anschließend müssen wir sofort zu seinem Hausarzt, weil etwas mit seiner Blutgerinnung nicht stimmt. Es ist Mittwoch, da haben die meisten Praxen ab mittags zu, aber zum Glück kommen wir gerade noch rechtzeitig. Kurzer Check, Blutabnahmetermin für den nächsten Tag ausgemacht – und danach noch die Erledigung einiger Problemfälle im Haushalt meines Vaters. Elektrische Rollladen neue einstellen, Anrufliste auf dem Telefon löschen, ein Formular ausfüllen und ein bisschen Kleinkram. Als ich wieder Zuhause bin, ruft mein Vater an und fragt, ob ich wisse, dass sein Rollator noch in meinem Auto liegt. Weil er den beim CT-Termin nicht gebraucht hat, habe ich ihn im Kofferraum völlig vergessen. Ich denke: „Oh, nee!“, sage: „Bringe ich dir morgen vorbei“ und fahre zur Nilprobe.


Am nächsten Tag fahre ich morgens bei meinem Vater vorbei und bringe ihm seinen Rollator, dann fahre ich weiter nach Frankfurt. Schon wieder. Ich lasse mir Zeit, gucke unterwegs in einem Schuhgeschäft nach eventuellen Schuhen mit Absatz für das Nilstück, finde aber keine zeitlich passenden, was ich gut finde, denn im Grunde möchte ich nur noch in flachen Schuhen laufen, weil, wenn ich unten Absätze trage, geht es mir darüber auf die Knie. Muss ja nicht sein. Sehr gemütlich trinke ich mittags Tee auf dem Balkon, kann aber nicht konzentriert lesen, weil im Hinterhof drei Kinder ihren großen Plastiktraktor immer wieder einen kleinen Weg über Kopfsteinpflaster schieben. „Rattattattattattattaaaa!“ schallt es von allen Betonwänden zurück und vervielfacht die Lautstärke. Kein Autolärm, keine Flugzeuge, keine Menschenmassen – ein Plastiktraktor macht den Lärm von allen zusammen. Aber die Kinder sind wirklich nett, spielen schön zusammen und haben Spaß. Wo sollen sie in einer Großstadt sonst spielen? Am Abend packe ich die vergessene Zahn- und die Haarbürste ein und fahre mit dem Sohn plaudernd von Frankfurt bis nach Hause. Er trifft sich am Wochenende mit Freunden in Bonn, ich habe am Samstag und am Sonntag Probenwochenende, am Montag werden wir gemeinsam nach Frankfurt zurückfahren.


Probenwochenenden bringen immer sehr viel. Die Kostüme werden für die Szenen angezogen und endlich kann auch mal das ganze Stück mit allen Akten gespielt werden, auch wenn zwischendurch immer mal wieder unterbrochen wird. Noch hakt es bei Anschlüssen, beim Tempo und auch beim Text, aber wir alle bekommen ein Gefühl für den Ablauf. Außerdem ist das der Test für: Reicht die Zeit bis zum nächsten Auftritt fürs Umziehen? (ja). Können die Stichworte hinter der Tür gut gehört werden? (nein). Passen wir alle in die Garderobe? (nein, muss aber gehen).

Wir sind eine gute Gruppe, die sich harmonisch versteht. Das ist schon ein schönes Gemeinschaftsgefühl, das beim gemeinsamen Proben entsteht. Der erste Tag des Wochenendes ist intensiv und macht Spaß, heute wird es vermutlich noch deutlich schneller und flüssiger durch das ganze Stück gehen.