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Blog 850 – 11.08.2024 – Ferien!! Ach, doch nicht

Ich freue mich so so so sehr über meinen Ferien-August! Aber einfach nur ganz viel freie Zeit für mich selber zu haben, wäre ja unspannend. Das denkt anscheinend das Schicksal, sofern es denken kann, und bremst mich sofort aus. Gleich am Montagmorgen klingelt das Telefon, mein Vater ist dran und sagt, dass er die Beine nicht mehr bewegen kann. Nun bin ich keine Ärztin, aber um erstmal einen Blick auf ihn zu werfen und die Lage abzuschätzen, reicht es. Ich fahre mit dem Auto eine halbe Stunde zu ihm, und tatsächlich, mein Vater hat kraftlose Puddingbeine und kann in diesem Zustand nicht stehen und schon gar nicht gehen.

Anstatt dass ich – wie geplant – am Vormittag mit dem Sohn nach Frankfurt fahre, unterwegs mit ihm plaudere, dort vielleicht eine Nacht bleibe, um am nächsten Tag vielleicht noch ein Museum zu besuchen – ich kann in meinen Ferien ja alles spontan entscheiden -, sitze ich um halb 9 wartend im Krankenhaus, in das mein Vater mit dem Krankenwagen gebracht wurde.

Um 11 Uhr ist klar, dass mein Vater stationär aufgenommen wird. Um 13 Uhr – ich kann auf dem Höckerchen neben seiner Liege im Untersuchungszimmer kaum noch sitzen -, bekommt er endlich ein Bett zugewiesen und ich räume ihm seine Sachen in den Schrank. Vom Warten und langen Herumsitzen bin ich inzwischen total müde. Außerdem mache ich mir natürlich Sorgen, denn dass er nicht mehr laufen kann, bedeutet, dass er nicht alleine wohnen kann. Jetzt eine halbe Stunde nach Hause fahren und dann sofort noch gute zwei Stunden weiter nach Frankfurt? Wie soll ich das denn schaffen?

Kaum komme ich aus dem Krankenhaus, werde ich mit jedem Schritt munterer. Bewegung, frische Luft, und die Beruhigung, dass mein Vater vorerst versorgt ist und nicht liegend nach Hause geschickt wird, sind die Auslöser. Zuhause trinke ich einen Kaffee und esse etwas, dann packen der Sohn und ich unsere Sachen und fahren los. Plaudernd und erstaunlich wach bis nach Frankfurt. Meine Übernachtungssachen habe ich sicherheitshalber dabei. Am Abend fühle ich mich nach einer Pause und zwei Tassen Tee aber so fit, dass ich wieder nach Hause fahre. Der eventuelle Museumsbesuch in Frankfurt am nächsten Tag ist sowieso gestrichen, weil ich am Vormittag wieder im Krankenhaus sein muss.


Das war’s dann erstmal mit meinen Ferien. Ich fahre jeden Tag zum Krankenhaus, bringe meinem Vater Sachen vorbei und spreche mit Schwestern, Pflegern, Ärztinnen und dem sozialen Dienst. Mein Vater hatte vermutlich eine Art Mini-Schlaganfall, der die Beine betrifft, und es kann nicht gesagt werden, ob er bald, demnächst oder gar nicht mehr laufen kann. Zum Glück ist er im oberen Bereich wie immer. Das hätte viel schlimmer ausgehen können. Schlimm ist es für ihn natürlich trotzdem, denn so wie es gerade ist, kann er nicht nach Hause zurück. Noch ist er im Krankenhaus, aber wie lange? Und was dann?

Wenn ich Zuhause bin, telefoniere ich, informiere Leute, werde von der Ärztin oder dem sozialen Dienst angerufen, lese Infos zur 24-Stunden-Pflege, recherchiere im Internet und erledige Kram. Für Kreativität habe ich keine Ruhe. Ach, was hatte ich mich auf diese freien Ferientage gefreut! Und wie habe ich seit Monaten darauf geachtet, dass ich im August möglichst keine Termine habe und dann ungebunden und frei machen kann, was ich will. Zum Beispiel tagelang nur an meiner Katze nähen oder endlich ölmalen oder mal zwei Tage ans Meer fahren. Einfach mal nichts anderes im Kopf haben. Das kann ich jetzt vergessen. Dabei hätte ich es wirklich dringend gebraucht. Die einzigen vier Wochen, die ich in diesem Jahr – bis auf die üblichen Mittwoche bei meinem Vater – frei gehabt hätte. Manchmal laufen ein paar Tränen. Ich bin einfach müde und enttäuscht und unerholt. Aber was hilft es.


An den ersten drei Tagen dreht sich alles nur um die neue Situation. Am dritten hat sich die Lage stabilisiert und nach dem Krankenhausvormittag habe ich etwas Zeit. Ich gehe in den Garten und werkel vor mich hin. Das bringt mich immer runter und nimmt Druck, auch wenn ich mehrfach von Telefonanrufen unterbrochen werde. Wenn schon nicht Ferien, dann zumindest im Grünen sein und die Biotonne füllen.

Unser Kater mit dem unwürdigen Namen „Katzi“ liegt dabei immer wieder im Weg und findet es sehr schön, dass ich ständig an ihm vorbeikomme. Gartenarbeitszeit ist seine liebste Zeit. Da ist er immer gerne dabei.


Ursprünglich hatte ich geplant, dass ich an den meisten Ferientagen erst einen halben Tag lang Liegengebliebenes aufräume und die andere Hälfte des Tages frei nutze. Jetzt habe ich neben der Krankenhauszeit nur einen halben Tag zur Verfügung. Ich überlege kurz, aber kreative Sachen gehen nicht. Es ist zu viel Unruhe und es gibt offene Fragen und Entscheidungen, auf die ich warte und die mir die Ruhe für Kreatives nehmen. Außerdem fallen jetzt ja auch die nötigsten Haushaltssachen in die freie Tageshälfte. Also wähle ich für den Ferienteil das Aufräumen. Aber keine großen Projekte, sondern Kleinkram. Zum Beispiel die nach den letzten Monaten Umbau-, Renovier- und Umzugsmaßnahmen in Dosen und Tüten angesammelten Schrauben sortieren. Unterschieden nach „klein“, „mittel“ und „groß“, unterteilt in „Kreuzschlitz“ und „Torx“. Das ist vom Hirn ohne viel Arbeitsaufwand gut zu absolvieren und überfordert nicht. Am Abend habe ich deutlich weniger herumliegende Dosen und Tüten und dafür gut gefüllte Schraubenkisten, in denen ich wieder schnell finde, was ich brauche. Das ist auch eine Möglichkeit, mich gut zu fühlen.


Am Freitag nehme ich mir einen Tag krankenhausfrei. Ich telefoniere zweimal mit meinem Vater, habe auch andere Telefonanrufe, bleibe aber Zuhause. Boah, was ist so ein Tag wunderbar lang! Das fühlt sich dann fast schon wieder wie Ferien an. Ich fahre das Tempo runter, krame aber einige Sachen aus dem Schuppen. Manches kommt in den Müll, eine nur einmal genutzte Strandmuschel, wenig genutzte Inliner Größe 40 und ein nie ausgepacktes Ferienset Badmintonschläger stelle ich mit „zu verschenken“-Zettel an die Straße, wo alles bis zum nächsten Vormittag weg ist. Bei einer billigen alten (China-)Weihnachtspyramide, der ein Flügel fehlt und die seit zwanzig Jahren im Schuppen liegt, zögere ich kurz vor der Mülltonne. Die kann doch noch eine Weile bei mir im Garten stehen und sich im Wind drehen. Was spricht gegen ganzjahreszeitliche Weihnachtspyramiden zwischen Lavendelbüschen?


Am Samstagmorgen fahre ich schon wieder zum Krankenhaus-Parkhaus. Als ich am Eingang das Kärtchen ziehe, brummt der Apparat diesmal ungewöhnlich laut. Er brummt, bis sich die Schranke öffnet und ist dann ruhig. Während ich einfahre, denke ich: „Wie gut. Das ist so ein Brummsignal wie an den Ampeln. Damit auch Blinde gut ins Parkhaus fahren können.“ Noch während ich das denke, wird mir klar, was ich denke und lache los. Manchmal arbeiten meine Hirnzellen wirklich schneller als es ihnen gut tut.


Am Nachmittag sitze ich eine Stunde im Hof, trinke Tee, esse ein Käsebrötchen und lese. Auf dem Tisch steht die Weihnachtspyramide. Es sind nicht Ferien, aber es ist zumindest etwas „freie Zeit“. Immerhin.