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Blog 868 – 15.12.2024 – Zaubertinte, Marienhände und Weihnachts-Maybebops

In meinem Blog- und Fotoarchiv suche ich nach vergangenen Veranstaltungen, über die ich noch die letzten Berichte auf die reihedrei-Homepage setzen kann. Ich finde Fotos und Notizen über Abende mit Lars Reichow, Purple Schulz und Jördis Tielsch, Torsten Sträter, zwei Mal Maybebop, Fatih Cevikkollu, Arno Surminski und drei Mal Rainald Grebe. Oh, wie schön. Jetzt, wo die Seite wieder funktioniert, hätte ich es schade gefunden, wenn die nicht noch reingekommen wären. Von wegen Zeitgeschichte und so. Es gibt sogar noch einige Veranstaltungen mehr, die ich in den letzten Jahren besucht habe – ich bin selber erstaunt, weil ich das Gefühl hatte, wenig unterwegs gewesen zu sein -, aber wenn es nur ein Foto und gar keine Notizen dazu gibt, ist das für einen Bericht dann doch zu wenig.

Jetzt bin ich durch und erkläre die Homepage für komplett überarbeitet. Es werden nur noch neue Berichte dazukommen. Und in sehr alten Berichten nach und nach die alte Rechtschreibung und bisher übersehene Schreibfehler korrigiert.

www.reihedrei.de


Hape Kerkeling hat 60. Geburtstag und wird mit vielen Glückwünschen und einer ARD-Doku gefeiert. Ich befürchte vorher, dass die Doku ein Aneinanderschneiden der Best-of-Nummern wird und die immer gleichen Fragen gestellt werden. Stattdessen ist sie überraschend gut und sehr liebevoll gemacht. Einige Leute aus seinem Umfeld kommentieren darin oft sehr berührend. Wieso hat mich eigentlich niemand gefragt? Ich hätte ebenfalls gut und liebevoll erzählen können, was er für mich bedeutet. Und wieso spiele ich eigentlich immer noch keine Statisten-Nebenrolle in seinem nächsten Film?

Es gibt auch noch den Vorfall mit der Zaubertinte. 2006 war ich bei der ersten Lesung von „Ich bin dann mal weg“, und Hape Kerkeling hat beim anschließenden Signieren seine Unterschrift auf den Schutzumschlag gesetzt. Warum nicht innen auf die erste Seite, hat mich gewundert, aber egal. Ich habe mich gefreut, dass ich ein Buch mit Unterschrift habe. Einige Jahre später habe ich es verliehen und lange nicht zurückbekommen. Sehr lange. Mehr als zehn Jahre war es weg und ich machte mir schon Sorgen, ob ich diese Erstausgabe jemals wiedersehen würde. Und wenn, ob der Buchumschlag mit der Unterschrift noch am Buch wäre. Vor einigen Wochen bekam ich das Buch unversehrt zurück, immer noch eingeschlagen in den Buchumschlag.

Ich freute mich sehr, aber dann sah ich, dass die Unterschrift von Hape, oben links auf dem Umschlag, inzwischen fast verschwunden ist. Zaubertinte – das war mir sofort klar. Vielleicht auch nicht-dokumentenechter Filzschreiber, was im Ergebnis dasselbe ist.

Dieser Hape, immer einen lustigen Streich auf Lager! Jetzt muss ich nur irgendwann die Gelegenheit finden, ihm das Buch erneut vorzuhalten, damit er die Unterschrift wiederholen kann. Und ich bin ja nicht blöd: Dann bringe ich einen eigenen Stift mit.


Bei meinem Vater baue ich die Krippe auf, die ich seit meiner Kinderzeit kenne, aber noch niemals selber aufgestellt habe. Die sehr gewagte Beleuchtungskonstruktion, die aus einer Halogenlampe mit Drähten, einem Transformator aus vermutlich den 60er-Jahren und einem Stecker, der einen Museumsplatz im Elektrik-Museum bekommen könnte, besteht, tausche ich gegen batteriebetriebene Flackerkerzen aus. Sicher ist sicher. Eine abbrennende Krippe macht zwar schönes Licht, aber nur wenig weihnachtliche Stimmung. Maria, Josef und das Baby-Jesuskind, deren Gesichter und Hände mein Vater mal selber geschnitzt hat, mag ich immer noch sehr. Auch wenn ich als Kind schon fand, dass Marias Hände genau wie die von Papa aussehen.

Auch meine Hände sehen wie die von Papa aus – breite, zupackende Bauarbeiterhände. Mit Blick auf die Krippenfiguren könnte ich sagen, dass ich Marienhände habe. Die verwirrten Blicke meiner Gegenüber würde ich dann einfach ignorieren.


Das alte und das neue Kaninchen prügeln sich in ihrer Kennenlernphase zwischendurch so wild, dass die Fellflusen fliegen. Zum Glück immer nur kurz. Am Montagmorgen hat Paul einen blutigen Striemen am Ohr. Ganz plötzlich ändert sich das Verhalten der beiden. Paul läuft zur Kaninchendame und hält ihr den Kopf hin, und sie leckt sorgfältig die Wunde an seinem Ohr. Statt Beißerei Fellpflege – das sieht gut für eine gemeinsame Zukunft aus. Zwei Tage später fressen sie völlig entspannt nebeneinander und wirken wie ein lang vertrautes Paar.


Aus unerfindlichen Gründen vernachlässigen die Sänger von Maybebop in dieser Vorweihnachtszeit das Rheinland und machen keines ihrer speziellen Weihnachtskonzerte in meiner Nähe. Dabei müssten sie im Dezember doch nur gut verteilt etwa zwei- bis dreihundert Konzerte geben, um alle Regionen abzudecken. Hört sich viel an, aber es geht doch um Weihnachten und der Weihnachtsmann schafft an einem Abend locker mehr. Allerdings singt er ja nicht.

Da ich kein großer Weihnachtsenthusiast bin, vermeide ich Weihnachtskonzerte normalerweise. Aber die von Maybebop sind so unpiefig, unkitschig, lustig und schön, dass sie mich sehr erfreuen und sogar weihnachtlich berühren. Ich studiere darum mehrfach ihren Tourplan, denke immer wieder: „Nee, das ist zu weit“ und stelle mich auf „Dann eben kein Weihnachtskonzert“ ein. Plötzlich hole ich mir doch eine Karte für Neustadt an der Weinstraße, das mit 240 km für ein Weihnachtskonzert zu weit weg ist. Normalerweise. Nicht für ein Maybebop-Weihnachtskonzert, finde ich. „Außerdem“, rechne ich mir logisch vor, „kann ich danach beim Frankfurter Sohn übernachten und ihn am nächsten Tag für seine freien Urlaubstage mit nach Hause nehmen.“ Ob das so klappt, ist fraglich, aber es hilft mir bei der Entscheidung.

Neustadt hat eine hübsche Innenstadt und einen hübschen Weihnachtsmarkt, auf dem für den frühen Nachmittag schon viel los ist. Erstaunlicherweise gibt es fast nur Stände mit Essen und Getränken, nur sehr wenige mit Zeugs wie Schmuck oder Kochgerätschaften und gar keine mit billigem Kram. Das gefällt mir gut, auch wenn ich keine Expertin für Weihnachtsmärkte bin.

Ich suche mir lieber ein kleines Café, die „schwarze Katze“, in dem ich nicht nur außergewöhnlich nett empfangen werde, sondern auch einen sehr leckeren schwarzen Tee mit Milch, geriebenem Ingwer und Schokoladenpulvertopping bekomme. Schokoladenpulver auf Tee – ich hätte gedacht, dass es nicht passt, aber es ist total gut.

Danach treffe ich mich mit zwei weiteren Konzertgängerinnen, die ich bisher nur aus einem Forum kenne, und wir gehen zusammen essen und erzählen. Auch das ist sehr schön. Es ist erstaunlich, wie schnell man vertraut sein kann, auch wenn man sich eigentlich kaum kennt.

Das Maybebop-Konzert ist wieder eine große Freude. Mir fällt auf, dass es nicht ganz besonders gut ist, weil es ein Weihnachtskonzert ist, sondern dass alle ihre Konzerte ganz besonders gut sind. Ob mit oder ohne Weihnachten. Ich freue mich über den großartigen A-cappella-Gesang, die anscheinend grenzenlosen musikalischen Fähigkeiten, über den Wechsel vom toten Weihnachtsmann, übermäßigen Alkoholkonsum und maßloser Beleuchtung in „der hellsten Villa der Stadt“ zu berührenden, leisen, wunderschönen Liedern, bei denen mir beim Zuhören vor absoluter Entspannung und Seligkeit der Unterkiefer langsam aufgeht. Wenn ich debil auf die Bühne starre, bin ich gebannt und glücklich.

Nach dem Konzert fahre ich nach Frankfurt, finde in der völlig zugeparkten Straße den einzig freien Parkplatz genau vor dem Haus, in dem der Sohn wohnt, wir plaudern noch ein Stündchen, dann falle ich auf die ausgelegte Gästematratze und schlafe sofort ein. Vermutlich immer noch freudig lächelnd.