Blog 875 – 02.02.2025 – Hörprobleme, Gewusel und Herzwärme
Am Sonntag wird mein Vater 89. Üblicherweise kommen am Vormittag seine Freunde und Bekannten uneingeladen vorbei, gratulieren und sitzen eine Weile zusammen. Früher gab es Bier und Schnaps, inzwischen sind Kaffee und Schnittchen angesagt. Am frühen Morgen bekomme ich in der Bäckerei zum Glück noch genügend Kaviarbrote, die ich vergessen hatte zu bestellen, so dass es nicht nur Aufschnitt mit Deko, sondern auch Brot darunter geben kann. Dann heißt es Schnittchen belegen und Kaffee kochen. Die Gäste kommen, es wird geplaudert und gelacht und ich erlebe Loriot-Szenen beim Sitzen zwischen drei Schwerhörigen.
A zu B: „Kannst du noch hören?“
B: „Was?“
A zu B: „OB DU NOCH HÖREN KANNST?“
C zu A: „Er hört nichts.“
A: „Was?“
C zu A: „ER HÖRT NICHTS!“
Um 15 Uhr fahre ich nach Hause, eine Platte mit übriggebliebenen Schnittchen im Gepäck. Hat alles gut geklappt, mein Vater ist sehr erfreut.
Das neue Kaninchen und das alte sind ein gutes Team. Sie sind so neugierig, dass sie das Saubermachen des Geheges erschweren, weil sie alles ganz genau mitkriegen müssen. Ich muss aufpassen, wo ich den Fuß aufsetze, den Besen abstelle und das Stroh hinwerfe, weil meistens in diesem Moment ein Kaninchen dort sitzt. Wenn es nicht gerade auf mir herumklettert. Was für ein niedliches Gewusel. Die Arbeit dauert länger, aber ich mag es sehr.

Ich finde ja, dass Kaninchen unterschätzt werden. Sie sind manchmal etwas blöd, generell aber neugierig und abenteuerlustig. Manche sind sogar erstaunlich schlau. Ich erinnere mich gerne an Emma, ein großes weißes, ehemaliges Laborkaninchen, das mir mal an der Straße entgegenkam, als ich aus dem Auto stieg. Vom Freigehege im Garten bis zur Straße ist es ein recht weiter Weg. Ich sah sie und rief verblüfft aus: „Emma! Was machst du denn hier?“ Sie stockte, guckte mich an, drehte um und hoppelte zügig den Weg zurück. Als sie hinter der ersten Kurve verschwand, folgte ich ihr, konnte sie aber nirgendwo mehr entdecken.

Suchend ging ich durch den Garten und fand sie im Freigehege, in dem sie saß, Heu kaute und harmlos guckte. Irgendwie musste sie es über den Zaun geschafft oder ein Loch gebuddelt haben. Ich fand es nie heraus, was mich vage befürchten ließ, sie sei schlauer als ich. Schon dass sie wusste, dass sie nicht außerhalb des Geheges sein sollte und sehr zielgerichtet den nicht ganz unkomplizierten Weg zurückgehoppelt war, fand ich großartig. Allerdings hatte ich ab da immer das Gefühl, dass sie heimlich durch den Garten und auch über die Straße lief, sobald sie wusste, dass ich das nicht merkte. Wer weiß, was sie als Laborkaninchen so alles durchschaut und kombiniert hatte.
Am Mittwoch habe ich meinen üblichen „Vater-Tag“, am Freitag fahre ich schon wieder hin, weil ich ihn zum Zahnarzt begleiten muss. Dort stellt sich heraus, dass es demnächst noch „drei bis vier“ weitere Termine geben wird. „Kein Problem“, sagt mein Vater. „Oh je“, denke ich. „Da muss ich ja jedes Mal wieder zu ihm fahren und verliere immer einen halben Tag.“ Außerdem müssen Anträge ausgefüllt und eingereicht werden, was auch an mir hängenbleiben wird. Na, geht nicht anders.

Am Samstag treffe ich mich in einer Nachbarstadt mit einem Freund. Er ist kein ganz privat enger Freund, den ich ständig sehe, aber wir kennen uns seit vielen Jahren und er liegt mir schon sehr am Herzen. Es ist schön, ihn zu treffen und auf dem Weg durch die Fußgängerzone von ihm auf die Sehenswürdigkeiten der Kleinstadt hingewiesen zu werden, die eigentlich nicht vorhanden sind. In aller Ruhe sitzen wir dann im Café und unterhalten uns, auch über gesundheitliche Probleme, die er gerade hat. „Bei Ihnen alles in Ordnung?“, fragt der Wirt plötzlich von der Seite und möchte damit wissen, ob wir noch etwas bestellen wollen. „Ja,“, antworte ich lächelnd und wünschte, es wäre so. Bei Ihnen alles in Ordnung? Wie unpassend so eine Frage plötzlich sein kann. Und erst recht die Antwort: Ja. Aber das Treffen ist vertraut, herzwarm und tut gut.

Am Abend bereite ich mein Kostüm und das Essen für den nächsten Vormittag vor, an dem das Krimidinner stattfinden wird. Wir werden brunchen, was die Auswahl eines Mitbringgerichtes einfach macht. Ich werde rollengemäß ein Dirndl tragen, was für mich dann doch eher ungewöhnlich ist. Vielleicht mache ich dann irgendwann mal mein Jodeldiplom. Vielleicht aber auch nicht.