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Blog 878 – 23.02.2025 – Demokratie, Stadt, Garten und Horst Evers

Wegen der Drecks-AfD, und damit demokratische Politiker, die gewählt werden möchten, sehen, dass es viele Menschen gibt, die NICHT auf rechte Propaganda stehen, stehe ich am kalten Sonntag für die Demokratie auf dem Marktplatz. Ich würde lieber was anderes machen, aber es wird immer wichtiger, ein buntes Gegenbild zu den lauten, blau-braunen Rechten zu zeigen. Ja, ich weiß, bla bla, nicht alle AfD-Wähler sind Nazis, bla bla, aber wer eine rechte Partei, die Nazisprüche macht und die auch so meint, wählt, wählt Nazis. Oder wie es heißen könnte: „Wähler, die 2025 AfD wählen, hätten sich 1933 auch für die NSDAP interessiert.“

Es gäbe die Möglichkeit, einen großen Teil der Wähler wieder in demokratische Bahnen zu holen, wenn die aktuell Regierenden vernünftig und miteinander für die Bevölkerung und das Land arbeiten würden, aber leider beschäftigen sie sich in ihrer Arbeitszeit zu viel mit dem Gegeneinanderkämpfen und der Selbstdarstellung. In jedem Kindergarten würde man sie deutlich zurechtweisen. Dass sich viele Bürger nicht verstanden fühlen und einen Regierungswechsel wollen, ist zu verstehen. Dass ein Teil davon auf markige Sprüche und falsche Behauptungen zustimmend reagiert, nicht zu fassen. Menschen, die sich nicht informieren und die nicht nachdenken wollen, und vor allem Männer fallen auf rechtes Geschwafel rein. Dumme Männer scheinen eines unserer Hauptprobleme zu sein. Generell.

Jedenfalls stehe ich warm angezogen auf dem Marktplatz und demonstriere für Demokratie und gegen rechts. Die Stimmung ist gut und es gibt allen viel Zuversicht, wieder deutlich zu sehen, dass die Rechten nur so groß wirken, weil sie laut sind, die zivilisierte und kluge Bevölkerung aber weiterhin in der Mehrheit ist. Laut Prognose kann die AfD heute 20 Prozent erwarten. Das ist schlimm genug, aber es heißt auch, dass 8 von 10 Wählern NICHT die AfD wollen.

Stephan Brings ist bei der Demo wie im letzten Jahr mit einem kleinen Auftritt dabei. Er quetscht den Termin in seinen übervollen Terminkalender, denn in der laufenden Karnevalssession ist er mit „Brings“ von einem Saal zum anderen unterwegs. „Ich muss gleich weg zur nächsten Mädchensitzung“, grinst er, nimmt sich aber die Zeit, um sich überzeugend für Demokratie und Freiheit einzusetzen. Toller Typ, tolle Stimme.


In der letzten Woche war ich noch in Berlin, wo ich mich geschmeidig ins Stadtleben einfügen konnte. Ich kann lässig U-Bahn fahren, mich unaufgeregt zwischen vielen Menschen aufhalten und mich auf langen Betonstraßen und zwischen mehrstöckigen Häusern bewegen. Für einige Tage finde ich das anregend und schön. Im Inneren merke ich aber, dass ich mich meiner Umgebung anpasse und nicht mehr ich selber bin. Ich verschmelze nicht mit der Stadt, ich füge mich nur ein. Dass ich in so einer engen und vollen Umgebung beständig Input bekomme, aber keine innere Ruhe für Output habe, wäre auf Dauer nicht gut für mich.

Als ich in dieser Woche in meinem Garten bin und spontan den Häcksler anwerfe, spüre ich den Unterschied. In Städten bin ich eine Besucherin, im Garten bin ich ICH. Die Sonne scheint, einige frühlingsfrühe Vögel zwitschern, die ersten rückkehrenden Kraniche sind zu hören, ich schneide Zweige zurecht, stopfe sie mit behandschuhten Händen in den Häcksler – und bin gedankenlos, zufrieden, glücklich. Komplett geerdet. Im Garten bekomme ich Kraft und Energie. Sogar wenn ich arbeite.

Aber die Mischung macht es. Zwischendurch mal kurz verreisen, Stadtluft atmen, Theater und Konzerte erleben, Zuhause die weite Welt im Internet haben und hinter dem Haus einen Garten, in den ich eintauchen kann und einfach BIN.

Im offenen Grillhaus liegt der Teil eines Schmetterlingsflügels. Die Farben strahlen und er sieht wie neu aus. Der dazugehörende Schmetterling scheint den Winter aber nicht geschafft zu haben. Schade. Der Anblick ist hübsch, aber auch traurig.


Kaum habe ich für meinen Vater alle Unterlagen für seine Zahnbehandlung zusammengeholt, eingescannt und mit Anschreiben an die Zahnzusatzversicherung geschickt, kommt von seiner Krankenkasse ein Schreiben mit völlig anderen Zahlen. Ich frage bei der Krankenkasse nach. Sie hat vom Zahnarzt einen neuen Kostenvoranschlag bekommen. Ich weiß von nichts. Beim Zahnarzt heißt es: „Ja, der ist neu.“ Ich: „Ich habe gerade alles der Zusatzkasse eingereicht, dann stimmen die Zahlen ja nicht mehr.“ „Nein, die sind jetzt anders. Da müssen Sie nochmal neu schicken. Sie können vorbeikommen und die Unterlagen in der Praxis abholen.“ Ich blicke da nicht mehr durch, werde aber darauf achten, dass die Behandlung erst startet, wenn ich sicher weiß, wie hoch der Eigenanteil meines Vaters ist.


Der Papa-Mittwoch ist wieder komplett ausgefüllt mit Hausarztkontrollbesuch plus Wartezeit, Einkaufen, Medikamente in der Apotheke holen, Getränkemarkt, viel Papierkram, längerer Sucherei nach Eintrittskarten, die da sein MÜSSEN, die, wie es sich herausstellt, aber gar nicht da sein KÖNNEN, und dem Besuch der Zahnarztpraxis.

Es ist echt anstrengend. Ich komme inzwischen jeden Mittwochabend müde und erschöpft nach Hause, und blöderweise brauche ich den halben nächsten Tag, um wieder einigermaßen Energie zu haben. Da sitze ich diesmal aber schon wieder am Schreibtisch und kläre für meinen Vater Sachen, telefoniere viel herum, warte auf Rückrufe und schreibe Briefe für ihn.


Für den nächsten Abend habe ich eine Karte für Horst Evers in der Kölner Comedia. Das letzte Mal war ich vor Corona bei einer seiner Vorstellungen, also schon viel zu lange her. Ich würde ihn schon sehr gerne wiedersehen, aber – och, nee – ich muss dafür mit dem Auto nach Köln fahren, früh genug, damit ich einen Parkplatz finde, dann ist die Vorstellung, die mir bestimmt gefällt, aber dann muss ich wieder nach Hause fahren und bin erst spät wieder da. Dass ich überhaupt so denke, zeigt, wie überlastet ich mich fühle. Natürlich fahre ich trotzdem los. Die Karte ist bezahlt und spätestens am nächsten Tag würde ich mich ärgern, aus Bequemlichkeit die Vorstellung verpasst zu haben. Aber reine Freude sieht weniger müde aus.

Und wie es dann so ist, verläuft die Fahrt problemlos, ein Parkplatz ist schnell gefunden und das Programm und Horst Evers sind so gut, dass ich die ganze Zeit grinse, laut lache, leise lache und unaufhaltsam dauerlächle. Sieh mal an, auch so kann ich mir Energie holen. Einen wahren Energie-Shot. Mit einem äußerst angenehmen, lustigen, vertrauten, warmen und dauerdurchgelächelten Abend bei Horst Evers. Wie schön!


Auch am nächsten Tag bin ich noch energiegeladen und gut gelaunt unterwegs. Wäsche waschen, Telefonate für meinen Vater machen, im Garten häckseln, Bericht über die Horst-Evers-Vorstellung schreiben – was eben so anfällt. Der Shot wirkt weiterhin.

Die Woche endet mit einem Kästner-Abend im heimischen „Studio 93“, an dem kritische und politische Texte von Kästner aus den 30er Jahren vorgelesen werden. Das passt erschreckend genau in die jetzige Zeit. Ich kenne die meisten Texte schon, darum überrascht mich nichts, aber wie es auch bei den Demos gegen Rechts ist, es sind nur die Leute da und hören zu, die nicht aufgerüttelt werden müssen, weil sie sowieso so denken.

Heute ist Wahltag. Das Ergebnis wird ziemlich sicher keine einfache Politik für die Zukunft ergeben. Merz wird Kanzler werden, ein Mann, der für mich der typische „weiße, alte Mann“ ist, der rückwärts denkt, in alten Männermustern handelt, den Klimawandel nicht ernst nimmt, populistische Sprüche raushaut und auch in Zukunft mit der AfD arbeiten wird, wenn er damit seine Ziele durchsetzen kann. Werft Hirn vom Himmel. Und Empathie. Und mal wieder tatkräftige, mitreißende, überzeugende Politiker und Politikerinnen an die Spitzen, damit sich vor der nächsten Wahl alles demokratisch normalisiert hat.