Blog 781 – 16.04.2023 – Grünes, Buntes, Eifelabenteuer und Lars Reichow
Der Sohn muss nach seinem minikurzen Osterurlaub zurück nach Frankfurt. Dort angekommen, laufen wir zu einem thailändischen Restaurant. Das liegt etwas unauffällig im Erdgeschoß eines hohen Hauses und kann nur betreten werden, wenn man vorher am Gartentor klingelt, damit jemand kommt und das Tor aufschließt. Das klappt zwar einwandfrei, wird aber viele spontane Besucher abhalten. Liegt das Abschließen des Tores an der Hausordnung oder gibt es eine thailändische Mafia, die man draußen lassen möchte? Angst vor einer Ex-Frau, die kommen und die Töpfe mitnehmen könnte? Es kann eine spannende Geschichte dahinter stecken. Oder auch nicht.
Das Restaurant sieht innen nüchtern wie eine einfache Kantine aus, aber das Essen ist sehr gut und dafür lohnt sich ein Besuch. Alles ist frisch gekocht und das Gemüse gerade gar und noch leicht knackig. Mjammi. Schon die Vorspeisensuppe mit Gemüse in Kokosmilch ist toll. Da werden wir bestimmt noch öfter hingehen.
Im Garten wird es jeden Tag grüner und schöner. Vor einigen Jahren habe ich mich eindringlich ermahnt, nie wieder größere Projekte oder längere Terminblöcke in die Monate April und Mai zu legen. Eine gute Entscheidung! Abgesehen davon, dass mein Garten in diesen beiden Monaten ohne tatkräftiges Eingreifen gewaltig zuwuchern und später nur schwer wieder zu bearbeiten wäre, macht es mir einfach große Freude, jeden Tag die Veränderungen zu erleben. Alles sprießt, wächst, explodiert, das Grün ist strahlend und hat noch keine Trockenschäden und es ist wie der Beginn eines neuen, spannenden Jahres. Ganz alleine laufe ich durch den Garten, grinse vor mich hin und freue mich sehr über Grünes und Buntes und überhaupt.
Auch das Tulpenmeer wird immer noch mit jedem Tag bunter. 150 Blüten zähle ich, von denen die ersten bald schon verblüht und die letzten kurz vor dem Aufblühen sind.
Der Sommer kommt und die Reifen müssen gewechselt werden. Es ist ja von der Sache her nicht schwer, aber das Reifenschleppen hin und her ist schon anstrengend. Zwischendurch gibt auch noch der Wagenheber auf und will nicht mehr richtig hochpumpen, was wir durch Umparken des Autos an eine Stelle, an der die Fahrbahndecke geflickt und damit unter dem Wagenheber zwei Zentimeter höher ist, ausgleichen können. Merke: Dreckige Finger gibt es nicht nur bei der Gartenarbeit. Und: Damenhafte Fingernägel kann ich in meinem Leben gar nicht gebrauchen.
Unsere Fipsi ist immer noch nicht da. Sie brütet – sagen wir uns. Was ja tatsächlich möglich ist. Es sind außerdem immer noch auffallend wenig Weibchen unterwegs, inzwischen werden es aber wieder mehr. Manchmal fliegt ein Spatz draußen auf mich zu, dann halte ich kurz die Luft an, aber bisher fliegen alle möglichst schnell vorbei und zeigen keinerlei Freude, dass ich in ihrer Flugbahn stehe. Die Möglichkeit, dass Fipsi bei der Kükenaufzucht scheu geworden ist und jetzt instinktmäßig nicht mehr zu Menschen fliegt, halte ich für unwahrscheinlich. Sie würde mich eher als natürliche Futterquelle für ihren Nachwuchs sehen. Vielleicht sucht sie eine Küche, in der ihre Kleinen fliegen lernen können?
Am Samstag fahre ich nach Daun, wo Lars Reichow mit „Ich“ auftritt. Daun, das ist gar nicht so weit weg von uns, meine ich. Ich hätte mal weniger meinen und dafür auf eine Karte gucken sollen. Es zieht sich nach Verlassen der Autobahn nämlich ganz schön durch die hügelige Eifelpampa. Vor allem, weil mein Navi ebenfalls meint, es wisse alles, aber weder die neu gebaute Abzweigung nach Daun, noch die große Straßensperrung kennt. „Links“ sagt es, aber da ist gesperrt und es geht nur geradeaus oder nach rechts. „Neuberechnung“ sagt es jedes Mal in vorwurfsvollem Ton, als wäre ich zu blöd zum Autofahren.
Viele Kilometer lang fahre ich über schmale, anscheinend niemals irgendwo ankommende Straßen, die nur für eine Autobreite gebaut sind, aber Gegenverkehr haben. Gleich neben der Fahrbahn geht es runter in einen Graben. Wer Abenteuer sucht, muss nur Richtung Daun fahren.
Das „Forum“ in Daun hat am Eingang nur das Schild „tourist information“ und ist nicht sofort als Forum zu erkennen. Es muss es aber sein. Als ich ins Foyer trete, sitzen dort vier wartende Leute, die mich ernst und regungslos angucken. „’n Abend!“ grüße ich freundlich. Sie blicken mich weiterhin nur ernst und regungslos an. Oh je. Ich mag die Eifel sehr, aber manche Leute können dort speziell sein.
Der Saal füllt sich nur langsam, es gibt Platzkarten, da kann man sich Zeit lassen. Das Publikum ist mehrheitlich im Seniorenalter. Zwischendurch mal ein paar etwas jüngere Leute, aber ich habe doch ein sehr starkes Kurpark Baden-Baden-Gefühl. Mit Eifel. Puh! Die muss man bei einer Veranstaltung erstmal in Stimmung kriegen. Aber was mache ich mir Sorgen. Lars Reichow kommt auf die Bühne, plaudert lässig über Daun und den doch ziemlich langen Weg dorthin, macht Bemerkungen über das Forum – und das Publikum lacht los und ist locker drauf. Bei seiner ersten Erzählung sind die ersten kollernden Lachanfälle zu hören. Es läuft sofort.
Ich sitze in der Vorstellung, lächle, grinse, applaudiere und freue mich einfach. Was ist so gut an Lars Reichow?, überlege ich. Er plaudert so locker, humorvoll und treffend, antworte ich mir. Und seine erzählten Geschichten sind nicht nur gut erzählt, sondern auch total komisch, was verstärkt wird, weil er beim größten Unsinn, den er erzählt, total seriös wirkt. Und er singt wunderbar – hach, diese leicht rauhe Stimme! Er kann lustig und schnell singen, aber auch sanft, ernsthaft und berührend. Und er spielt sehr gut Klavier, zwischendurch auch schön jazzig. Er geht sehr sicher und gut mit der Sprache um. Er lässt sich Zeit – wenn er nicht gerade unglaublich schnell singt – und er kann Pausen und Timing. Er ist schlagfertig und spontan. Und er macht klare Aussagen zur Politik, führt vor, legt bloß, macht sich lustig, was mir auch darum gefällt, weil meine Meinung mit seiner komplett übereinstimmt. Er strahlt Optimismus aus. Singen, sprechen, erzählen, lustig und ernst sein, Liebe, Weltpolitik, die finnische Sprache, das britische Empire, Daun – alles ist drin.
Jedenfalls sitze ich in der ersten Hälfte der Vorstellung, lächle, grinse, applaudiere und freue mich. Zack, rum, Pause. In der zweiten Hälfte lächle ich, grinse, applaudiere und freue mich. Zack, fertig. Wenn es so viel Spaß macht und immer interessant bleibt, geht die Zeit blitzschnell rum. Ich hätte noch zwei Stunden weiter zuhören, lächeln, grinsen und applaudieren können. So so gut!
Danach fahre ich durch die sehr dunkle Eifel, diesmal auf kurvigen, aber eindeutig zweispurigen Straßen, zurück bis zur Autobahn und von dort gut nach Hause. Immer noch lächelnd, aber nicht mehr applaudierend. Wäre ja auch blödsinnig.