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Blog 789 – 11.06.2023 – Pläne, Einarmige und Splatterfilm

Als ich mir am letzten Wochenende nach dem Maybebop-Konzert die „Die Gedanken sind frei“-CD signieren lasse, die ich sehr mag, fragt Lukas: „Was macht das Puppenspielen?“ Ich antworte leichthin: „Ruht noch. Corona hat mich aus der Bahn geworfen.“ Daraufhin lachen die Maybebops und sagen amüsiert: „Ach?“, weil sie wissen, wovon ich spreche. Mir geht die kurze Frage trotzdem nach. Ich wollte doch schon lange wieder mit einem Puppenstück am Start sein und bin es immer noch nicht. Was ist los?

Es ist ja nicht so, dass ich zu träge bin oder lieber im Liegestuhl hänge. Ich habe Wasserleitungen gelegt, Holzdecken montiert und gestrichen, die Küche renoviert und im Garten gesägt. Bis zum letzten Sommer brauchte meine Mutter etwas Unterstützung, inzwischen mein Vater. Es ist immer so viel los, dass ich mir extra wieder meinen wöchentlichen „Kreativtag“ eingerichtet habe, an dem ich weder Hausarbeit mache noch koche noch irgendwelche Bauarbeiten mache, damit ich zumindest an einem Tag der Woche konzentriert an eigenen kreativen Sachen werkeln kann.

Nach einigem Nachdenken über die Situation bin ich trotzdem beruhigt. Ich schreibe gerade an einem längeren Theaterstück für Menschen, für das ich sogar während der Wartezeit vor dem Maybebopkonzert Sätze in mein Notizbuch schreibe, klopfe Figuren aus Steinen, habe eine Klappmaulpuppe in Arbeit und ein neues, kleines Puppentheaterstück ist fast fertig geschrieben. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann ich wieder mit einem Puppenstück auf der Bühne stehe. Der Anstoß von Lukas ist aber vielleicht ganz gut, damit ich mal wieder fokussierter auf das Puppenspielen blicke und ein Ziel plane.

In dieser Woche aber noch nicht, da ist anderes zu tun. Der Gatte war am letzten Freitag mit seinem eingeschränkt nutzbaren Handgelenk bei einer Untersuchung, und der Arzt sagte beim Betrachten: „Oh, das muss aber dringend gemacht werden! Haben Sie am Montag Zeit?“ Und so fahre ich den Gatten gleich am Wochenanfang zu seiner ambulanten OP nach Köln. Die zweistündige Wartezeit verbringe ich herumlaufend in der Innenstadt, wo es mir zu warm, zu voll und zu laut ist. Es gibt viele Geschäfte, aber ich habe so gar keine Lust am Shoppen. Das mache ich nur gerne in Bau- und Gartenmärkten, aber die sind nicht vor Ort.

Ich freue mich, als der Gatte munter aus der Tür tritt und wir wieder fahren können. Die OP macht ihn für einige Zeit zum Einarmigen, weil die Hand geschient ist und geschont werden muss. Ich wiederum werde für einige Zeit zur Chauffeurin und übernehme alles, für das zwingend zwei zupackende Hände gebraucht werden.

Im Garten haue ich noch etwas an meiner Dame herum und erkläre sie dann für fertig. Hinten ist sie eher steinern, vorne liegt sie etwas freier. Die Anordnung der Beine gefällt mir mangels genügend Steinmaterials immer noch nicht ganz, aber die Hauptsache ist ihre lässige Haltung und ihr sehr entspannter Gesichtsausdruck.

Ich nenne sie „Sonnenbadende auf/aus Stein“. Vielleicht in den Herbstmonaten „Regenbadende“. Und im Winter „Die im Schnee sitzt“. Wobei Schnee im Rheinland ja ein seltener Geselle ist.

Am Mittwoch fahre ich wieder nach Frankfurt. Diesmal nicht nur, um den Sohn abzuholen, sondern auch, um am Abend mit ihm und mit Martin, den ich von einem Baukurs im Figurentheaterkolleg Bochum kenne, gemeinsam ein Theaterstück anzusehen. Da der Sohn die Fühler nach Frankfurter Amateurtheatern ausstreckt, bei denen er mal wieder spielen könnte, ist das eine gute Gelegenheit, in eines reinzuschnuppern.

Das Theaterstück fällt wegen Krankheit kurzfristig aus, stattdessen treffen wir uns bei Martin im Garten. Zumindest kurz, dann fahren wir von dort nach Hause – so der Gedanke. Es wird dann doch recht lang mit gemütlichem Erzählen. Als die erste Fledermaus durch den Garten kreist, machen wir uns auf die Rückfahrt und kommen kurz nach Mitternacht Zuhause an. Zu dieser Zeit wären wir auch angekommen, wenn wir das Theaterstück besucht hätten. Bleibt also alles doch im Plan.

Am nächsten Tag schleppe ich zusammen mit dem Sohn drei noch nicht fertige Steinfiguren, die bisher abwartend herumstanden, an meinen Steinhauplatz ganz oben im Garten. Da sind Meißel und Klöpfel griffbereit und ich kann einfach mal einige Minuten oder auch mehrere Stunden bildhauern, ohne dass ich jedes Mal Vorbereitungen treffen oder hinterher durchkehren muss.

Als erstes kommt meine „Blumenfrau“ auf den Schlagklotz. Die steht schon ziemlich lange rum, soll noch deutlich zierlicher werden und später Steingartengewächse in den Armen haben. Plötzlich sehe ich, dass durch einen Arm ein Riss geht. Ausgerechnet an einer sowieso kritischen Stelle, an der ich noch viel hämmern muss. War der schon vorher da? Er sieht jedenfalls nicht neu aus. Vielleicht höre ich bald ein leises „knacks“ und danach habe ich eine einarmige Blumenfrau. Ist mir ja so ungefähr vor kurzem mit dem „Fisch“ passiert, der nach dem Abbrechen der Schwanzflosse zur „Bombe“ wurde.

Nicht am Stein klopfen ist keine Option. Was wegbricht, bricht weg. Und schon hämmer ich los. Zumindest eine halbe Stunde. Sogar spontan kann ich bei einer Runde durch den Garten einfach mal dort stehenbleiben und fünf Minuten klopfend und staubend an meiner Blumenfrau arbeiten.

Kreativ an Figuren arbeite ich ja. Ich könnte überlegen, ob ich mir ein Ensemble aus Steinfiguren haue und mit dem Puppenspielthema verbinde. Ächz, wums, 20-Kilo-Steinfigur hochheben und auf den Tisch knallen lassen – „Hallo, Kinder, ich bin die Blumenfrau!“ – keuch, keuch. „Und hier …“ keuch, wucht, „… kommt die …. uah … Prinzessin“ krach.

Am Samstag bin ich bei der Frühjahrs-Aufräumaktion der Mitglieder des heimischen Theater-Kulturvereins „Szene93“. Bei knallender Sonne streiche ich zweieinhalb Stunden lang mit roter Lackfarbe das große Metall-Eingangstor. Als ich fertig bin, ist meine Körpertemperatur gefühlt auf 80 Grad angestiegen und ich sehe aus, wie aus einem Splatterfilm entkommen.

Die Farbe auf den Armen und aus dem Gesicht geht Zuhause mit Spezialpaste aus dem Baumarkt gut ab, nur einige Spritzer in den Haaren haben stark abgefärbt. Jetzt habe ich einige rote Highlights, was ältere Frauen gerne als vermeintlich „flott und jünger machend“ beim Friseur einfärben lassen. Oh je. Kann ich bei dieser Hitze mit Mütze rumlaufen?

Den Nachmittag und Abend verbringen wir zu viert im Sommerferienmodus. Beide Jungs sind da, es ist heiß, der Garten ist grün, auf der Wiese steht ein Zelt, in dem einer der Söhne schläft, wir laufen barfuß, spielen Brettspiele im schattigen Hof und grillen auf dem Grillplatz. Alles sehr entspannt und wunderbar. Erstaunlich, wie so viel Sommerferiengefühl in ein ganz kurzes Wochenende passt!