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Blog 836 – 05.05.2024 – Buntstifte, Handarbeitsbeutel und Schwertlilien

In der letzten Woche entdecke ich in meinem Arbeitszimmer eine Schachtel, in der ich irgendwann mal Buntstifte deponiert habe. Ich denke: „Noch mehr Buntstifte? Ich habe doch schon alle Farben doppelt und dreifach! Da muss ich dringend mal aufräumen! Aber wohin damit?“ Etwas genervt legte ich die Schachtel erstmal wieder weg. Am Samstag, während wir im Theater aufräumen, sagt jemand in die Runde: „Wer übrigens noch Buntstifte übrig hat, die kann ich an einer Schule brauchen, wo nicht alle Kinder eigene Buntstifte haben.“ Das kann kein Zufall sein – ist es aber. Am nächsten Tag sortiere ich meine Stifte, behalte nur einige für mich und gebe die anderen frisch angespitzt ab. Selten erledigen sich Aufräumprobleme so schnell und mit gutem Gefühl.


Am Montag findet die Beerdigung meiner Tante statt. Es ist seltsam, dass sie jetzt nicht mehr da ist, denn sie gehörte schon immer zu meinem nahen Familienumfeld. Aber einfach war es für sie in den letzten Jahren nicht mehr, es gab immer wieder gesundheitliche Tiefs, und so sind wir auch alle froh, dass sie es nun geschafft hat.

Nach der Beerdigung, wir sitzen schon länger in einem Restaurant und die ersten Gäste sind schon wieder aufgebrochen, kommt ein etwas aufgelöstes, altes Paar an, das es wegen der aktuell abgesperrten Straßen und nicht befahrbaren Kreuzungspunkte in der Stadt nicht rechtzeitig zur Beerdigung geschafft hat. Sie kennen sich im Ort nicht aus, kamen mit dem Auto einfach nicht ans Ziel, haben immer wieder nach dem Weg gefragt und wurden vor die nächste gesperrte Straße geschickt. Es stellt sich heraus, dass sie aus Köln kommen und die Frau eine enge Schulfreundin meiner Tante war. Seit 77 Jahren hatten sie Kontakt und telefonierten immer noch regelmäßig. 1947 besuchten sie, beide elfjährig, eine Schule mitten in Köln, an der eine Außenwand fehlte und ein Teil des Gebäudes eingestürzt war, wie die Frau erzählt. Zeitgeschichte. Bei ihr laufen immer wieder Tränen, weil sie – im Gegensatz zu uns anderen, die sich auf das Sterben meiner Tante vorbereiten konnten – erst durch die Anzeige vom Tod erfahren hat. Für sie ist ihre langjährige Kinderfreundin und damit ein Teil ihrer eigenen Jugend und ihres Lebens plötzlich weg. „Sie konnte so schön singen. Ich weiß noch, wie sie damals vor der Klasse stand und gesungen hat!“, sagt sie und greift nach dem Taschentuch. Nach einer Tasse Kaffee, etwas Kuchen und dem Erzählen von früheren Zeiten geht es ihr deutlich besser. „Das hat gut getan“, sagt sie beim Verabschieden. „Der schwere Druck auf der Brust ist jetzt weg.“ 77 Jahre lang befreundet, puh.


Am Abend wird im Theater nicht geprobt, sondern alles für die Aufführungen vorbereitet. Die Bühnenwände werden passend behängt, die kleine Garderobe von den letzten abgestellten Kartons befreit und Platz für zehn Mitspielende gemacht, Lautsprecher aufgebaut und alle Arten von Kabeln verlegt.

Es ist sehr klasse, dass es die Vereinsbühne gibt, aber ungünstig, dass alle Gruppen immer wieder mit Licht und Ton arbeiten, aber niemand sich fürs Ordnen und Aufräumen zuständig fühlt. Seufzend entwirrt ein technikerfahrener Darsteller Stränge aus verwickelten Kabeln. Er arbeitet sich durch lange und kurze, aufgerollte und offene Kabel, ordnet sie und sortiert die defekten aus. Es ist schon frustrierend, dass wir diese Arbeit jedes Mal machen müssen, wenn wir mit einer eigenen Produktion dran sind. Aber natürlich haben viele der Verwender wenig Ahnung, stecken versuchsweise zusammen und probieren, was rauskommt. Beim Licht geben die jetzt vorhandenen Scheinwerfer ein hartes und gar nicht so helles Licht. Die alten Scheinwerfer, die wir versuchsweise dazuhängen, sind deutlich besser, aber nicht mehr alle in Ordnung. „Der hier leuchtet nur grün, der hier nur rot und der hat kein Gebläse mehr“, bietet der temporäre Lichteinrichter an. Auch am Mischpult funktioniert nicht mehr alles. Na ja, wir müssen mit dem arbeiten, was da ist. Zum Glück hat die Regie nichts Aufwändiges mit Licht und Ton geplant.


Weil wir zur Garderobe offene Türen brauchen und trotzdem den Blick hinein verhindern wollen, möchten wir Bühnenvorhänge in die vorhandenen Deckenschienen einfädeln. Leider scheint durch die vorhandenen dünnen Stoffteile noch Licht, die lichtdichten schweren Vorhänge haben keine Möglichkeit zum Einhaken von Gardinenröllchen. Ich nehme zwei der schweren Stoffteile mit und nähe ihnen Gardinenbänder an. Die Gardinenbänder liegen seit Jahren als Fehlkauf in meiner Schublade und ich bin sehr glücklich, dass ich sie jetzt verwenden kann und dann los bin. Schon wieder geht das Aufräumen von Überflüssigem wie von alleine. Auch mein übergroßer Vorrat an Nähmaschinennadeln schrumpft, denn zwei brechen beim Arbeiten an dem dicken Stoff ab.

Außerdem nehme ich ein Stück Stoff aus meinem Vorrat und nähe daraus einen altmodischen Handarbeitsbeutel für das Theaterstück. Schon wieder etwas wegbekommen, wobei mir das in diesem Fall nicht so leicht fällt, denn den Stoff hätte ich gerne mal als Kleid für eine Klappmaulpuppe vernäht. Aber er passt am besten und dann muss es so sein. Der fertige Beutel gefällt mir allerdings so gut, dass ich ihn nach seinem Einsatz zum Aufenthaltsort meiner zu strickenden Socken machen werde.


Der Mai ist der allerschönste Monat im Garten. Jetzt sind die Schwertlilien da. Als Kind waren das für mich äußerst exklusive Blumen, die ganz bestimmt nicht in „normalen“ Gärten vorkamen – jetzt kommen sie bei mir in jedem Jahr üppiger raus, ohne dass ich irgendetwas dafür tun muss. Außerdem weiß ich jetzt, dass es extrem pflegeleichte Anfängerblumen sind.


Am Samstag und am Sonntag haben wir ein Probenwochenende am Nil. Ganztägig. Mit Kostümen. In einer Woche ist Premiere.