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Blog 840 – 02.06.2024 – Rudern, virtuelles Demolieren und Nilfahrten

Die Wochenenden sind vorerst mit der Fahrt auf dem Nil belegt. Auch wenn die Vormittage frei sind, fühlen sie sich nicht frei an, denn ich gucke immer wieder auf die Uhr. Spätestens mittags muss ich die Haare aufdrehen und hochstecken, mich schminken und drei Stunden vor Vorstellungsbeginn zum Theater fahren. Das ist aber völlig in Ordnung so. Dafür gibt es intensives Theatergefühl und eine Gruppe, mit der es Spaß macht, ein Stück zu spielen und Zeit miteinander zu verbringen.


Am Mittwoch bin ich wie üblich am Vormittag bei meinem Vater, erledige für ihn einige Sachen, mache mit ihm eine Packliste für seine anstehende Urlaubsfahrt und koche Mittagessen. Danach fahre ich zwei Stunden weiter nach Frankfurt. Im Gepäck ein Rudergerät, das sich der Sohn zu uns bestellt hat. Es ist in zwei Paketen verpackt, von denen eins nicht nur unhandlich groß, sondern auch ziemlich schwer ist. Lasse ich es im Auto, bis der Sohn in ein, zwei Stunden von der Arbeit kommt, oder versuche ich, es alleine in den zweieinhalbten Stock zu schleppen? Natürlich versuche ich es. Keuchend wuchte ich es stufenweise nach oben, was nicht sehr elegant und sportlich aussieht, aber erfolgreich ist. Elegant und sportlich wird man wohl erst nach regelmäßigem Rudern, nicht schon beim Schleppen des Gerätes.

Als der Sohn kommt, rätseln wir über die textarme Aufbauanleitung mit den winzigkleinen Zeichnungen, auf denen nicht deutlich zu erkennen ist, wann eine Mutter und wann eine Unterlegscheibe gemeint ist. Außerdem haben wir eine Menge Schrauben, bei denen nicht ersichtlich ist, wo die alle unterkommen sollen.

„Wie einfach und logisch sind dagegen IKEA-Aufbauanleitungen!“, stellt der Sohn völlig korrekt fest. Aber mit logischem Denken bekommen wir zunächst die Unterlegscheiben und Muttern in die richtige Reihenfolge und dann die Erkenntnis, dass es deutlich zu viele Schrauben gibt, weil die vermutlich bei verschiedenen Geräten in immer der gleichen Zusammenstellung in den Karton gelegt werden, aber nicht bei allen gleichmäßig gebraucht werden. Am Ende ist alles gut verschraubt, das Gerät wirkt stabil, funktioniert einwandfrei und es gibt keine vorgebohrten Löcher mehr, in die die vielen übrig gebliebenen Schrauben kommen könnten.

Oh, wie ist das Rudergerät toll! Es nimmt zwar sehr viel Platz weg – auch im geklappten Zustand -, aber beim Rudern rauscht das Wasser im Tank, als wäre man morgens früh ganz alleine auf einem Flussarm unterwegs und höre nur das Plätschern des verdrängten Wassers, das Knarren des Holzes und das eigene Keuchen. Ich rudere probeweise den Flussarm im Wohnzimmer entlang und denke: „Ich will auch so ein Rudergerät haben!“ Das wäre im Prinzip kein Problem, aber will ich den Platz in meinem Wohnzimmer dafür abgeben? Zum Rudern immer nach Frankfurt zu fahren, wäre aber auch keine Lösung. Vielleicht ein kleines Ruderboot kaufen und damit immer nach Frankfurt rudern, um zu rudern … äh … nee.


Am Abend fahre ich mit dem Frankfurter Sohn nach Hause. Am nächsten Tag ist ein Feiertag und der Gatte, der Sohn und ich machen einen Besuch beim anderen Sohn in Düsseldorf. Der ist immer noch mit seinem dicken Schreib- und Forschungsprojekt beschäftigt, hat sich aber extra etwas Zeit genommen, damit wir uns alle treffen können. Wir essen zusammen und spielen ein neues Karten- und ein altvertrautes Brettspiel.

Nach dem Essen spielt er uns Musikstücke vor, die eine KI mit Liedtexten aus meinen Kindertheaterstücken gemacht hat. Wow, das ist schon beeindruckend! Die Melodien haben meist sehr gefällige Tonfolgen und Stilrichtungen und es ist alles verblüffend gut. Es gibt Orchester und Gesang, und die meisten Versionen könnten so im Radio laufen und ich würde nicht irritiert aufblicken. Es ist etwas seltsam, die eigenen Texte plötzlich wie von Helene Fischer, einem französischen Chansonsänger oder einem ganzen Musicalensemble gesungen zu hören. Die Ergebnisse sind nicht unbedingt originell kreativ – den Humor in manchen Texten kann die KI zum Beispiel nicht verstehen und passend umsetzen -, aber so unerhört gut, dass mittelmäßige Komponierer diese Qualität nicht schaffen. Die werden demnächst auf KI zugreifen, machen sich keine eigene Arbeit mehr mit der Musik und haben bessere Ergebnisse. Nur wer ist dann der Urheber der Melodie? Bekommt die KI das Honorar, wenn der Komponist doch nichts mehr selber gemacht hat? Das wird noch Probleme geben.

Zu meiner Freude – und weil der Sohn da tief im Thema steckt -, kann ich ein Spiel mit einer neueren VR-Brille spielen, durch die ich die reale Umgebung sehe, in die gleichzeitig unreale Sachen projiziert werden.

Während ich das Zimmer um mich herum sehe, brechen Stück für Stück Teile der Wände und der Decke des Wohnzimmers raus und dahinter ist eine weite, karge Planetenwelt zu sehen. Flauschige Kugeln springen quietschend durch die Öffnungen ins Wohnzimmer hinein, hüpfen über den Tisch, rollen unter die Stühle, titschen über den Fußboden und ich muss sie mit Laserpistolen treffen, um sie einzufangen. Dabei zerstöre ich weiter Wände und Zimmerdecke des Sohnes. Ein großer Spaß! Ich bin sehr begeistert. Möchte ich nun ein Rudergerät haben oder doch lieber eine VR-Brille? Der Gatte meint weise: „Hol dir doch ein virtuelles Rudergerät!“ Das hieße, ich müsste gar nicht mehr selber rudern. Aber wer macht dann den Sport und wird fit?


Am Samstag beginnt das nächste Nil-Wochenende. Der am letzten Wochenende beschlossene Zusatztermin am heutigen Sonntag ist schon seit Mittwochabend ausverkauft. Noch immer gibt es Wartelisten und weitere Kartennachfragen. Wir schieben einen weiteren Zusatztermin ein, der in zwei Wochen unmittelbar vor der Dernière liegt, also die Vor-Dernière sein wird. Dann spielen wir erstmal die Samstags-Vorstellung mit Schwung und gutem Timing. Gegen 23 Uhr bin ich Zuhause, brösel meine betonierte Flechtfrisur auf und schminke mich ab. Ab ins Bett.

Heute startet der Nil-Tag um 11 Uhr im Theater und es wird zwei Vorstellungen geben. Eine um 14 und eine um 18 Uhr. Mal sehen, ob ich am Abend sehr müde ins Bett fallen werde oder dann total überdreht bin.


Am nächsten Wochenende ist EU-Wahl. Bitte unbedingt wählen gehen! Es ist tatsächlich wichtig und wir alle entscheiden damit die Richtung, in die die neuen EU-Gesetze gehen. Möchten wir dort Vertreter haben, die die Idee von Europa gut finden und stärken, oder rechte Nationalisten, die alles zusammenbrechen lassen, damit es wieder Einzelländer gibt? Sollen neue Energien gefördert oder abgeschafft werden? Soll die Ukraine unterstützt werden oder überlassen wir sie ihrem Schicksal und Putin? Soll das Einstimmigkeitsprinzip abgeschafft werden, damit eine Mehrheit der Länder über neue Gesetze entscheiden kann oder soll es bleiben, damit Idioten wie Orban alles durch ein einzelnes prinzipielles Veto blockieren können?

Wenn die nächsten Europa-Gesetze von hauptsächlich rechten Parteien bestimmt werden können, ist das eine Gefahr für die Demokratie und für einen europäischen Zusammenschluss. Da es keine 5 %-Hürde gibt, haben auch kleine Parteien eine Chance, als unsere Vertreter zur EU zu kommen. Also bitte am nächsten Wochenende schnell mal wählen gehen (dürfen!) und ein Kreuzchen machen bei einer Partei, die in den Fragen „Europa“, „neue Energien“, „Ukraine“ in der eigenen Richtung liegt. Und diese Richtung liegt hoffentlich bei allen drei Themen bei „Ja!“. Wenn nicht, dann lieber nicht wählen gehen. Nur so als Tipp von mir.