Blog

Blog 841 – 09.06.2024 – Gehirnzellen, Puppenszenen und Rock’n’Roll

Am Sonntag haben wir eine Nil-Doppelvorstellung mit nur einer Stunde Zeit dazwischen, ehe die nächsten Zuschauer eingelassen werden. Das ist schon anstrengend, aber es klappt sehr gut. Die Laune hinter der Bühne ist prima, und zwei Vorstellungen nacheinander sind deutlich weniger Zeitaufwand, als an zwei verschiedenen Tagen zu spielen. Immerhin sind wir vor der zweiten Vorstellung schon geschminkt, die Frisuren sitzen und alles ist griffbereitet.

Für einen kleinen Snack mit Brötchen, Kaffee und kleinen Extras reicht die Pause, dann geht es schon wieder aufs Schiff zur zweiten Reise und einem erneuten „Tod auf dem Nil“. Am Abend falle ich sehr müde ins Bett.


Am nächsten Vormittag fahre ich den Sohn zurück nach Frankfurt. Im Gepäck einige Pflanzen für den Balkon. Wir befestigen einen neuen Fliegenschutz vor der Balkontüre, weil der vorherige nach kurzer Zeit schon nicht mehr hielt. Ja, mir war da schon klar, dass ich den Rahmen vorher gründlich saubermachen sollte, damit das Klebeband gut hält, aber er sah sauber aus und ich wollte es lieber schnell fertig haben. Ja, merke ich selber.

Dann setze ich mich auf das Rudergerät und rudere zehn Minuten lang durchs Wohnzimmer. Ach, das gefällt mir schon sehr gut. Es ist nicht mörderanstrengend, es nervt mich nicht schon nach einer Minute wie zum Beispiel ein Hometrainerfahrrad, das mir wirklich überhaupt keinen Spaß macht, und trotzdem merke ich, dass ich beim Rudern viele Muskelbereiche aktiviere und nach zehn Minuten leicht schwitze. Ich fände es schon sehr schön, wenn ich auch so ein Gerät hätte. Allerdings sehe ich beim Blick in Anzeigen für gebrauchte Rudergeräte auch immer wieder den Zusatz „wenig genutzt“ oder „wie neu“. Das heißt vermutlich, dass es begeistert gekauft und zwei Wochen genutzt wird und dann ungerudert herumsteht und Platz wegnimmt. Das könnte mir eine Warnung sein. Ist es aber nicht. Ach, menno, wenn so ein Ding nur nicht so viel Platz im Wohnzimmer einnehmen würde! Das ist wirklich ein gewaltiger Hinderungsgrund.

Auf dem Frankfurter Balkon sitzend trinke ich Tee und freue mich über die Flugzeuge am Himmel, die im Landeanflug auf den Flughafen sind. Dabei bin ich sonst gar nicht an Flugzeugen interessiert, aber hier sind sie nicht sehr laut, fliegen ziemlich tief und ich gucke ihnen gerne zu.

Am Abend fahre ich zurück nach Hause. Dabei höre ich im Auto CDs von Lars Reichow und Queen Bee. Hach, beides so gut. Zu Live-Programmen von Queen Bee kann ich leider nicht mehr gehen, aber Lars Reichow sollte unbedingt mal wieder dran sein.


In der Nacht wache ich auf und denke: „So ein Rudergerät muss doch gar nicht im Wohnzimmer stehen! Es kann doch in einem der Kinderzimmer stehen und ich rudere dort!“ Wieder einmal merke ich, dass meine Gehirnzellen komplett ohne mich an Problemlösungen arbeiten. Die Idee ist ziemlich gut, denke ich noch, dann schlafe ich sofort wieder ein. Am nächsten Morgen sitze ich sehr früh vor dem Rechner und bestelle ein Rudergerät. Als ich mit einem letzten Klick alles bestätige, denke ich nicht: „Oh, nee, war das jetzt richtig?“, sondern: „Yeah!“ Ich werde im Eigenversuch feststellen, ob ich im Sommer noch rudernd unterwegs bin oder das Gerät schon als „wenig genutzt“ bei den Kleinanzeigen einstelle.


In zwei Wochen habe ich Lesungen an der örtlichen Grundschule. Im Vorfeld – im letzten Herbst – habe ich vorgeschlagen, dass ich mein kurzes Kinderbuch „Vom Frosch, der ein Prinz wurde“ vorlese und ergänzend noch etwas aus der Umsetzung als Puppenspiel zeige. Das wollte ich schon lange mal als Lesung-Puppenspiel-Kombination vorbereiten, habe die Arbeit dafür aber immer auf „bald“ verschoben und darum nicht gemacht. Jetzt muss ich entscheiden, ob ich bei der kommenden Lesung das Puppenspielen reinnehme oder stattdessen eins meiner anderen Bücher „normal“ vorlese. Eine fertige Lesung ohne jeden Zusatz ist für mich natürlich viel einfacher. Spontan denke ich, dass ich bei einer üblichen Lesung bleibe, denn im Moment habe ich echt viel anderes zu tun. Aber dann gucke ich mich vorwurfsvoll an – wie immer ich das auch mache -, weise mich darauf hin, dass ich Puppenspielerin bin und darum selbstverständlich zwei kurze Szenen vorbereiten und spielen kann.

Mit dem Buchtext und dem Puppentheatertext, die sich deutlich unterscheiden, setze ich mich in den Garten, stoppe die reine Vorlesezeit und wähle dann Spielszenen aus, die geeignet wären. Es bleibt die Frage, wie ich am Tisch sitzend spielen und die Puppen wechseln kann, ohne dass die Kinder alles sofort sehen. Außerdem muss ich auch den Text der Spielszenen lernen, der natürlich nicht mehr auswendig sitzt. Und die Powerpoint-Präsentation muss ich mit einer Überleitung ergänzen, weil ich ja noch etwas zur Umsetzung in ein Puppenspiel erklären muss. Und die Erklärungen und Spielszenen mehrfach durchgehen und proben. Boah, was für eine Arbeit, aber da geht es mir jetzt um die Ehre! Ich habe gerade nicht viel Zeit, aber ich werde ohne Theaterbühne, Vorhang und Ablageplatz gute und für die Kinder interessante Puppenszenen hinbekommen. Zusammen – also ich und die Puppenkollegen – kriegen wir das schon gewuppt.


Im Garten wächst alles zu. Normalerweise gieße ich im Mai und Juni sehr viel, um gegen die Trockenheit zu arbeiten, aber in diesem Jahr regnet es so häufig, dass ich selten mit der Gießkanne unterwegs sein muss. Wenn überhaupt, dann nur mal bei den Topfpflanzen. Stattdessen scheide ich haufenweise Grünes raus, um Wege freizuhalten und sich gegenseitig einschränkende Büsche in Form zu bringen. Mir gefällt das Urwaldgefühl aber sehr gut. Bei wochenlang knallender Sonne ist das nicht zu erreichen.

Während in Süddeutschland gerade Hochwasser ist, fließt die Erft, die vor drei Jahren die Umgebung weitflächig überflutete, sehr friedlich. Beim Abendspaziergang ist nicht zu ahnen, dass sie damals fast zwei Meter höher war und wie ein breiter Amazonasfluss mit hoher Geschwindigkeit über die Felder und durch Teile des Dorfes rauschte. Sollte ein tagelanger Starkregen beim nächsten Mal wieder hier in der Gegend runterkommen, kann es allerdings erneut zum „Jahrhundert“-Hochwasser kommen.

Intelligenzferne und der Wissenschaft eher abgeneigte Leute schreiben aufgrund des kühlen Wetters im Internet hämisch: „Es ist kalt und verregnet, wo bleibt denn nun die Erderwärmung?“ und verstehen nicht, dass dieses Wetter der schon eingesetzte Klimawandel ist. „Erderwärmung“ bedeutet nicht, dass es überall nur wärmer wird, sondern dass es Regengebiete gibt, die tagelang stehenbleiben, bis es Überschwemmungen gibt, dass es ungewohnt kühle Temperaturen in der einen Region und woanders übergroße Hitze und Dürre gibt. Das ist ja erst der Anfang und es ist erschreckend, wie schnell Wetter und Temperaturen die Form verlieren und immer häufiger extrem werden.


Am Wochenende gibt es wieder drei Nil-Vorstellungen. Vorher flechte ich mir immer sogenannte Dirndlzöpfe in die seitlichen Haare, und dann noch Zöpfe, die ich am Hinterkopf zusammenstecke. Die Ponyhaare werden zur hohen Welle und dann betoniere ich alles mit Haarspray, damit es über Stunden hält. Nach den Vorstellungen, meist ist es schon 23 Uhr, stehe ich geschminkt vor dem Badezimmerspiegel und brösel alles wieder auseinander. Der Gatte lacht amüsiert, weil seine Frau so fremd aussieht. Ich finde, ich sehe aus wie frisch vom Rock’n’Roll-Turnier. Seniorenklasse.

Bevor ich heute nachmittag geschminkt und betoniert zum Theater fahre, gehe ich erstmal zur Europawahl. Für Europa und die Demokratie.