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Blog 856 – 22.09.2024 – Termine, Harzer Käse, Müdigkeit und Entität

Die ganze Woche scheint ruhig zu werden und der Sonntag ist es tatsächlich. Meine Abbey-Road-Kastanie, die ich vor vielen Jahren als braunes Kastanien-Ei vor den Londoner Abbey-Road-Studios aufgesammelt und mitgenommen habe, ist schon wieder von der Rosskastanienmoniermotte befallen. Nicht das erste Mal, aber in diesem Jahr fällt es schon deutlich schlimmer aus. Die Motte und ein Pilz schädigen in Deutschland die Kastanien so sehr, dass es ihr Ende sein könnte.

Um die Moniermotte zu stoppen, sollen die Blätter eingesammelt und in den Verbrennungsmüll geworfen werden. Ich spiele Herbst und will die Blätter abschneiden, aber kurzentschlossen schneide ich die kompletten Äste ab. Es macht keinen Spaß, unter einer braun befallenen, nicht mehr gut wachsenden Kastanie zu sitzen, jetzt kommt sie weg. Schade. Die Katze begrüßt alles, was ich draußen mache, denn es ist ihre Lieblingstätigkeit, in meiner Nähe zu ruhen.

Am Ende der Arbeit sind die Blätter im Sack eingesammelt und nur das Skelett der Kastanie ist übrig. Das mache ich demnächst noch mit der Kettensäge klein.

Nach der Arbeit habe ich freie Zeit, mir den Liegestuhl aufzustellen und mich im Garten hinzulegen. Unfassbar. Ich nehme mir eine halbe Stunde und habe nicht das Gefühl, ich müsste jetzt doch erst etwas Dringendes erledigen. Es ist einer der letzten Sommertage, auch wenn im Wind manchmal schon der Herbst kalte Spitzen mitbringt.

Die Katze kommt sofort an und springt auf die Decke und damit auf meinen Bauch. Schnurrend genießt sie, dass ich nicht nur draußen bin, sondern auch endlich mal ruhig liege. Es ist sehr gemütlich. Für beide.

Am Abend lese ich, dass manche Kastanien die jahrelangen Moniermotten gut überstehen. Hilft das Blättersammeln vielleicht? Soll ich den Reststamm nun absägen oder ihm noch eine Chance geben?


Am Montagmorgen mache ich für meinen Vater einen neuen Urologentermin aus. Erst in der letzten Woche hatte ich den schon lange für morgen angesetzten Kontrolltermin abgesagt, weil mein Vater nicht so mobil ist und weil er mir sagte, dass er nicht hin muss, weil „alles so wie immer“ ist. Zwei Tage später stellte sich heraus, dass „alles so wie immer“ heißt, dass es große Probleme gibt. Hach, mein Vater, der nicht klar ja oder nein sagen kann, sondern gerne in der Art: „Könnte man mehr oder weniger vielleicht“ antwortet. Der neue Termin ist in zwei Wochen.

Um halb 10 bin ich mit dem Sohn unterwegs, der, wo er mal hier ist, seinen Opa kurz besuchen möchte. Vor Ort kann ich sofort meine To-do-Liste zücken und verlängern. Mein Vater hat zehn Tage nach seinem Hinfallen immer noch Schmerzen in der Hüfte und glaubt, dass es nicht nur eine Prellung ist. Er möchte unbedingt zum Röntgen, um das abzuklären. Im Haus sind zwei Metallfußleisten locker und könnten zu Stolperfallen werden und der Staubsauger ist kaputt. Ich rufe sofort beim Hausarzt an, um eine Überweisung zum Röntgen der Hüfte anzumelden, fahre mit dem Sohn zusammen zum Elektrogeschäft, um einen Staubsauger zu kaufen, und auf dem Rückweg beim Arzt vorbei, um die „ist gleich fertig-Überweisung“ abzuholen. Der Arzt hatte noch keine Zeit, zu unterschreiben und ich soll sie am Nachmittag abholen. Nee, da bin ich nicht mehr da. Erst am Mittwoch wieder. Auf der Liste notier ich außerdem: Bohrmaschine, Schrauben, Dübel, die ich dann für die Fußleisten mitbringen muss.

Am Nachmittag fahre ich Lebensmittel einkaufen. Für das Abendessen am nächsten Tag, an dem der Sohn Geburtstag hat, für das Mittagessen am übernächsten Tag, an dem ich bei meinem Vater für das Essen zuständig bin und für den Online-Kochkurs, den mein Sohn am Donnerstagabend hat und bei dem ich mitkochen werde. Drei Zettel – Überblick behalten.


Der Dienstag ist frei. Eine gute Gelegenheit, um ab früh morgens komplett beschäftigt zu sein. Ich koche vor, brate vor, bereite vor und spüle ab. Zwischendurch bin ich in Warteschleifen, um einen Röntgentermin für meinen Vater zu bekommen. Das ist gar nicht mal so einfach. Das Handy liegt mit Lautsprecheinrichtung neben mir, damit ich während der Dudelmusik-Wartezeit weiterarbeiten kann. Als sich plötzlich überraschend schnell jemand meldet, schneide ich natürlich gerade die saftige Mango. Hektisch lasse ich sie in den Teller plumpsen, wische meine Hände notdürftig am Handtuch ab und greife mit klebrigen Fingern zum Handy. Der nächste freie Röntgen-Termin ist in zwei Wochen. Das ist ziemlich spät, falls mein Vater tatsächlich einen Sprung in der Hüfte hat. „Für einen Notfalltermin hätten Sie unmittelbar nach dem Fallen kommen müssen“, erklärt die Dame am Telefon. Das stimmt natürlich, aber bisher sind wir ja von einer Prellung ausgegangen. Na ja, ich reservier den Termin erstmal. Wer weiß, ob ich irgendwo anders überhaupt einen früheren finde.

Dann versuche ich es im Nachbarort. Dort sagt das automatische Telefonband, dass aus personellen Gründen vorerst keine Termine mehr am Telefon ausgemacht werden können. „Bitte wählen Sie Ihren Termin online.“ Als ich das versuche und mich durch alle Angaben geklickt habe, kann ich am Ende nur zwischen einem MRT- und einem CT-Termin wählen. „Für Röntgentermine rufen Sie bitte an!“ steht da. Na, toll! Beim dritten Krankenhaus kann ich Röntgentermine nur per Mail ausmachen. Ich schreibe eine Mail, gebe alle Details zum Patienten und zur Erkrankung an und bitte um einen Termin. Beim Abschicken erscheint ein Captcha-Prüfbild. „Klicken Sie bitte auf die im Beispielbild vorhandene Entität“. Die was? Entität? Noch nie gehört. Ich gucke kurz nach einem Entenbild und hoffe, sie haben ein witziges Wortspiel gemeint, aber es gibt auch keine Ente.

Schnell google ich „Entität“. /- (Wikipedia:) Entität ist in der Philosophie ein durch die Scholastik, insbesondere des Thomas von Aquin, geprägter Grundbegriff der Ontologie, der in zwei Bedeutungen verwendet wird: Zum einen bezeichnet er etwas, das existiert, ein Seiendes, einen konkreten oder abstrakten Gegenstand. In diesem Sinn wird der Begriff der Entität in der Regel als Sammelbegriff um so unterschiedliche Gegenstände wie Dinge, Eigenschaften, Relationen, Sachverhalte oder Ereignisse auf einmal anzusprechen. Dies ist die im zeitgenössischen Sprachgebrauch gängige Verwendung. Zum anderen kann er auch für das Wesen eines Gegenstandes im Sinne eines für das Dasein und die Identität des Gegenstands notwendigen Elements stehen. In dieser Hinsicht ist Entität dem klassischen Substanz-Begriff sinnverwandt. -/

Häh?? HÄHH??? Ich bin ja nicht komplett doof, aber was soll ich da jetzt genau anklicken? Wie unverschämt ist das denn? Es geht mir dabei gar nicht um mich. Ich kann mich über die blöde Frage aufregen und darüber, wie bescheuert der Fragesteller ist. Aber wie überfordert ist denn jemand, der nicht gut deutsch sprechen kann, der keinen Schulabschluss machen konnte oder nicht ganz so fit im Kopf ist? Der gibt an dieser Stelle vielleicht auf und verzichtet auf einen Untersuchungstermin. Unfassbar! Ich bekomme eine neue Frage gestellt, die etwas einfacher, aber immer noch zu schwer für viele Anwender ist. Auch eine Möglichkeit, die Terminanfragen zu verringern. Nur die Schlauen kommen noch dran.

Um 15 Uhr fahren wir zu dritt nach Düsseldorf zum anderen Sohn, wo wir den Nachmittag mit einem leckeren Essen, einem Brettspiel, lachend, auf dem Balkon, auf dem Sofa, vor dem Beamer und mit Musik verbringen. Sehr schön. Der Gatte und die Söhne kennen den Begriff der Entität, allerdings aus dem IT-Bereich. Was ich da in einem Captchatest mit Igel, Melone und Hai anklicken soll, ist ihnen auch nicht ganz klar.

Als wir am Abend zu dritt nach Hause fahren, bin ich ganz schön müde vom pausenlosen Kochen, Spülen, Telefonieren und der Entität.


Der Mittwoch startet mit Herbstnebel. Es sieht sehr schön aus, auf der Autobahn ist die Sicht aber knapp unter hundert Metern. Ich habe das Autoradio an und ein Moderator spricht gerade davon, dass es in Köln ein wunderschöner Tag mit strahlender Sonne sei. Was? Ich fahre keine fünfzehn Kilometer von Köln entfernt und wenn ich nicht im dichten Nebel stecken würde, wäre Köln sogar in Sichtweite.

Während ich mich noch sehr wundere, fahre ich um eine lange Kurve und in die Kölner Bucht hinein, und dort strahlt die Sonne und hat den Nebel längst aufgefressen.

Bevor ich bei meinem Vater bin, hole ich die Überweisung zum Hüftenröntgen bei seinem Hausarzt ab. Danach stelle ich das vorgekochte Essen – Kasseler und grüne Bohnen in den Kühlschrank – sehe die Post durch und rechne Geld ab. Weil sein Konto wegen verschiedener Probleme nach der Umstellung immer noch nicht läuft, haben wir bisher alles von unserem Konto überwiesen. Dann greife ich zur Bohrmaschine und schraube die zwei Metallfußleisten im Betonboden fest. Auf der To-do-Liste kann ich die ersten Sachen streichen.

Die nach meinen vielen „Wir haben leider keine Kapazität“-Antworten endlich gefundene Physiotherapeutin kommt zum Hausbesuch, ist aber eine Ergotherapeutin. Och, nee, da ist bei mir was schiefgegangen. Bei der Googlesuche nach Physiotherapie hat sich wohl unbemerkt die Ergotherapie eingeschlichen. Ich rufe beim Hausarzt an. Zum Glück kann die Verordnung umgestellt werden, weil die notwendigen Übungen sowohl von der Physio als auch von der Ergo gemacht werden können. Hurra! Die neue Verordnung muss bis zum Mittag abgeholt werden. Das schaffe ich.

Bei der Ergo-Behandlung wird mein im Sessel sitzender Vater gefragt, ob ihm in diesem Moment irgendetwas weh tut. Er überlegt und sagt dann: „Mehr oder weniger nichts.“ „Ja, was nun?“, fragt die Therapeutin verblüfft. Ich übersetze: „Das heißt, es tut nichts weh.“, woraufhin mein Vater zustimmend nickt. Mehr oder weniger nichts – das ist eine so typische Papa-Antwort, dass ich breit grinsen muss. Während der Lauf- und Stehübungen stellt sich heraus, dass mein Vater keinerlei Schmerzen in der Hüfte hat, sondern stattdessen das Bein um das Knie herum schmerzt. Manchmal, nicht immer. „Aber Papa,“ rufe ich. „Du hast doch gesagt, dass dir deine linke Hüfte immer weh tut!“ „Von der Hüfte habe ich nie was gesagt!“, widerspricht er. Ich klappe innerlich zusammen. Er hat immer von der Hüfte gesprochen. Meine ganze Arbeit wegen der Überweisung und des Röntgentermines war umsonst, denn seine linke Hüfte muss nicht geröntgt werden, wenn die völlig in Ordnung ist. Ach, Papa!

Nach der Ergobehandlung flitze ich zum Arzt, wo ich am Morgen schon mal war, diesmal, um die geänderte Verordnung abzuholen, dann gibt es Mittagessen. Mmmh, so lange geschmortes Kasseler ist schon lecker. Gleich nach dem Essen gehe ich raus, um den Teil der Mauerbewachsung zu stutzen, den ich in der letzten Woche nicht mehr geschafft habe. Dabei löst sich plötzlich ein Großteil der dicken Äste und kommt mir entgegen. Oh, so war das nicht gedacht. Aber egal. Ich schneide alle losen Teile ab, das wächst aus dem Rest schon wieder zu.

Während mein Vater noch schläft, fahre ich mit der Betreuungskraft in den Supermarkt einkaufen. Danach gibt es Gespräche mit ihm. Beziehungsweise er spricht mit mir und ich erkläre. Es macht mir Sorgen, dass er gerade mit einfachsten Tätigkeiten überfordert scheint. Er verlangt, dass ich manches umbaue, damit es „wie früher“ ist, aber es ist alles unverändert. Seit Jahrzehnten selbstverständliche Sachen kommen ihm jetzt ungewohnt und kompliziert vor. Die Wochen im Krankenhaus und die neue Situation haben ihm sehr zugesetzt. Mir kommt es trotzdem ungewöhnlich vor, dass er jetzt so schnell demente Anzeichen zeigen soll.

Um 17 Uhr fahre ich nach Hause. Puh, was bin ich müde! Wenn das für mich so wie in den letzten Wochen weitergehen würde, hätte ich in einigen Wochen einen Burnout. Ich hatte mal einen, ich weiß, wie es sich im Vorfeld zuspitzt und wie es sich anfühlt. Schon jetzt bin ich grundsätzlich müde und habe Probleme, mich zu erholen. Alles noch kein Grund zur Sorge, ich gehe immer noch davon aus, dass es bald einfacher werden wird. Am frühen Abend mache ich mit dem Gatten und dem Sohn zusammen einen längeren Gang über die Felder, der mir sehr gut tut.

Trotzdem bin ich am Ende des Spazierens froh, dass die Beine automatisiert laufen, denn wenn ich anhalten und mich kurz hinsetzen würde, könnte ich vermutlich sofort einschlafen. Das tue ich Zuhause dann aber auch um 21 Uhr, weil ich einfach keine Energie mehr habe.


Der Donnerstag ist ein freier Tag. Am Abend findet nur der Online-Kochkurs statt, den ich sehr gerne mitmachen möchte. Ich wache mit Kopfschmerzen und Übelkeit auf und fühle mich ganz daneben. Na toll, ein freier Tag und ich bin krank. Vermutlich kommt da meine ganze Erschöpfung raus und nutzt den ersten Tag, an dem ich nicht funktionieren muss. Der morgendliche Kaffee will wieder raus, ich nehme eine Schmerztablette und lege mich zurück ins Bett. Den Vormittag verschlafe ich, mittags bin ich wach und esse sogar, danach lege ich mich sofort nochmal hin. Um 15 Uhr wache ich auf. Der Kopf ist noch etwas träge, aber mir geht es deutlich besser.

Am Abend hat der Sohn seinen Online-Kochkurs, und zum Glück geht es mir bis dahin wieder gut, so dass ich mich freue, mitmachen zu können. Auch weil der Sohn bei den beiden vorherigen Kochkursen stöhnte, dass er mit der Zubereitung kaum hinterherkam, weil er alleine nicht so schnell beim Schneiden und Arbeiten wie die beiden Köche war. Es ist kein Basis-Kochkurs für Anfänger, wie zum Beispiel: Wie koche ich Nudeln Bolognese, sondern der Caterer, der beim Arbeitgeber des Sohnes an der außergewöhnlich guten Kantine beteiligt ist, bietet kostenlos Anleitungen für sehr tolle Gerichte an. Heute: „Sweet Potatoes Toast belegt mit Curry-Frischkäse, spicy Ofenkürbis, roasted tomato und Eiweiß-Chip mit Sprossen, dazu marinierter Wildkräutersalat mit Himbeer-Granatapfel-Vinaigrette, dazu levante Köfte“.

Das Internet läuft, die Zutaten stehen bereit, den Granatapfel habe ich kurz vorher schon entkernt und die Kräuter gewaschen, was sich als Glück herausstellt, denn die beiden Köche vor der Kamera arbeiten versiert und sind zu zweit, so dass es wirklich schwierig ist, das Tempo mitzuhalten.

Außerdem sind es keine gelernten Fernsehköche, die kameragerecht agieren und alles im Detail bereden, sondern begeisterte Berufsköche, die sich freuen, gute Gerichte zu vermitteln und dabei ziemlich spontan sind. Sie sagen gerne: „Und jetzt eine gute Menge Kreuzkümmel dazu“, geben aber keine genaue Angabe über „eine gute Menge“ und die Kamera zeigt auch meistens gerade nicht, wie viel sie in die Schüssel pudern. Manchmal wird etwas extra vor der Kamera gezeigt, aber da gucken wir gerade in unserer Küche herum, wo der Pfeffer steht, schneiden konzentriert an einer Zwiebel oder versuchen aufzuholen, so dass wir in diesem Moment nicht hinsehen. Es macht trotzdem viel Spaß und wir sind freudig dabei. Wenn wir etwas verpassen, lachen wir und improvisieren. Als wir einen Blick in den Ofen werfen, lachen wir auch, denn der spätere „Eiweiß-Chip“, der aus Harzer-Käse-Scheiben besteht, bläht sich beim Backen unerwartet auf. Es ist sowieso schon seltsam, einen Harzer Käse zu verwenden, aber dass er zum Ungetüm wird, macht es noch seltsamer.

Nach nicht mal einer halben Stunde ist alles fertig und wir haben großartiges Essen auf dem Tisch stehen. Es sieht nicht nur toll aus – wie Sterne-Essen -, es ist auch sehr, sehr lecker. Mild, scharf, weich, knackig, süß, sauer – es ist alles dabei, es ist schön bunt und es hat in allen Zusammenstellungen einen harmonischen Geschmack. Die Köfte mit Minze sind aus Rinderhackfleisch, aber man könnte sie auch aus Erbsenhack machen oder ganz weglassen und hätte dann ein großartiges vegetarisches Gericht.

Der Chip aus Harzer Käse ist der Hammer. Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, Harzer Käse mit etwas Chili im Ofen zu schmelzen. Es schmeckt fast wie Chips. Sehr klasse! Das einfache Rezept, das so beeindruckendes Essen macht, behalten wir beide und werden es in Teilen oder komplett auf jeden Fall wieder machen. Was für ein toller Kurs!


Am Freitag wache ich auf und bin gesund. Topfit. Plötzlich spüre ich sogar wieder Energie in mir. Ich sollte den Krankentag wie einen Urlaubstag sehen, an dem ich mich weitgehend schlafend und nichtstuend sehr erholt habe. Zwar im Bett und nicht am Strand, aber ich werde bescheiden in meinen Urlaubsansprüchen.

Es geht mit dem Auto nach Frankfurt. Im Gepäck den Sohn und einige größere Sachen, die er von Zuhause in seine Wohnung mitnimmt. Wir kommen gut durch, finden einen Parkplatz nahe der Wohnung und schleppen die Sachen nach oben. Ich habe Reste vom gestrigen Kochkursessen mitgenommen, beziehungsweise am Abend noch übrige Kürbisspalten und -kerne in den Ofen geschoben und auf die gleiche Weise wie im Rezept gegart. Auch jetzt ist es wieder sehr lecker und dazu noch kalorienarm und gesund. Mjammi!

Am frühen Nachmittag starte ich den Rückweg, aber es ist Freitag und da komme ich natürlich in den Feierabendverkehr und brauche nicht gute zwei Stunden, sondern drei für die Rückfahrt. Kurz vorher hatte ich noch überlegt, am Abend kurzfristig in Frankfurt in das Theaterstück der englischsprachigen F.E.S.T.-Theatergruppe zu gehen, dann beim Sohn zu übernachten und am nächsten Morgen früh nach Hause zu fahren, aber ich wollte mir bei allem Stress nicht gleich noch einen weiteren Termin reinholen. Während der mühsamen Rückfahrt mit Abbremsen, Stehen und Gasgeben denke ich, ich hätte es machen sollen. Das wäre gut gewesen.

Am Abend telefoniere ich mit meiner Schwester und wir entscheiden, eine Tablette aus dem täglichen Medikamentenshot meines Vaters zu entfernen. Die könnte mit ihren vielen möglichen Nebenwirkungen der Auslöser für seine Probleme sein. Während des Krankenhausaufenthaltes wurde sie ihm gegeben und danach beim Rezeptausschreiben schon von seinem Hausarzt kritisch gesehen. Da sie keine lebenswichtigen Funktionen unterstützt, wird das Weglassen kein Problem sein. Auch die Dosis ist nicht so hoch, dass ein langsames Ausschleichen dringend erforderlich wäre. Da ich aber keine Medizinerin bin und nicht befürworte, dass Angehörige einfach so die Tablettengabe verändern, werde ich am Montag gleich den Hausarzt informieren. Der kann Einspruch erheben, sollte er das anders sehen. Ich glaube kaum.


Am Samstag fahre ich vormittags mit dem Gatten zusammen bei meinem Vater vorbei. Der Gatte möchte noch einen Schutz am Stromkasten anbringen, ich möchte die gestrichenen Tabletten aus der vorbereiteten Medikamentenbox entfernen. Aber das hat schon Aleksandra, die Betreuungskraft, sorgfältig gemacht. Ich hatte ihr am Telefon Bescheid gesagt, welche der Tabletten Papa nicht mehr bekommen soll, und da die Tabletten optisch eindeutig zu erkennen waren, hat sie zur Pinzette gegriffen und sie aus allen Abteilen rausgesucht. Perfekt! So eine 24-Stunden-Kraft ist schon ganz schön teuer, aber wenn sie so gut ist und alles liebevoll im Blick hat, entlastet sie nicht nur, sondern ist ein Glücksfall.

Am Nachmittag wasche ich Zuhause viel Wäsche und hänge sie draußen auf die Leine zum trocknen. Es ist schönes Sonnenwetter, perfekt, um dann im Garten zu räumen. Die Haselnussbüsche haben im Sommer sehr hohe Austriebe bekommen, die ich rausschneide, ehe sie dicke Äste werden. Schwitzend und schnaubend schleppe ich sie auf einen Platz, an dem ich sie demnächst häckseln kann. Auch wenn es anstrengend ist, finde ich das tatsächlich erholsam. Gartenwerkeln tut mir immer gut. Ich vermute, dass die nächste Woche immer noch sehr viel zu tun bringt, aber am Horizont sehe ich freie Tage schimmern. Vielleicht will ich es auch nur schimmern sehen.