Blog 883 – 30.03.2025 – Katzenbeine, Dialogpartner, Dachpappe und Pygmalion
Die beiden Katzenvorderbeine meiner kleinen Klappmaulkatze brauchen beim Nähen viel Zeit. Ich brauche Geduld. Das fällt mir angesichts der wenigen Gelegenheiten, die ich überhaupt für das Nähen finde, schwer. Auch wenn es nur langsam vorangeht, ist das Arbeiten sehr angenehm und sogar erholsam, denn meistens sitze ich währenddessen im Garten und höre einen alten „Kein Mucks“-Radio-Kriminalfall aus dem Krimipodcast von Bastian Pastewka. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, ich höre dem wunderbar altmodischen Hörspielkrimi zu und nähe an einem Katzenbein. Schönes Leben.

Zwischendurch finde ich sogar Zeit, um den Bericht über das gerade besuchte Bodo-Wartke-Konzert zu schreiben. Es freut mich, dass es schnell klappt, denn je länger es dauert, ehe ich mit dem Bericht beginne, desto mehr Details sind vergessen und desto schwieriger kann ich meine im Dunkeln hingekritzelten Notizen entziffern und zuordnen. Jetzt, wo die Berichte-Homepage wieder funktioniert, möchte ich gerne mindestens einmal im Monat einen Bericht schreiben. Das setzt voraus, dass ich mindestens einmal im Monat zu einer Veranstaltung gehe, über die ich im Nachhinein schreiben kann und möchte. Mal sehen, ob das klappt. In dieser Woche würde ich zum Beispiel sehr gerne zum Programm von Marius Jung in Köln gehen, aber es ist zeitlich zu knapp. Schade, aber stressig soll es nicht werden, das kann ich nicht gebrauchen.
Der Mittwoch bei meinem Vater ist voll. Er beginnt um 9 Uhr mit einem Termin der Pflegeberatung, die vorbeikommt, um 10 Uhr kommt die Ergotherapeutin, um 11 Uhr angemeldeter Besuch, um 12 ist Mittagessen, danach fahre ich mit der polnischen Hilfskraft einkaufen, anschließend nähe ich mit meiner extra mitgeschleppten Nähmaschine Schlafanzughosen für meinen Vater kürzer. Die Nähte werden nicht vorbildlich, weil der Stoff sehr elastisch ist, was meine Nähmaschine nicht mag, aber immerhin sind die Hosen danach kürzer. Und wer guckt schon so genau auf die Nähte am Ende von Schlafanzughosenbeinen? Dann gibt es noch gemeinsames Kaffeetrinken, ich stelle telefonisch einen Antrag bei seiner Krankenkasse, unterhalte mich mit meinem Vater, fahre zu einem weiteren Einkauf in einem anderen Supermarkt, weil der vorherige nicht alles hatte – und am späten Nachmittag müde nach Hause. Es war alles nicht stressig, aber eben ein Neun-Stunden-Tag ohne Pause.
Am nächsten Tag ist ein Beerdigungstermin. Cornelius Bormann ist gestorben, was mich traurig macht. Er war eine eindrucksvolle, immer herzliche Persönlichkeit, offen, zugewandt und kulturell sehr engagiert. Auffallend war, dass er beständig Fragen stellte zu den Themen, mit denen sich sein Gegenüber beschäftigte. Den Antworten hörte er aufmerksam zu und war ehrlich interessiert. Mit seiner charmanten, sehr freundlichen Art brachte er Menschen zusammen. Ich mochte ihn sehr. Früher war er Rundfunk- und Fernsehjournalist, was sein gekonntes Fragenstellen und Moderieren erklärte, aber das alleine war es nicht. Seine Persönlichkeit machte es aus.
Wir sahen uns öfter mal, und 2019 hatten wir einen gemeinsamen Auftritt beim Stadtfest. Im Vorfeld besprachen wir, was wir auf der Bühne bereden wollten – er in seiner vertrauten Rolle als Moderator und Fragensteller, ich als Hase, beziehungsweise dessen verdeckter Puppenspielerin. Ich schrieb als Arbeitsgrundlage einen Dialogtext, in dem alle Themen mit hasenfrechen Kommentaren aufgeführt waren und las ihn ihm im Garten vor. Der 80-Jährige Cornelius wollte ihn gerne genau so machen und sagte: „Es gibt ein Problem: Ich kann mir so viel Text nicht mehr merken.“ Dann tippte er auf die Kopien, die ich ihm gemacht hatte und die vor ihm lagen und ergänzte: „Und ich sehe inzwischen so schlecht, dass ich alles langsam mit der Lupe lesen muss. Das geht also auch nicht.“ Nach einem kurzen „Und jetzt?“-Gedanken fand ich es dann ziemlich lustig, dass ich einen Partner bei einem Dialog hatte, der den Text vorher weder auswendig lernen, noch live vom Spickzettel ablesen konnte. Aber dann winkten wir lässig ab und verließen uns darauf, dass jeder von uns wusste, um was es gehen sollte und wir beide eben spontan aufeinander reagieren und so irgendwie von Thema zu Thema kommen würden. Das klappte dann auch völlig problemlos und machte auch den Zuschauern viel Spaß.

Er wird mir fehlen. Nicht nur mir. Die Kirche ist voll, die Trauerfeier ist sehr liebevoll und schön – auch der Pfarrer war eng mit ihm befreundet -, und auf dem Friedhof folgen viele Menschen dem Sarg. Er hat bei allen, die ihn kannten, Spuren hinterlassen. Ich werde sein Lächeln und sein aufmerksames Zuhören nicht vergessen.
Das Grillhaus im Garten muss neu gedeckt werden. Dazu muss das alte Dach, das aus Profilbrettern, einer Schicht Dachpappe und später zusätzlich darüber genagelten Wellplatten besteht, entfernt werden. Das Dach ist inzwischen morsch, an einigen Stellen ist das Holz schon weggebrochen und sogar die Wellplatten haben Löcher, die Wasser durchlassen. Kurioserweise hält alles aber fest zusammen, als ich probeweise mit einem Hammer dagegenhämmere, um Bretter zu lösen. Damals lag ich beim Festnageln der Wellplatten halb auf dem Dach, weiß ich noch. Das traue ich mich jetzt beim Entfernen der Nägel angesichts der durchhängenden Profilbretter, in die ich an manchen Stellen mit dem Finger Löcher bohren kann, nicht mehr. Mit einiger Anstrengung bekomme ich schließlich die ersten Papp- und Wellplatten gelöst. Oh, das wird mühsam werden.

Der Plan: „Wenn der Gatte bald zehn Tage Urlaub hat, entfernen wir schnell das alte Dach und setzen ein neues drauf“ enthält mit der Vokabel „schnell“ eine große Unbekannte. Vielleicht sollte der Plan heißen: „Wenn der Gatte bald zehn Tage Urlaub hat, versuchen wir, das alte Dach zu entfernen.“
Für diese Woche bleibt das Dach so wie es ist, denn am Wochenende fahren der Gatte und ich nach Frankfurt, wo im Kulturhaus von der englischsprachigen Theatergruppe F.E.S.T. (Frankfurt English Speaking Theatre) das Stück „Pygmalion“ aufgeführt wird.

Der Sohn spielt mit und hat nur eine sehr kleine Rolle, was ihn seufzen lässt, denn er würde gerne viel mehr spielen und ist völlig unterfordert. Aber er holt raus, was rauszuholen ist und hat viel Spaß mit der Gruppe.

Es ist eine sehr gute Inszenierung und alle Darsteller spielen auf hohem Niveau. Dass ich vieles nicht verstehe, liegt vor allem an der ordinären Straßensprache, deren Vokabeln ich nicht kenne. Das wird noch getoppt von „Mr. Doolittle“, der aus ursprünglich aus Wales kommt und seine Rolle passend mit hammerhartem Akzent spricht. Macht aber alles nichts. Es ist lustig und am Ende ernsthaft, so wie die Urfassung von Shaw ist. Kein Happy end wie bei „My fair lady“, dafür eins, bei dem Eliza endlich frei ist und ihren Lehrer „Mr. Higgins“, der stark nazistische und psychopathische Züge hat, selbstbewusst verlässt. Also doch ein Happy end.