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Blog 884 – 06.04.2025 – Volle Tage, Lesungen und Dachgehämmer

Während ich mich noch in der Sonntagsentspannung befinde, ruft die Pflegekraft meines Vaters an und berichtet, dass zwei Abflüsse im Haus verstopft sind. Oh, nein! Diesmal sind es zwei, die beim letzten Mal noch frei waren. Zum Glück muss ich kein sofortiges Notfallprogramm starten, es reicht, wenn ich mich am nächsten Morgen darum kümmere. Da fahre ich sowieso zu meinem Vater, weil er einen Zahnarzttermin hat, zu dem ich ihn begleiten muss, und davor kann ich mir dann den Schaden ansehen und die Abflussfirma anrufen.

Am nächsten Morgen fahre ich extra eine Stunde früher los, um alles anzusehen und zu telefonieren. Die Abflussfirma sagt zu, am Dienstag zu kommen. Ich packe meinen Vater ins Auto und fahre zur Zahnärztin. Der Behandlungstermin für sein neues Gebiss wurde im Erstgespräch mit „zwei bis drei Stunden“ erwähnt. Weil die Pflegekraft meines Vaters währenddessen ja prima freimachen und in aller Ruhe durch Geschäfte bummeln könnte, frage ich am Empfangstresen nach, ob ich eher mit zwei oder sogar drei Stunden rechnen kann. Die Dame guckt in ihren Computer und sagt: „Sie stehen hier mit einer Stunde drin.“ Oh, das ist zu wenig zum Bummeln. Ich sage der Pflegekraft Bescheid, dass wir doch früher zurück sein werden und sie bleibt zuhause. Es ist 11 Uhr. Nachdem ich meinen Vater bis zum Behandlungsstuhl gebracht habe, setze ich mich rufbereit ins Wartezimmer und warte.

Eine Stunde. Zwei Stunden. Drei Stunden. Dann ist mein Vater endlich fertig. Für heute. Sie haben nicht alles geschafft, was sie vorhatten, aber es werden sowieso noch weitere Termine folgen.

Als ich mit meinem Vater wieder bei ihm zuhause ankomme, sitzt seine Pflegekraft mit ihrer polnischen Freundin, die nebenan betreut und bis 16 Uhr Mittagspause hat, im Wohnzimmer. Ich werfe beide raus. Freundlichst natürlich. Selbstverständlich dürfen sie jederzeit im Wohnzimmer sitzen. Rauswerfen heißt nur, dass ich jetzt extra noch eineinhalb Stunden länger bei meinem Vater bleibe, damit die beiden zumindest noch diese Zeit als Pause nutzen können. Sie freuen sich sehr, greifen sofort nach ihren Jacken und gehen gemeinsam los. Ich mache das schon vorbereitete Mittagessen für meinen inzwischen hungrigen Vater warm, gucke die Post durch, mache ihm anschließend einen Kaffee und unterhalte mich mit ihm. Gegen 17 Uhr bin ich wieder zuhause. Ein langer Tag dafür, dass nur „Zahnarzttermin“ im Kalender steht.


Am nächsten Morgen stehe ich früh auf, denn ich habe Lesungen an einer Grundschule. Frechen ist nicht weit weg, aber ich muss über die Autobahn dorthin, einen Parkplatz finden, zuerst ins Sekretariat gehen und dann in der Turnhalle Beamer und Laptop einrichten. Da brauche ich etwas Sicherheitspuffer. Leider ist es ein sonniger Tag. Leider, weil die Sonne durch die Oberlichter der Turnhalle strahlt und die Beamerbilder nur schwach zu sehen sind. Ich verrücke Leinwand, Tisch und Turnbänke in eine etwas weniger helle Ecke. Es passt doch gut, wenn ich morgendliche Sportübungen wie schwere Turnbänke herumschieben, ausgerechnet in einer Sporthalle mache, denke ich.

Bei der ersten Lesung sind etwas unruhige Zweitklässler dabei, die aber tatsächlich nur unruhig sind und nicht extra stören oder laut sind. Ich weiß, dass es nicht an meiner Geschichte oder der Lesung liegt, sondern dass es Kinder gibt, die sich aus verschiedensten Gründen mal nicht ganz einpassen wollen oder können. Manchmal müssen sie sich auch nur mit dem Sitznachbarn flüsternd über die gerade vorgelesene Szene austauschen, was dann wiederum die umsitzenden Kinder stört. Trotzdem ist alles im grünen Bereich und ich muss nur kurz unterbrechen, als der laute Pausengong seine drei Töne mitten in das Vorlesen knallt. Dafür sind in der zweiten Lesung die Erstklässler außergewöhnlich aufmerksam. Sie hören sehr gespannt zu und stellen danach für Erstklässler ungewöhnlich viele Fragen. Gerade für die ist das Bücherschreiben und Illustrieren oft noch weit weg, aber sie haben großes Interesse und viele gute Fragen. Das macht Spaß.

Als ich fertig bin, packe ich Beamer und Bücher ein und fahre sofort weiter zu meinem Vater. Gestern Zahnarzt, heute Abflussfirma. Als ich ankomme, hat er gerade Mittagessen, eine halbe Stunde später stehen zwei Abflussreiniger vor der Tür. Einer von ihnen ist eine Abflussreinigerin. Weil ich jetzt wieder vor Ort bin, kann die Pflegekraft mit ihrer Freundin wieder los, die freie Zeit genießen. Sie ist täglich so zuverlässig bei meinem Vater und flitzt nur mal schnell einkaufen oder macht einen kurzen Spaziergang, wenn er mittags schläft, da soll sie gerne mal gehen können, wenn ich da bin. Während die Abflussreiniger und -innen im Keller arbeiten, renne ich hoch und runter, um nach Ansage Toilettenspülungen und Duschen an- und abzustellen. Das Problem ist schnell erkannt und wird zügig behoben. Eine elektrische Spirale wummert rhythmisch durch die Abflussleitung, das ganze Haus dröhnt – und mein Vater hat seine Hörgeräte abgelegt und macht entspannt Mittagsschlaf. Als alles wieder läuft und die beiden weg sind, greife ich zum Putzeimer und wische die Räume durch.

Als ich gerade fertig bin, wacht mein Vater wieder auf. Er trinkt eine Tasse Anrühr-Cappuccino und wir unterhalten uns. Um 16 Uhr übergebe ich an die Pflegekraft, die möchte sich aber noch ein bisschen mit MIR unterhalten und Fotos zeigen. Es ist nach 17 Uhr als ich wieder zuhause ankomme. Im Kalender stand nur „Lesung“.


Am nächsten Morgen fahre ich wieder an dieselbe Schule, wo jetzt die dritten und vierten Schuljahre in die Turnhalle kommen. Gestern gab es die „Giraffe“, heute „Prinz Ferdinand König“. Die Kinder hören super zu und stellen anschließend sehr viele Fragen. Prima. In der Coronazeit sind die Lesungstermine an Schulen natürlich komplett weggebrochen, aber sie kommen auch nur sehr zögernd zurück. Schade, ich würde gerne viel öfter an Grundschulen lesen, denn das macht nicht nur den Kindern, sondern auch mir Spaß. Vermutlich wäre es gut, wenn ich das neue Buch fertig hätte – angefangen ist es ja schon -, aber das kriege ich gerade wirklich nicht unter.

Nach den Lesungen fahre ich von der Schule aus gleich wieder zu meinem Vater, denn der Mittwoch ist ja der übliche „Vater-Tag“. Die Pflegekraft kann einen dritten Tag mit langer Pause machen. Sie hat mir einen Einkaufzettel vorbereitet, und während mein Vater mittags schläft, flitze ich schnell alleine zum Supermarkt. Als er wach ist, schiebe ich ihn im Rollstuhl vor das Haus, denn er will zugucken, wie ich dort Unkraut wegmache. Dass er dabei ist und nicht drinnen Fernsehen guckt, finde ich gut, denn dann habe ich ihn im Blick und muss nicht alle zehn Minuten rein und nachsehen. Ich weiß aber auch, dass ich dann wenig Ruhe habe. „Schneid das da auch weg!“ „Was, Papa?“ „Da, das Gras! Nein, nicht das! DAS!“ Während ich noch schneide, kommt: „An der Rose ist ein toter Ast, der muss weg.“ „Warte, Papa, ich schneide doch gerade das Gras ab.“ „Hier, links an der Rose. Guck doch mal! Und das da hinten kann auch weg.“ „Was?“ „Da hinten. Guck doch, wo ich hinzeige!“ Ein wucherndes Gewächs an der Kante zum Bürgersteig soll ich radikal kürzen. Ich sage: „Wenn ich das bis hierhin wegschneide, wird doch alles kahl.“ „Macht nichts. Schneid ab!“, verlangt er. Ich schneide eine dicke Ecke des Gewächses ab und sage: „Jetzt wird alles frei und dann kacken die Hunde hin.“ „Nee, dann lass dran.“ „Zu spät.“ Wenn man sich drauf einlässt und nicht erwartet, konzentriert arbeiten zu können, ist es lustig.

Um 18 Uhr bin ich endlich wieder zuhause. Ziemlich müde. Kaum sitze ich, ruft die Zahnarztpraxis an und macht vier weitere Termine für die Behandlung aus. Der erste davon ist mit mindestens zwei Stunden eingetragen.


Am Donnerstag habe ich frei. Im Terminkalender steht nur, dass die Holzlatten für das Gartenhausdach geliefert werden. Die muss ich dann hochtragen, aber ansonsten kann ich machen, was ich will. Ich bin gut gelaunt und freue mich über den frühlingsfrischen Garten, die Tulpen und das geschäftige Zimmersuchen im Bienenhotel. Es ist so schön, wenn es endlich grün, bunt und summend losgeht.

Das Holz für das neue Dach des Gartenhauses wird am frühen Nachmittag geliefert und kommt vorübergehend in den Hof. Dann greife ich zu einem dicken Hammer und einem Akkuschrauber. Bevor das neue Dach gemacht werden kann, muss das alte runter. Bisher sitzt es, obwohl es morsche Stellen hat, überraschend fest. Als ich einige Randschrauben gelöst habe, kann ich mit festen Hammerschlägen die ersten genagelten Dachbretter lösen. Das bedeutet: Hoch auf die Leiter, hämmern, runter, Leiter verschieben, wieder hoch, hämmern … Dazu immer wieder Teile der klebenden Dachpappe lösen und an den Brettern ziehen, reißen, drehen. Puh! Es ist anstrengend, aber endlich klappt der Anfang. In den letzten Jahren hätte ich es nicht gemacht, aber jetzt freue ich mich sehr über das große Loch im Dach.


Am nächsten Tag hämmer ich weiter am Dach und reiße ab. Manche Schrauben lassen sich nur schwer rausdrehen und immer wieder muss ich die Leiter verschieben und mich durch andere Zwischenräume in der Lattung zwängen. Das Arbeiten selbst macht keinen Spaß, der Spaß kommt, weil das Hämmern und Zerstören erfolgreich ist. Brett für Brett kann ich entfernen, und weil ich vorher befürchtete, dass ich bestimmt eine Woche dran sein würde, ist es umso erfreulicher, dass ich so schnell vorankomme.

Zufällig gibt es am Nachmittag eine kurzfristige Bombenentschärfung im Dorf. Die nahen Anwohner werden evakuiert, Straßen und Autobahn abgesperrt, ein Hubschrauber fliegt beobachtend über den Ort. Ich habe vom Grillplatz gute Sicht auf den Bereich mit der Bombe. Als sie gezündet wird, steigt eine mittlere Staubwolke auf und Sekunden später macht es leise „Poff“. Gelungen, würde ich sagen. Beim dörflichen Schützenfest wird lauter geknallt. Ich überlege, ob ich mein teilzerstörtes Grillhaus als Sprengschaden bei der Versicherung melden könnte. Ähm … nö.

Am Abend habe ich das gesamte Dach und die Konterlattung entfernt. Ziemlich viele Muskeln und Gelenke merken die grobmotorische Arbeit. Ich lasse mich in den Sessel fallen und stöhne: „Boah, ich bin jetzt ein bisschen kaputt.“ Der Gatte kommentiert treffend: „Du hast ja auch ganz schön viel kaputt GEMACHT.“


Gleich am nächsten Morgen geht es weiter. Die alten Wellplatten schichte ich woanders auf, die Dachpappenreste kommen in große Tüten, der Gatte holte letzte Nägel und Schrauben aus den verbliebenen Dachbalken. Das Grillhaus, das ich vor 20 Jahren ganz alleine gebaut habe, hält dafür, dass ich es ganz alleine und einfach drauflos gebaut habe, immer noch sehr gut. – Die Geschichte, wie ich aus der Wildnis einen Grillplatz mit Laube schaffte, ist immer noch hier auf der Homepage bei „Kreatives“ zu lesen. Ich kann mich genau erinnern, wie ich mit Gummistiefeln an den Füßen auf der Erde herumsprang, um sie zu verdichten. Und wieviel Kopfzerbrechen es mir machte, wie ich die Pfosten der Laube einbetonieren kann, ohne dass sie mir dabei nacheinander umkippen.

Mit dem Gatten zusammen trage ich die Kreissäge auf den Platz und säge dann die langen Nut- und Federbretter, die noch voll mit kleinen Nägeln sind, vorsichtig in transportable Stücke. Das Holz und die alte Dacheindeckung muss ich demnächst zur Deponie fahren.

Die Katze, die ja immer dabei ist, wenn irgendwo gearbeitet wird, beteiligt sich wie üblich.:

Für den Samstagabend habe ich mir vorgenommen, noch mindestens eine Stunde lang Kreativzeit zu haben und weiter an der Klappmaulkatze zu nähen. Aber nach dem grobmotorischen Hämmern und Zerstören bin ich viel zu müde, um noch konzentriert kleine Stiche zu machen. Nicht mal denkfaules Strümpfestricken schaffe ich. Es reicht gerade noch für einen Sessel, eine Decke und den Fernseher. Auch gut.