Blog 894 – 15.06.2025 – Sperrung, Improvisation, Hagel und Treppenstufen
Der Sonntag ist frei, eine ruhige Woche liegt vor mir. Denke ich. Da ruft mein Vater an. Seine Heizung funktioniert nicht. Oh, nein, immer etwas Neues! Wieso kann es nicht mal drei Tage ruhig bleiben? Aus der Entfernung kann ich nicht beurteilen, woran das Nichtfunktionieren liegt, also müssen der Gatte und ich hinfahren. Die Heizung ist tatsächlich kalt. „Seit Donnerstag“, sagt die Betreuungskraft, und ich kann nicht fassen, dass sie nicht vorher Bescheid gesagt hat. „Warum habt ihr nichts gesagt?“, frage ich und erhalte ein Schulterzucken. Hat wohl niemand gefroren.
Die Gasheizung im Keller ist sehr alt und hat ein veraltetes Heißluft-System. Ob sich da noch etwas reparieren lässt, wenn ein wichtiges Teil kaputt ist, ist fraglich. Zum Glück ist gerade nicht Winter. Beim Begutachten entdecken wir an einer der Gasleitungen ein Schild „Gasleitung gesperrt“. Ist das neu oder hängt es schon länger? Warum ist es überhaupt da? Ich habe keine Ahnung.

„War in den letzten Tagen jemand hier und hat das Gas am Brenner abgestellt“, frage ich. „Nein.“ Vermutlich also nicht, aber mein Vater vergisst auch manches schnell. In der Ecke des Schildes steht die Adresse der Firma, die vor zwei Jahren eine Wärmepumpe für heißes Wasser eingebaut hat. Bei der werde ich anrufen müssen. Leider erst in zwei Tagen, denn heute ist Sonntag und morgen ein Feiertag. Der Brenner startet auch bei Knopfdruck nicht, darum lassen wir ein elektrisches Heizöfchen da, mit dem morgens das Badezimmer angewärmt werden könnte, und fahren wieder nach Hause.
Der Feiertag – Pfingstmontag – bleibt tatsächlich ruhig. Abgesehen davon, dass wir Alternativen überlegen, falls der Brenner nicht mehr aktiviert werden kann, und im Internet nach Firmen gucken, die ich wegen einer Reparatur anrufen könnte. Den Tag über dümpel ich herum. Es geht mir gut, ich habe auch Energie, aber es schleicht sich immer stärker ein Bedürfnis nach Urlaub ein. Nicht um wegzufahren, sondern um einfach mal drei Wochen nicht erreichbar zu sein und ohne fremdbestimmte Termine und Aktionen zu sein. Immerhin kann ich im Garten sitzen und Vorderbeine an die Katze nähen. Zwei Mal, denn meine erste Umsetzung sieht nach dem Annähen nicht gut aus, so dass ich alles wieder abtrenne und es anders versuche. Ich muss da eine Mischung zwischen „optisch schön“ und „voll beweglich“ machen.

Den Dienstag starte ich an meinem Schreibtisch mit einer vorbereiteten Anrufliste, die vom unbekannten Absperrschild über Heizungsfirmen bis hin zur Frage nach einem Tagespflegeplatz geht. Es hat sich einiges angesammelt und ich werde mich geduldig Warteschleifen, Nichtzuständigkeiten und angekündigten Rückrufen, auf die ich ewig warten werde, stellen. Ich habe so gar keine Lust. Überhaupt eine Firma zu finden, die nach der kaputten Heizung sieht, wird vermutlich viel Aufwand bedeuten. Alle Anrufe haben mit meinem Vater zu tun, kein einziger mit mir, fällt mir nebenbei auf. Beim ersten Anruf werde ich überrascht, denn es hebt sofort jemand ab. Es scheint der Chef zu sein. Ich frage nach der Bedeutung des Absperrschildes und bekomme als Antwort: „Das Schild ist nicht von uns.“ „Aber Ihr Firmenname steht drauf.“ „Was??“ Er bittet um ein Foto, das ich sofort schicken kann. Wenige Minuten später ruft er zurück und erklärt, dass das Schild im Zuge des Wärmepumpeneinbaus aufgehängt wurde, danach aber sofort hätte entfernt werden sollen. Ist das schon mal geklärt. „Könnten Sie vielleicht auch nach dem nicht funktionierenden Brenner gucken?“, frage ich, weiß aber schon, dass er das ablehnen wird. „Natürlich. Geht es in der nächsten Woche?“ Was?? Auch die anderen Punkte auf der Liste klären sich blitzschnell – die vielen Heizungsfirmen brauche ich ja gar nicht – und es ist sogar einmal wöchentlich ein Tagespflegeplatz in der Wunschgruppe frei. „Kommen Sie doch am Donnerstag mit Ihrem Vater ins Büro, dann können wir alles besprechen.“ Ja, prima, auch wenn es bedeutet, dass ich nicht nur am Mittwoch, sondern am Donnerstag schon wieder zu meinem Vater fahren werde.
Vorher möchte ich im Garten das nächste Bauprojekt starten: Den Aufgang zum Grillplatz. Der verläuft schräg und gewunden, und schon als ich ihn vor 19 Jahren gebaut habe, dachte ich, dass das Begehen etwas riskant sein könnte. Damals konnte ich mit meinen händischen Mitteln aber noch keine guten Treppenstufen bauen. Bei Regen ist der Weg tatsächlich etwas rutschig, aber passiert ist noch nichts. Inzwischen kann ich aber feste Treppenstufen aus Hohlblocksteinen und schweren Terrassenplatten bauen. Zum genauen Berechnen und exakten Millimeterarbeiten bin ich nicht geboren, ich bin eher „Gruppe Improvisation“, aber mit Hilfe einer Wasserwaage messe ich den Höhenabstand, teile den durch eine bequeme Stufenhöhe und komme auf fünf Stufen. Der Rest bleibt Improvisation.

Am späten Nachmittag fahre ich mit dem Gatten zum Baumarkt, wo wir die Terrassenplatten kaufen. Die wiegen jeweils 37 Kilo, weswegen wir sie zu zweit ins Auto wuchten und dann erstmal darin liegenlassen, weil wir keine Lust haben, sie auch noch bis in den Hof zu schleppen. Außerdem muss ich noch kochen, denn für den nächsten Tag bei meinem Vater habe ich mit der Betreuungskraft abgesprochen, dass ich das Mittagessen mitbringe.
Am nächsten Morgen fahre ich früh los und habe einen vorbereiteten Hackbraten, fertig gekochtes Möhrengemüse und ungekochte Kartoffeln, aus denen ich frisch Kartoffelpüree machen will, mit. Kaum betrete ich das Haus, wirft die Betreuung einen Blick in meinen Korb und fragt verwundert: „Hast du Essen? Ich habe schon gekocht.“ Na, toll. Sie hat es vergessen. Und dafür stehe ich am Vorabend eine Stunde lang in der Küche. Na, egal. Ärgern nützt nichts. Nehme ich das Essen am Abend eben wieder mit und werde es am nächsten Tag selber essen.
Am nächsten Morgen fahre ich gleich wieder zu meinem Vater, denn der Informationstermin bei der Tagespflege steht an. Bisher wollte er nicht hin, aber ein Bekannter, der in einer der Gruppen ist, schlug ihm vor, doch auch zu kommen. Es geht uns dabei nicht um die Versorgung, die hat er zuhause sehr gut, aber er käme an einem Tag in der Woche mit anderen Leuten zusammen, hätte Programm und könnte sich unterhalten. Nachdem im Büro alles ausführlich besprochen ist, schlägt die Leiterin spontan vor, dass mein Vater sofort in die Gruppe gehen und den Probetag machen könnte. Das macht er. Für mich bedeutet es, dass ich ihn viereinhalb Stunden später wieder abholen muss. Ich überlege kurz, ob ich mich in der Zwischenzeit im naheliegenden Ikea aufhalte und etwas herumstöbere, aber viereinhalb Stunden lang? Also fahre ich die 25 km nach Hause und drei Stunden später wieder zurück, um meinen Vater die 850 Meter zwischen seinem Haus und der Tagespflege zu transportieren. Puh, am Sonntag hin und zurück gefahren, am Mittwoch auch und heute gleich zwei Mal. Zum Ausgleich für das viele Sitzen im Auto schleppen wir am Abend die schweren Terrassenplatten vom Auto bis in den Hof.
Am nächsten Morgen schickt die Betreuungskraft ein Foto von der Anleitung eines Bluttests, den ich mit ihr in der Apotheke bestellt hatte und den sie gerade abgeholt hat. Ich hatte ihr gesagt, dass ich die deutsche Anleitung lese und ihr telefonisch erkläre, was sie machen muss. Allerdings ist die Sache etwas kompliziert, es gibt viele Einzelteile und in der Erklärung Begriffe, die ich jemandem mit nur mittleren deutschen Sprachkenntnissen nicht gut am Telefon erklären kann. Wie soll ich „Probenverdünnungspuffer“ und „Glas-Kapillarröhrchen“ mit einfachen Worten umschreiben? Und ob „mit der Pipette drei Tropfen genau auf Feld S tropfen“ dann tatsächlich richtig verstanden wird, weiß ich am Telefon nicht. Es hilft nichts. Ich muss schon wieder zu meinem Vater fahren, um ihr dort den Test zu erklären.
Der Test fällt negativ aus, aber etwas krank ist sie trotzdem. Ich rufe beim Hausarzt an und frage nach einem Termin für sie. Sie bekommt einen für Montag. Da werde ich sie begleiten und darum schon wieder zu meinem Vater fahren müssen. Und am Dienstag auch, denn dann kommt meine Tante zu Besuch und möchte mit uns essen gehen, und am Mittwoch sowieso, denn dann ist Papa-Tag. Kein Wunder, dass ich zu nichts komme und eine Sehnsucht nach Urlaub habe, in dem ich nicht erreichbar bin.
Damit ich auch an mein Bauprojekt komme, fange ich am Freitagnachmittag an. Die vor 19 Jahren nur in Split gehauenen Steine sitzen immer noch sicher fest. Ich heble die ersten Lücken hinein und denke daran, wie ich damals alles gebaut habe. Dafür, dass ich das alles nie gemacht hatte und mich mit eigenen Überlegungen und Ideen durchgebaut habe, finde ich das Ergebnis immer noch ziemlich gut.

Es ist sehr heiß, die Sonne knallt, ich hole Steine und Platten raus, und nach einer Weile merke ich, dass ich völlig überhitzt bin und der Kreislauf schwankt. Da gehe ich doch lieber erstmal rein, kühle ab und warte bis zum frühen Abend, wenn die Sonne nicht mehr so knallt. Kaum sitze ich drinnen, kommt der Gatte zu mir und stellt verwundert fest, dass ich merkbar Hitze ausstrahle. „Du bist total heiß. Das aber unangenehm“, sagt er. Na toll. Wir haben genau heute Hochzeitstag und das ist ein Satz, der zu Beginn gut passt, dessen zweiter Teil für eine Frau aber nicht nett zu hören ist. Ich muss trotzdem lachen.
Am Samstag nehme ich die letzten Steine weg, fege den Split zur Wiederverwendung zusammen und habe einen Naturweg vor mir. Der ist allerdings noch rutschiger als der vorher schräg gepflasterte. Treppenstufen werden ihm guttun. Ich habe noch keine Ahnung, wie ich die anordnen werde. Mein Plan: Unten irgendwo anfangen und oben irgendwie passend ankommen. Das ist zu schaffen.

Es ist immer noch heiß und ich mache zwischendurch Pausen zum Abkühlen. Am frühen Nachmittag wird das legendäre „Fußballsaufen“ im Kölner Stadtwald beginnen, das schon lange im Kalender steht und zu dem ich fahren möchte, um ein paar Leute wiederzusehen. Angesichts der Hitze möchte ich jetzt aber lieber nicht mit dem Auto bis nach Köln fahren und dort in der knalligen Sonne sitzen. Das ist zwar schade, aber es ist mir echt zu heiß. Ich sage mit Verweis auf die hohen Temperaturen ab.
Am Mittag zieht es sich am Himmel gewitterlich zusammen. Partiell soll es regnen, aber nicht überall. „Hier nicht“, denke ich, denn ich habe Wäsche auf der Leine hängen und ich will ja an einen Weg bauen, da kann ich keine matschige Erde gebrauchen.

Etwas später fallen erste Tropfen. Ich renne los, hänge hastig die Wäsche ab und bin gerade im Haus, als es losgeht. Aber wie. Mit Starkregen, Wind und Hagel.


Nach zwanzig Minuten hört es so schnell auf, wie es angefangen hat. Überall liegen abgeschlagene Blätter und kleine Äste, die übervollen Wassertonnen tropfen, in der Ferne sind Martinshörner zu hören, in den Ecken liegen letzte Hagelkörner und die Sonne scheint.

Eine gute Stunde später gibt es eine zweite Starkregenrunde. Regnet es beim Fußballsaufen auch gerade so heftig oder schwitzen sie ächzend in der Sonne? Ich weiß es nicht, aber bei mir ist es jetzt kühl genug, um draußen im nassen, schweren Boden weiterzumachen. Spontan finde ich, dass ich den Weg nicht mit einer Stufe, sondern mit einer Pflasterfläche beginnen möchte. Die Arbeit ist anstrengend, ich grabe, fülle, buddle, trage Pflastersteine und werde sehr dreckig, aber es macht Spaß. Die Aktion „Treppenstufen zum Grillplatz“ ist erfolgreich gestartet. Und die Betreuungskraft ruft zwischendurch an und fühlt sich wieder gesund, so dass ich den Arzttermin am Montag wohl absagen kann.
