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Blog 769 – 22.01.2023 – Frühling, Knospen, Winter, Schnee

Der Sohn hat sich in Frankfurt in sein Apartment eingewöhnt und am Montag seinen Arbeitsplatz bezogen. Der Start in sein neues Lebensumfeld läuft sehr gut an – bei den abendlichen Anrufen ist er gut gelaunt und wirkt „angekommen“. Bei mir könnte der Alltag weiterlaufen, es ist aber nicht so. Da der Sohn zwei Jahre bei uns wohnte, weil er zuerst die Finalfassung seiner Masterarbeit bei uns schrieb und nach dem offiziellen Ende des Studiums blieb, um von hier in eine Stelle zu starten – was unerwartet lange dauerte -, bleibt jetzt eine Leere, an die ich mich erst wieder gewöhnen muss. Das gemeinsame Mittagessen, seine witzigen Bemerkungen und auch seine täglichen Updates und Einschätzungen zur Lage in der Ukraine und Russland fehlen mir. Einen Politikwissenschaftler mit großem historischen und politischen Hintergrundwissen im Haus zu haben, lohnt sich. Ich setze darauf, dass das jetzt die Frankfurter Firma auch denkt, die ihn mir abgeworben hat.

Aber ich habe keine Zeit zu klagen. Immerhin kann ich sein Zimmer demnächst zum Malen nutzen und meine Staffelei dort aufstellen. In meinem engen Arbeitszimmer geht das zwar, aber mit mehr Platz um mich herum, kann ich freier arbeiten. Das andere ehemalige Kinderzimmer ist seit zwei Jahren das Homeofficebüro des Gatten. Ich erinnere mich noch, wie eine Bekannte mich nach dem Auszug der Kinder fragte: „Machst du aus einem der Kinderzimmer jetzt ein Bügelzimmer für dich?“ Ein Bügelzimmer??? Auf so eine Idee wäre ich niemals gekommen! Bibliothek, Werkstatt oder Atelier – aber Bügelzimmer? Niemals! Ganz nebenbei bleiben beide Zimmer weiterhin die Zimmer der Söhne, wenn sie zwischendurch zu Besuch sind.

Im Garten beginnt es angesichts der warmen Temperaturen zu knospen und zu blühen. Sogar die Himbeeren treiben fröhlich aus. Ich schnappe mir eine Gartenschere und schneide alles zurück, was nicht an den Austrieben des letzten Jahres wiederkommen soll.

Dann betrachte ich die Weinreben kritisch. Sieht es nicht aus, als ob einige Knospen kurz vor dem Anschwellen sind? Die Reben müssen geschnitten sein, ehe sie austreiben, ansonsten tropfen sie tagelang an den Schnittstellen. Sicherheitshalber kürze ich radikal. Es ist viel zu früh dafür, aber die alte Regel, dass der Wein erst im März, am Ende des Winters geschnitten wird, lässt sich angesichts der warmen Winter nicht mehr durchziehen.

Fipsi genießt das warme Wetter. Ich möchte so gerne Fotos von ihr machen, wenn sie im Anflug ist, aber sie ist zu schnell und meistens nur verwischt zu sehen. Diesmal ist sie einigermaßen scharf getroffen, hat aber unmittelbar vor der Landung einen kleinen Hopser nach oben gemacht und ist damit knapp aus dem Bildausschnitt raus. Es ist nicht leicht.

Ansonsten: Hirsefrühstück in der Morgensonne.

Kaum habe ich im Garten die wichtigsten Pflanzen zurückgeschnitten, wird es schlagartig kälter und schneit sogar. Na, toll. Jetzt können die zurückgeschnittenen Reben Frostschäden kriegen.

Im frischen Schneetreiben fahre ich zu einer Beerdigung. Klaus Schramm, ein Maler und aktiver Kunstschaffender aus dem Ort ist gestorben, und ich kann mir noch kaum vorstellen, dass ich ihn im Doppelpack mit seiner ebenfalls künstlerisch tätigen Frau nicht weiterhin im Baumarkt oder auf der Straße zufällig treffe und wir uns unterhalten. Er wirkte manchmal still und grantig, war aber ein herzlicher und grundfreundlicher Mensch, den ich sehr schätzte.

Die Kapelle, in der die Trauerfeier stattfindet, ist rappelvoll, und so stehe ich mit einigen Leuten davor und höre der Übertragung über Lautsprecher zu. Als eine Violinen-Arie eingespielt wird, sind das einige magische Minuten. Ich drehe mich um und gucke auf den Friedhof. Es ist ganz still, Schneeflocken fallen lautlos auf Wege und Grabsteine, und nur der sanfte Klang einer Geige schwebt über allem. Wunderbar und wunderschön.

Auch am nächsten Tag liegt noch Schnee, was für das Rheinland dann schon ein richtig heftiger Winter ist. Fipsi kommt zum Frühstücken, wirkt fit und hat warme Füße. Prima.

Für den Abend habe ich mit dem Düsseldorfer Sohn Karten für das Frechener Harlekin-Theater. Ich gucke aus meinem Wohnzimmerfenster und frage mich, ob das angesichts der gefrorenen Schneestraßen überhaupt klappen kann. „Och, bei uns ist es okay“, sagt der Sohn am Telefon und hört sich etwas verwundert an. Als ob seine Eltern wegen drei Zentimetern Schnee Panik machen würden. Aber der fände vermutlich auch zwanzig Zentimeter Schnee noch völlig okay. Weil öffentliche Verkehrsmittel bei Schnee wenig termingerecht zu planen sind, beschließe ich, den Sohn am frühen Abend mit dem Auto in Düsseldorf abzuholen und nach der Vorstellung zurückzubringen.

Am Nachmittag fege ich schon mal den Schnee vom parkenden Auto und kratze mühsam die dick befrorenen Scheiben frei. Als ich am Abend starte, geht es über dick gefrorenen, rutschigen Schnee auf der Straße – bis zur Straßenecke. Ab da ist die Fahrbahn komplett schneefrei und nur an den Rändern und in den Vorgärten ist es noch weiß. Schon wenige Kilometer später ist vom Winter nichts mehr zu sehen. In Düsseldorf auch nicht. Der Sohn kommt zum Auto, sieht einen Schneerest auf der Motorhaube und freut sich: „Schnee!! Ich dachte schon, du übertreibst.“ Ganz schneefrei und problemlos fahren wir nach Frechen, und nur auf dem dortigen Parkplatz ist es ein wenig vereist. Ich wohne knapp 20 Kilometer weg und habe das Gefühl, ich komme aus einer anderen Welt.

Von den sechs Mitspielern, die „Die Falle“ spielen, kenne ich vier. Zwei davon haben bei den „12 Geschworenen“ mitgespielt. Im Stück gibt es einige Wendungen und ich vermute die ganze Zeit über, dass eine der Personen am Ende doch eine andere ist, als sie zeigt. Das trifft auch ein. Aber dann wendet sich nochmal alles und ist doch ganz anders. Gut! Wir unterhalten uns nach dem Stück noch ein wenig mit den Mitspielern, und auf der Rückfahrt stellen der Sohn und ich wieder fest, dass wir Lust auf ein neues Theaterstück haben. Ich schreibe mein schon grob durchgeschriebenes Theaterstück in diesem Jahr auf jeden Fall fertig, so dass das vielleicht im nächsten Jahr gespielt werden könnte. Und auch ein gemeinsames Kinderstück mit dem Sohn, bei der er die Musik schreiben könnte, wäre mal wieder eine schöne Sache. Der muss allerdings erst eine fette Arbeit fertigschreiben und hat erst danach wieder Zeit. Ach, ich glaube, das Jahr wird recht kreativ werden.