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Blog 767 – 08.01.2023 – Spiegelnde Fensterflächen und Flugperfektion

Nach der lauten Silvesternacht mit dem lauten Pfeifen, Zischen und Krachen erwarte ich, dass Fipsi verschreckt ist und erstmal nicht kommt, aber sie ist pünktlich zum Frühstück da. Nach ihrer Aufregung in der Nacht scheine ich am Morgen ein beruhigender Faktor zu sein. Allerdings hopst sie bei jedem kleinen Geräusch hoch und ist nervös. Von mir aus könnte das nächtliche Geballere komplett eingestellt werden. Wie hirnrissig, mit Getöse und Umweltbelastung über 100 Millionen Euro einfach in die Luft zu knallen!

Nach einem entspannt vertrödelten 1. Januar fahre ich am nächsten Tag zu meinem Vater, um die Wohnung klar zu machen. Am Nachmittag kommt er von seiner Weihnachts-Silvesterreise zurück, und vorher drehe ich die Heizung hoch, gieße die Blumen, stelle ihm frisches Brot und Aufschnitt hin und koche Essen, das ich in den Kühlschrank stelle. Es ist nett, wenn man müde und hungrig nach Hause kommt und dort alles gemütlich ist.

Am nächsten Tag fahre ich zusammen mit dem Sohn nach Frankfurt. Wir haben einen Termin zur Besichtigung des möblierten Apartments. Es wird dringend, denn zehn Tage später wird sein erster Arbeitstag sein – nicht unpraktisch, wenn er dann auch eine Wohnmöglichkeit hat. Unsere Ankunftszeit haben wir extra früh gelegt, um noch in Ruhe durch das Viertel zu laufen und uns umzusehen. Es ist alles in der Nähe, was man zum täglichen Leben braucht, nur kein Park, kein Wald, kein Feld zum Spazierengehen. Stattdessen Häuser, Straßen, spiegelnde Fensterflächen. Stadtleben eben.

Das kleine Apartment ist ganz neu, sehr schön eingerichtet, hat alles, was man braucht und ist tatsächlich gemütlich. Außerdem liegt es nur wenige Fußminuten von der Arbeitsstelle entfernt. Der Preis für die kleine Wohnfläche ist recht hoch, was aber relativ ist. Andere Wohnungen in der Umgebung können etwas größer und damit 2-Zimmer-Wohnungen sein, in der Warmmiete sind sie aber ähnlich im Preis, so dass vom Geld her nichts gespart ist. Weil das Studio möbliert ist, sparen wir uns aber jetzt einen kompletten Umzug mit Möbelwagen, Schleppen und Zusammenschrauben. Lieber also 22 Quadratmeter möbliert und sofort wohnfertig, als 45 Quadratmeter tapezieren und erst einrichten. Sollte es bei Frankfurt als Arbeitsort bleiben, kann sich der Sohn noch in aller Ruhe nach einer passenden Wohnung umsehen.

Nach der Besichtigung, die sehr freundlich, angenehm und mit Zeit durchgeführt wird, würde der Sohn das Apartment gerne mieten. Es passt und gefällt alles. Zuerst müssen aber die Unterlagen im Apartmenthaus-Verwaltungsbüro eingereicht und geprüft werden. Schon wieder müssen wir einige Tage bis zum Ergebnis warten. Es sieht alles recht gut aus, aber man weiß ja nie, darum bleibt es spannend. Falls es eine Absage gibt, wird es stressig, denke ich, suche aber trotzdem nicht parallel nach anderen Apartments. Es wäre schön, wenn es dieses würde.

Der Winter ist mild. Für Fipsi ist das ein Glück, denn bisher lässt es sich gut aushalten. An einem windigen Tag kommt kurz ihre sonst gut verdeckte Daunenunterwäsche zum Vorschein. Kein Wunder, dass flaumig und mehrschichtig gepolsterte Vögel auch eisige Zeiten ganz gut überstehen können.

Am Ende der Woche koche ich „Jelly Crystals“. Die haben wir in Frankfurt beim Rundgang durch das Viertel in einem indischen Laden gekauft. Es scheint pakistanische Götterspeise mit Algengeliermittel zu sein, in den Geschmacksrichtungen Mango und Banane. Als sie zum Festwerden in den Schüsseln ist, sieht sie farblich wie deutsches Zitronen- und Waldmeistergelee aus.

Am nächsten Tag probieren wir beide. Mmh, lecker. Warum das Bananengelee grün ist, ist mir unklar, aber egal.

Als wir gerade gegessen haben, kommt per Mail die Zusage für das Apartment. Wir jubeln los, was zeigt, dass wir trotz äußerlich angezeigter Ruhe innerlich doch ganz schön angespannt waren. Es wäre einfach voll doof, in Ermangelung einer eigenen Wohnung die ersten Wochen in einem Hotelzimmer verbringen zu müssen. Abgesehen davon, dass das noch viel teurer als das kleine Apartment wäre. Außerdem macht das gut eingerichtete Zimmer ein Tinyhouse-Gefühl, was einen eigenen Reiz hat.

Jetzt haben wir noch fünf Tage Zeit, um alles zu packen, was er im Apartment haben muss. Bettwäsche, Kochzeug, Kleidung und Zahnbürste. Das meiste liegt in seinen Kisten, die zusammen mit den auseinandergeschraubten Möbeln seiner Chemnitzer Wohnung bei uns im Anbau eingelagert sind. Da alle Schränke, Tische und Stühle hier bleiben, werde ich vorerst keinen Platz für eigenen Kram bekommen. Dafür muss ich jetzt auch nicht alles mit ihm rausschleppen, bis nach Frankfurt transportieren und dort wieder zusammenbauen. Ich finde, es läuft prima.

Nur dass der Sohn dann nicht mehr bei uns wohnt, keine täglichen Updates mehr zur Lage in Russland und der Ukraine gibt, nicht mehr so viele Kannen Tee gekocht werden, die abendlichen Brettspiele am Küchentisch ausfallen und überhaupt viele schlaue und witzige Bemerkungen fehlen, ist nicht so schön. Aber für ihn freue ich mich, weil er jetzt wieder voll in Themen eintauchen kann, die ihn interessieren und mit denen er sehr gerne arbeitet. Außerdem wird jetzt sein Zimmer wieder frei und da passt sehr gut die Ölmalstaffelei hinein …

Von Fipsi machen wir ein kurzes Video in Superzeitlupe, das zeigt, wie geschickt und souverän sie fliegen kann. Ganz großartig.

Ich bin ein bisschen stolz, denn schließlich bin ich ja die Pflegemama und das Fliegen hat sie bei mir in der Küche gelernt. Bei ihren ersten Flugversuchen flatterte sie wild los, machte dabei einen leichten Bogen nach unten und flog bis an die Wand, an der sie runterrutschte. Kurz danach konnte sie schon einen Bogen nach oben fliegen und sich da, wo sie ankam, festklammern oder sogar landen, etwas später konnte sie die ersten Kurven einbauen. Jetzt ist in der Zeitlupe zu sehen, wie sie die Flügelfedern ausbreitet und elegant schwingt, in der Luft die Richtung ändert und ihren Schwanz passend zum Gleiten und Bremsen ausbreitet. Es sieht alles sehr gekonnt aus und wunderschön.