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Blog 771 – 05.02.2023 – Erinnerungen, Alarmanlage und trendiges Duschen

Am Sonntag bringen der Gatte und ich den Sohn 200 km nach Frankfurt zurück. Während der Autofahrt hören wir „Skandal“ von den Wise Guys und werden schnell tief in die Vergangenheit katapultiert. Die Lieder und Stimmen sind völlig vertraut und gehörten viele Jahre eng zu unserem Leben. Wie schnell wir gefühlt wieder in dieser Zeit sind! Wir lächeln vor uns hin, singen manchmal mit, und plötzlich sagt der Gatte, selber erstaunt: „Das ist jetzt 24 Jahre her!“ 24 Jahre!

Unsere Söhne waren in den ersten Jahren unserer Wise Guys-Liebe Grundschulkinder und von den Wise Guys bei Konzerten, Backstage, Videofilmen und privat umgeben. Sie haben selber viele Erinnerungen. Dass ein Sohn jetzt nach Frankfurt gezogen ist, wo wir im Jahr 2000 in der Alten Oper das erste Mal versuchsweise für die Wise Guys ein Konzert mitgefilmt haben, woraus eine jahrelange Zusammenarbeit erfolgte, ist eine schöne Verbindung von damals zu jetzt.

In Frankfurt sieht sich der Gatte zum ersten Mal das Apartment des Sohnes an und findet alles sehr gelungen. Klein, aber mit seinen vielen Vorteilen für die nächsten Monate die perfekte Lösung. Der Sohn bedauert, dass es wenig grüne Fläche in Spazierweite gibt, ist aber wochentags sowieso mit seiner täglichen Vollarbeitszeit beschäftigt. Die findet er so interessant und genau richtig, dass er dafür großmütig das Großstadtleben in Kauf nimmt.

Im Apartment-Bad klemmt jetzt ganz aktuell eine bohrfreie Vorhangstange zwischen den Wänden, an der ein bodenlanger Duschvorhang hängt. Die moderne und schön aussehende Dusche hat nämlich eine trendy Regenwaldbrause, aber nur eine trendy schmale Glaswand als Spritzschutz. Sieht alles cool aus, bedeutet aber, dass auch beim vorsichtigsten Duschen Spritzwasser quer durch das Minibad spritzt. Designer: Trendy duschen und danach untrendy das Bad aufwischen. Mutti: Duschvorhang aufhängen.

Wir lassen den Sohn zurück und fahren nach Hause. Er hat alles Nötige in seinem Apartment, sein neues Leben ist gut gestartet und läuft. Auch der Geburtstag meines Vaters mit zwei kleinen Feiern, die ich relativ zeitaufwändig mitorganisieren musste, ist vorüber – eigentlich habe ich jetzt erstmal mehr freie Zeit. Eigentlich. Denn schon am nächsten Tag bin ich wieder bei meinem Vater, wo einiges zu tun ist. Quad-Versicherungs-Schild im Nachbarort abholen, mit dem Quad eine Proberunde fahren (ui, das Ding geht ab!), Post wegbringen, Staubsauger kaufen, bei der Bank vorbeifahren, Auto für den Verkauf vorbereiten, Mails schreiben, Mittagessen kochen. Erst am Nachmittag komme ich wieder nach Hause. Aber immerhin sind danach einige Sachen abgehakt und erledigt.

Draußen lockt mich der Garten, auch wenn es noch zu früh und zu kalt zum Werkeln ist. Das Unkraut legt aber schon wieder los. An einigen Stellen kann es bleiben, an anderen habe ich andere Designideen. Ich vermute, dass leider keine oder nur wenige Tulpenzwiebeln im „Tulpenmeer“ den trockenen Sommer überlebt haben. Der Standort zwischen den Weinpflanzen in der knalligen Sonne ist wohl nicht ideal. Zu meinem Erstaunen sehe ich einige grüne Spitzen zwischen dem frischen Unkraut sprießen. Mal sehen, was da noch kommt. Vielleicht zumindest ein „Teich“.

Morgens wird es inzwischen wieder früher hell und die Spatzen sind dementsprechend früher wach. Momentan ist für Fipsi etwa um halb Neun Frühstückszeit, im Dezember war es noch gegen Neun. An manchen Tagen kommt sie drei oder vier Mal zum Fressen. An anderen sind alle Spatzen am Vormittag komplett weg und erst am Nachmittag wieder da. Keine Ahnung, was für Ausflüge sie machen. Es wäre interessant, wenn wir Fipsi eine kleine Kamera auf den Kopf schnallen könnten, um ihre Wege und Erlebnisse mitzuverfolgen. Sie zumindest ein Mal am Tag zu sehen, ist beruhigend, aber ich mache mir keine Sorgen mehr, wenn sie nicht pünktlich zur Stelle ist. Das Leben draußen ist risikoreich, aber im Regelfall ist sie mit ihrer Spatzengruppe gut unterwegs.

An einem Abend ruft der Sohn gegen 22 Uhr aus Frankfurt an. Er steht vor dem Apartmenthaus, weil es drinnen aktuell Feueralarm gibt. Es riecht auch angekokelt, berichtet er. Eine halbe Stunde später ist er wieder drin. In seinem Stockwerk ist ein Essen angebrannt, während der Bewohner kurz sein Apartment verließ, dabei seine Karte zum Türöffnen vergaß und nicht mehr reinkam. Er hatte wohl sofort einen Schlüsselnotdienst angerufen, der aber langsamer als die Herdplatte war. Der Sohn filmt nach dem Wiederbeziehen des Apartments ein kurzes Video, auf dem durchgehend eine schrille Alarmsirene wimmert und beim wackeligen Schwenk durch den Flur Feuerwehrleute zu sehen sind. Es wirkt dramatisch und wie aus einem Katastrophenfilm. „Es ist alles wieder in Ordnung, nur der Alarm ist noch nicht abgestellt“, sagt er. Wir wünschen ihm eine gute Nacht und überlegen, ob der kochende Mitbewohner nun den Feuerwehreinsatz bezahlen muss.

Am nächsten Morgen ruft der Sohn müde an. Die Alarmsirene wimmert im Hintergrund. Die ganze Nacht über war sie aktiv und verhinderte treusorgend und für eine Alarmsirene vorbildlich den Schlaf der Bewohner. Auch ohne Feuer. Das Haus ist erst seit wenigen Monaten fertig, hat anscheinend eine funktionierende Alarmanlage, aber keinen Plan, wie und wo die wieder abgestellt wird. Vielleicht ist auch etwas falsch installiert. Der Sohn hat an diesem Morgen einen langen Arbeitstag vor sich, an dem er einen Vortrag halten wird. Mit schwarzem Tee und einem Kaffeeshot hält er sich wach. Am Abend sagt er: „Eine ganze Nacht mit schrillender Alarmanlage – demnächst werde ich darüber lachen können“, lacht aber schon beim Reden. 

Meine Kreativzellen springen herum und wollen etwas tun. Mir zuckt es sehr in den Fingern, einfach mal zwischendurch eine Klappmaulpuppe zu bauen. Schaumstoff schnitzen, Bezugsstoff vernähen, Augen basteln, eine Figur mit eigenem Charakter gestalten. Oder zumindest das schon grob geschriebene Theaterstück durcharbeiten und fertig machen. Leider bin ich vernünftig. Die letzten Teile der alten Küche müssen eingepackt und zur Müllkippe gefahren, die Kisten mit dem aussortiertem Küchenkram untergebracht werden und an allen Ecken ist noch etwas zu tun. Als ich im Garten Küchenreste zum Kompost bringe, komme ich an dem Baumstumpf vorbei, auf dem eine Steinfigur zum finalen Bearbeiten steht. Praktischerweise liegt das Werkzeug daneben griffbereit. Poch-poch-poch-poch, schon hämmer ich los und versinke eine Viertelstunde ins Steineklopfen. Hach, das tut gut.