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Blog 812 – 19.11.2023 – Theaterkritiker, Stromprobleme und Froschwitze

Am Sonntag gibt es ein privates Krimidinner. Diesmal ist der Mord auf einer Filmpremiere geschehen und ich bin ein Theaterkritiker. In die Rolle des Theaterkritikers kann ich mich problemlos einfinden, weil ich selber Konzertberichte schreibe.

Da die Rollen vorher blind und ohne Rücksicht auf das Geschlecht ausgelost werden, gibt es, wenn wir aufeinandertreffen, viel Spaß. Den Lachanfall löst diesmal die süße „19-jährige Tochter“ aus, die von einem durchtrainierten 1,90-Mitspieler dargestellt wird, der ein luftiges, silberglitzerndes und äußerst kurzes Minikleid trägt, aus dem unten lange, sehr behaarte Beine ragen. Weil er weder passende Pumps hat, noch darin überhaupt laufen könnte, trägt er Birkenstocksandalen. In den kurzen Haaren hat er ein schmales, glitzerndes Stirnband. Nein, es gibt keine öffentlichen Fotos der Gruppe. Aus Gründen.


Als ich bei meinem Vater bin, hat der seit einigen Tagen Stromprobleme im Haus. Nach seltsamen Ausfällen, die vielleicht von einer defekten Lampe kamen, funktioniert gerade alles wieder, nur nicht das Licht in der Garage. Mein Vater ist Elektriker und hat einen Meisterschein, und es wurmt ihn total, dass er den Fehler nicht findet. Vor über sechzig Jahren hat er die Verkabelung gelegt, weiß aber nicht mehr sicher, warum und wo welche Kabel zusammentreffen. Aufgeschrieben hat er es nicht, weil er davon ausging, dass er das behält, wo er es doch selber vorher überlegt hat. Selbstverständlich liegt alles sauber unter Putz. In den Verteilerkästen drängeln sich die Lüsterklemmen und die ankommenden Kabel, bei denen es auch freie Ende gibt, weil er irgendwann mal irgendwelche Stromkreise neu gemacht und dafür alte stillgelegt hat.

In der Garage gibt es vorne und hinten einen Lichtschalter und dazwischen die Lampe an der Wand. Da mein Vater eine intelligente Tochter hat, zeichnet er ihr schnell mal auf, wie eine Wechselschaltung aufgebaut ist. „Da ist die Phase, hier schwarz, wenn der Spannung hat, ist der tot und hier ist auch Phase. Hier kommt was an und da kommt was an und das da ist grau. Hast du das jetzt verstanden?“ „Ähm … „

Kurz darauf sitzen wir in der Garage, mein Vater bröselt an den Kabeln herum und misst die Spannung. Dabei überlegt er laut: „Hier kommt blau an, da ist schwarz. Das graue ist drüben, da müsste dort auch Spannung sein.“ Ich sehe ein schwarzes Kabel, das nicht angeschlossen ist und weise ihn darauf hin. Er, genervt: „Das hat doch nichts zu sagen! Das blaue ist wichtig. Ich habe es dir doch eben erklärt!“ Er überlegt weiter: „Drüben haben wir grau …“ Ich korrigiere: „Nein, drüben gibt es nur ein schwarzes Kabel, ein blaues und ein grüngelbes.“ Mein Vater wirkt leicht erstaunt, dass ich so doof bin und sagt: „Schwarz ist doch grau!“ Ich gebe auf und beschränke meine Hilfe auf das Leuchten mit einer Lampe, dem Anreichen von Werkzeug und schlau Gucken.


Am Freitag ist bundesweiter Vorlesetag und ich lese vor. Nicht bundesweit, sondern in der örtlichen Erich-Kästner-Grundschule, bei der ich auch Patin in der Aktion „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ bin. Im Vorfeld konnten die Kinder aussuchen, welche der gleichzeitig angebotenen Lesung sie besuchen möchten und sich ein Eintrittsticket dafür holen. Die Plätze bei den Lesungen sind begrenzt und die Kinder müssen sich rechtzeitig entscheiden, bevor die gewünschte Lesung vielleicht schon „ausverkauft“ ist. Am Lesetag müssen sie unbedingt ihr Ticket mitbringen, denn ohne gibt es keinen Einlass. Schon das finde ich klasse, denn das sind die kleinen Sachen, die tatsächlich auf das Leben vorbereiten. Alleine Entscheidungen treffen, rechtzeitig reagieren und dann auch zuverlässig an die Eintrittskarte denken.

Ich lese ein Bilderbuch mit einer lustigen und leicht schrägen, aber auch warmherzigen Geschichte vor, bei der sich ein Frosch, der mit einem Cabrio-Tretauto unterwegs ist, mit einem Storch befreundet. Die Kinder hören fasziniert zu und sind sehr konzentriert. Weil die Geschichte ein bisschen kürzer als die vorgegebene Zeit ist, habe ich eine Zugabe vorbereitet. Ich hole einen Klappmaulfrosch aus der Tasche, der ihnen noch einige Froschwitze erzählt. „Was bestellt ein Frosch im Restaurant? – Quark.“ Mit strahlenden Augen und immer wieder lachend hören sie ihm zu. Die letzten Minuten dürfen sie nacheinander den Frosch auf die Hand nehmen, was alle auch unbedingt machen wollen, und einige lassen ihn spontan einen Witz erzählen.

Ein Junge fragt: „Warum hast du den?“ „Der spielt bei mir in einem Theaterstück mit.“ „Was für eine Rolle?“ „Einen Frosch.“ Stille. Dann grinsend: „Oh ja, ist ja klar.“


Zuhause ordne ich meine „Puppenecke“ und räume die zum Spielkurs mitgenommenen Figuren wieder ein. Es gibt nicht genügend Platz für alle und sie müssen eng gedrängt und ins Regal gequetscht stehen. Blöderweise stauben sie so offen immer wieder zu, aber für Vitrinen mit Glastüren habe ich erst recht keinen Platz. Entweder darf ich keine weiteren Puppen mehr bauen – abgelehnt! – oder ich muss einige abgeben – och, nee! – oder ich verpacke sie in große Tüten und stopfe die unter das Bett. – Ähm, … na ja, bis jetzt geht’s ja noch.


In der Woche stehen zwei Theaterproben für „Tod auf dem Nil“ an, und so langsam setzt sich der Text im Hirn fest. Er kommt noch nicht immer sicher, aber wenn wir demnächst das Tempo einigermaßen draufhaben und nicht mehr so oft unterbrechen, wird das schon klappen. Inzwischen schleppe ich schon Dummie-Requisiten mit, um zu sehen, wann ich was in den Händen halte, wo ich was ablegen und wie ich es am besten wieder aufnehmen kann. Ach, sieh an! Es gibt Stellen, an denen ich mich gar nicht so frei bewegen kann, weil ich gerade viel tragen muss. Die Premiere ist erst im Mai, das ist noch ein halbes Jahr hin. Was für ein entspannter Luxus – der allerdings auch verlangt, dass das Stück dann richtig gut läuft und nicht, wie ich es schon öfter mal gesehen habe, nach zu kurzer Probezeit das Ergebnis hat: Wir können gerade einen Durchlauf spielen, ab jetzt sollten wir mal an den Feinheiten arbeiten – oh, nee, wir spielen ja schon!


Zuhause habe ich letzte Laut-lesen-Durchgänge für „Der nasse Fisch“, von dem ich in der nächsten Woche den dritten von fünf Teilen vorlese. Ich streiche noch ein paar Sätze, um möglichst bei den anvisierten 60 Minuten Lesezeit zu landen. Auch wenn ich viele Erzählstränge und sehr, sehr viele Personen- und Etablissementnamen rausgestrichen haben, bleiben immer noch reichlich miteinander verwobene Szenen übrig. Ich hoffe sehr, dass die Zuhörenden den Überblick bekommen und einigermaßen behalten. Vielleicht sollte ich am Ende zum Auflockern eine Polizisten-Klappmaulpuppe mitbringen, die Polizisten- und Mordfallwitze erzählt. Ach, die müsste ich erst bauen und ich habe ja keinen Platz mehr! Äußerst schade.