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Blog 784 – 07.05.2023 – Schlosspark, Nagelschere und der Prinz

Der Garten und ich führen im Frühling ein Hase-und-Igel-Leben. Ich bin der Hase. Optimistisch gehe ich an einen Bereich, der wild zugewachsen ist, schneide zurück, entferne die alles zuwuchernden Unkräuter, das eingestreut sprießende Gras und mache den eigentlich dort gewünschten Pflanzen Platz. Prima, sieht doch schon gut aus. Dann drehe ich mich um und blicke auf einen anderen Bereich, der unterdessen schon wieder kräftig zugewachsen ist. Der Garten ruft mit Igelstimme: „Ick bün all hier!“ – und ich beginne erneut. Ehe ich ordnend und formend durch den gesamten Garten gekommen bin, ist der erste Bereich schon wieder zugewachsen und braucht tatkräftige Hilfe.

Die Kaninchen freuen sich, denn es fällt viel für sie ab. Zwei Mäuse freuen sich überhaupt nicht, als ich einen abgestellten Nistkasten öffne, um ihn zu säubern. Als ich das alte, hoch aufgeschichtete Meisennest langsam herausziehe, starrt mich plötzlich hinter dem Nest eine recht große, braune Maus mit niedlichen Augen an, springt an mir vorbei ins Freie und verschwindet rechts im Kräuterbeet. „Och, nee“, denke ich. „Da war eine Maus drin.“ In dem Moment springt eine zweite Maus nach vorne, die wie ein Zwilling der ersten aussieht, starrt mich ebenfalls mit niedlichen Augen an, springt an mir vorbei und verschwindet nach links.

Sehr besorgt ziehe ich vorsichtig das Nest auseinander und befürchte, auf vier bis acht halbnackte Minimäuse zu stoßen, deren Eltern ich gerade vertrieben habe. Zu meiner großen Erleichterung ist es leer. Puh, Glück gehabt! Aber hätte ich gewusst, dass zwei Mäuse im Nistkasten wohnen, hätte ich den einfach hinten im Garten stehen gelassen. Hoffentlich finden sich die beiden wieder. Hoffentlich finden sie ein neues Haus. Und hoffentlich findet die Katze sie nicht.

Beim Aufräumen im Hof hebe ich eine große, feste Plastiktasche auf, die ich zwei Tage vorher auf dem Boden abgestellt habe. Sie kommt mir ungewöhnlich schwer vor. Ich greife hinein – Au! Ein Igel hat es sich darin gemütlich gemacht. Ich trage ihn in der Tüte nach oben in den Garten, stelle ein Schälchen mit Katzenfutter hin und sehe zu, wie er schnüffelnd rauskommt, zügig am Katzenfutter vorbeirennt und erstmal zwischen den Büschen verschwindet. Als ich später nachsehe, ist das Katzenfutter weg.

Die erste Welle Buchsbaumzünsler scheint weitgehend überstanden zu sein, die Buchsbäume treiben kräftig aus und sollten geschnitten werden. Vorher denke ich immer, ob ich sie nicht doch einfach wachsen lassen sollte, weil die lockere Buschform auch schön aussieht. In Form schneiden ist doch piefig. Aber der Buchs wird zu wirklich hohen und wilden Büschen, und außerdem mag ich den alten Schlosspark-Style sehr. Jedes Jahr bin ich überrascht, wie gut sich die Formen nachschneiden lassen – und wie sehr mir der geschnittene Buchs danach gefällt. Nur dass er trotz des Schneidens in jedem Jahr größer wird und irgendwann zu wenig Platz haben wird, macht mir etwas Sorge. Aber vielleicht erledigt das bis dahin der Zünsler.

Um den „Schlosspark“ aufzubrechen und meine Gartendesignleistung zurechtzurücken, gibt es weiterhin Stellen, an denen ich noch gewaltig zu tun habe und an denen ich irgendwann mal loslegen muss. Ich könnte so tun, als hätte ich sie absichtlich im nachlässigen Shabby-Style angelegt, aber – nee. Hier ist von mir schon lange eine kleine, schattige Waldterrasse angedacht:

Dagegen ist die zweite Hofhälfte jetzt aufgeräumt. Der Pavillon ist mehr als zwanzig Jahre alt und zeigt deutliche Schwächen in den Punkten Regenfestigkeit und Stabilität, aber er hält sich noch tapfer.

Einen Tag später liege ich im Garten meines Vaters auf dem Rasen und schneide mit einer Heckenschere das Gras. Klapp – klapp – klapp. Das erinnert so sehr an Rasenschneiden mit einer Nagelschere, dass ich mich sofort zur Schlossparkgärtnerin im Buckingham Palace berufen fühle. Tatsächlich ist es die einfachste Art, das hohe Gras vor einer Steinkante, das der Rasenroboter nicht erreichen kann, sauber zu kürzen. Erstaunlicherweise sieht das Ergebnis sogar ganz gut aus.

Dass ich Buchsbäume schneide und den Rasen mit der Schere kürze, könnte darauf hindeuten, dass ich Wert auf einen korrekt gepflegten Garten lege, mit dem Lineal unterwegs bin und Petunien in Reihen pflanze. Wer in meinem Garten ist, sieht sofort: Nein.

Am Kreativtag greife ich zum – jetzt wieder im Regal abgestellten – Unterlegscheiben-Kästchen und suche mir die kleinsten Exemplare raus. Der Führungsstab der Puppenhand hat zu viel Spiel und wackelt leicht, was eine gezielte Handführung schwer macht. Eingelegte Unterlegscheiben, – die in diesem Fall nicht „Unterleg-„, sondern „Einlegscheiben“ heißen müssten -, beheben das Wackeln sofort. Sie sind nur noch etwas zu groß – da werde ich demnächst im Baumarkt mal schauen, ob ich noch kleinere bekommen kann.

Den weiteren Kreativtag verbringe ich im Pavillon, wo ich am Theaterstück schreibe. Akt 1, Vorstellung der Personen und Einführung ins Thema. Es macht mir keine Probleme, Dialoge runterzuschreiben – die Verzögerungen gibt es, weil ich mich zwischen so vielen Möglichkeiten immer wieder entscheiden muss. Jeder Satz gibt die nächste Richtung vor und hat Einfluss auf den weiteren Verlauf. Und jede der Personen soll sich typisch verhalten, idealerweise im Verlauf des Stückes aber eine Änderung erfahren.

Ich gehe mit viel Energie und Freude an die Sache ran und bin gerade voll überzeugt, dass es ein lustiges und spannendes Theaterstück werden wird. Am liebsten würde ich auch schon die Filmrechte anbieten. Anke Engelke, Bastian Pastewka, Bjarne Mädel … – würde schon passen. Oder doch lieber mit bisher Unbekannten, die damit ihren Durchbruch haben? Wo stelle ich nur den dafür verliehen bekommenden Filmpreis hin? – Ähm, ich schreibe erst an Akt 1, und es kann durchaus sein, dass ich das Endergebnis dann doch nicht so genial finde. Also erstmal abwarten. Und schreiben. Bei aller Euphorie bin ich ja doch noch sehr realistisch.

Nett ist, dass neben mir ein winziges Heuschreckenbaby über meine Notizen läuft, immer wieder stehenbleibt und mir beim Schreiben zuguckt. Vielleicht möchte es eine Rolle im Stück bekommen. Oder mir kreative Energie geben. Vielleicht sitzt es auch einfach zufällig rum.

Am Ende der Woche wird in London der ewige Prinzcharles zum König gekrönt, was mit dem Pomp, dem Ablauf nach Protokoll und den alten Gewändern wie aus der Zeit gefallen aussieht. Vor dem Fernseher gucke ich eine Weile zu. Ich finde es eher überflüssig, aber trotzdem faszinierend. Außerdem ist die letzte britische Krönung schon mehr als siebzig Jahre her und wer weiß, wie viele es überhaupt noch geben wird.

Dass am Ende der Veranstaltung die Queen nicht mehr winkend auf dem Balkon steht, wo sie bisher doch immer mittig in ihrer Verwandtschaft stand, ist dann aber doch seltsam. Eine Einladung zu den Krönungsfeierlichkeiten an diesem Wochenende ist nicht gekommen, wäre aber auch nicht in Frage gekommen, denn ich streiche das Gäste-WC. Dort hat eine stark rußende Kerze dunkle Flecken auf den Wänden hinterlassen. Ich muss Prioritäten setzen.