Blog 873 – 19.01.2025 – Bauplan, Staub und Schrottscharniere
Letzte Woche Samstag schien sich im Badezimmer meines Vaters ein leichtes Abflussproblem anzukündigen, schon am Sonntag läuft gar nichts mehr. Zum Glück betrifft das nur das Badezimmer, in der Küche und im Gäste-WC funktioniert alles. Meine Schwester und ihr Freund sind vor Ort und versuchen ein Durchkommen mit Spirale und Pömpel, müssen irgendwann aber aufgeben. Gleich am nächsten Morgen erreiche ich einen örtlichen Rohrreinigungsbetrieb, der „auf jeden Fall heute noch“ ein Team schicken wird und fahre sofort zu meinem Vater, um vor Ort zu sein. Eigentlich wollte ich erst nach dem Mittagessen hinfahren, um mit ihm zum Herzschrittmacherkontrolltermin zu fahren und danach gleich wieder nach Hause, aber … tja nun.

Anhand eines alten Bauplanes kann ich eingrenzen, in welchem Bereich der Abwasserkanäle das Problem liegen muss. Allerdings sagt mein Vater dann, dass das nur der Architekten-„Plan“ für die Abwasserrohre war und manches nachher anders gebaut wurde. Was anders ist, weiß er aber nicht mehr. Um kurz nach 11 Uhr stehen zwei kompetent wirkende Handwerker im Keller und legen los.

Es braucht viele Durchgänge mit der Rohrreinigungsmaschine, wechselnde Aufsätze, Kameraeinsatz, Hochdruckeinsatz und drei Stunden Zeit bis alles wieder läuft. Vermutlich hatte das Rohr einige Jahre Zeit, sich langsam und stetig zuzusetzen. Das hätten wir nie mit einem Amateur-Reinigungsset geschafft.
Ich unterschreibe gerade noch das Arbeitsprotokoll, sage der Betreuungskraft – die wieder die erste ist, denn genau am Sonntag war der Wechsel -, dass ich gleich selber noch im Keller durchputzen werde, lade meinen Vater und den Rollstuhl ins Auto und fahre zum 14-Uhr-30-Herzschrittmacher-Kontrolltermin. Der klappt unerwartet schnell, nach einer Dreiviertelstunde sind wir schon wieder zurück. Da hat Aleksandra natürlich schon alles geputzt, ermahnt mich, dass ich jetzt endlich essen muss und fragt, ob ich einen Tee haben möchte. Unsere polnischen Betreuungskräfte sind wirklich klasse. Als ich am späten Nachmittag nach Hause fahre, habe ich schon wieder einen fast kompletten Tag bei meinem Vater verbracht.
Am nächsten Morgen ruft mein Vater an und begrüßt mich mit: „Wir haben ein Problem.“ Die Dusche im Badezimmer läuft nicht mehr ab, das Wasser steht. Allerdings funktionieren im selben Raum Toilette und Waschbecken einwandfrei. Wie kann das denn sein? Das gemeinsame Abflussrohr ist doch freigeräumt. Ich bitte darum, die Dusche erstmal nicht zu benutzen. Am folgenden Tag, dem Mittwoch, bin ich sowieso wieder da und werde mir das ansehen. Den heutigen Tag nutze ich, um eins meiner Bücherregale leerzuräumen und auseinanderzuschrauben und den überflüssigen Schrank, der zu groß fürs Auto ist, sich nicht auseinanderbauen lässt und immer noch mitten im Zimmer steht, an dessen Stelle zu rücken.

Weil ich so viele Bücher habe, sind meine Bücherregale zweireihig bestückt. Wenn die Bücher als Hügel auf dem Boden liegen, könnte man vermuten, dass sie die komplette Wand einer Bücherei bestücken, nicht nur ein einzelnes Regal. Der Staub, den ich beim Arbeiten aufwirble, passt gut zu einem seit hundert Jahren nicht betretenen Dachboden. Ich nutze die Gelegenheit und sortiere auch aus den beiden anderen Bücherregalen aus, aber die meisten Bücher möchte ich schon gerne behalten. Immerhin wandern demnächst fünfzig bisherige Favoriten in den Bücherschrank. Außerdem fülle ich vier große Ikea-Taschen mit Büchern, die ich noch gar nicht gelesen habe oder bei denen ich nicht mehr weiß, ob ich sie gut fand. Ich hoffe, dass sie später auch alle nach und nach in Bücherschränke wandern können. Da ich dort selber immer wieder Lesestoff entdecke, wird es ein ewiger Kreislauf sein.
Ehe ich fertig mit dem Sortieren und Einräumen der Bücher bin, ist schon Abend. Auch die Sachen, die ich aus dem Schrank geräumt habe, der jetzt Bücherregal ist, liegen gestapelt herum. Sie sollen in die neuen Kommoden kommen, die eigentlich schon da sein sollten, bisher aber nicht geliefert wurden.

Am nächsten Morgen ist der übliche Papa-Mittwoch und diesmal habe ich eine haushaltsübliche Rohrverstopfungs-Reinigungsgarnitur mit. Das in die Duschwanne gebrauste Wasser bleibt weiterhin stehen und läuft nur tropfenweise ab. Im Keller darunter tropft es dagegen kräftig aus einem Holzkasten unter der Decke. Häh?? Da geht das Abflussrohr der Dusche doch gar nicht lang!

Meinem Vater fällt ein, dass beim Umbau des Badezimmers vor dreißig Jahren der Ablauf der Dusche neu gelegt werden musste und – ach, ja, der geht seitdem über die Waschküche in den Abfluss, weil das einfacher war. In der Waschküche ist das dort sichtbare Kunststoffrohr am ersten Knick einige Millimeter in den Beton der Wand eingelassen, dann geht es weiter in den Kasten, aus dem es jetzt tropft und von dort wohl irgendwo in die Wand. Mein Vater sagt: „Schraub einfach den Kasten auf und hau schnell den Putz weg, dann kannst du das Rohr abmachen!“
Um es zusammenzufassen: Ich schraube mühsam den Kasten auf und entdecke, dass mein sparsamer Vater das Rohr im Kasten aus Teilstücken zusammengesetzt hat, bei denen jetzt an allen Übergängen das gestaute Wasser tropft. Eineinhalb Stunden lang haue mit Hammer und Meißel extraharten Beton in kleinen Bröckchen weg. Von wegen „Putz“ und „schnell“. Dabei bin ich im Umgang mit Hammer, Meißel und Weghauen durch mein Steinbildhauen ja wirklich geübt. Immer wieder rüttle ich an der Rohrkonstruktion, ehe ich das Rohr, das im Kasten, eingeklemmt zwischen anderen Wasserleitungen und noch extra fixiert, überhaupt gelöst bekomme.

Als es abgeht, werde ich von einem Schwung stehenden Wassers nass, danach pule ich eine Stunde lang mühsam Modder und Mutt aus dem offenen Zugang, kaufe dann im Baumarkt ein neues Rohr und passe es ein, sammle alle Bröckchen und den Modder ein und putze die Wand und den Boden. Mein Vater möchte, dass ich dann den Holzkasten wieder anbringe und das Loch in der Wand „schnell beiputze“, aber das lehne ich ab. Wir warten jetzt erstmal einige Zeit, ob wirklich alles trocken bleibt.

Danach fahre ich mit Aleksandra zum Großeinkauf im Supermarkt, alleine weiter zur Apotheke und in die Drogerie und bringe mehrere leere Kästen und Tüten voll Leergut zum Getränkehandel und schleppe volle Kästen in den Keller. Als ich am frühen Abend wieder losfahre, um nach Hause zu kommen, fühle ich mich wie ein Handwerker nach einem langen Arbeitstag. Zuhause erwartet mich das chaotische Wohnzimmer, aber zum weiteren Aufräumen bin ich zu müde. Das kann ich mir auch gut vom Sofa aus ansehen.
Am letzten Wochenende habe ich noch ganz optimistisch meine Katze auf den Tisch gelegt, um zwischendurch ab und zu wieder daran zu arbeiten. Ähm, ja. Das war wohl äußerst positiv gedacht. Ich lasse sie aber mal liegen. Vielleicht ergibt sich doch mal ein Stündchen. Vielleicht.

Am Freitagmorgen kaufe ich bei Lidl zwei „Rettertüten“. Vorher gucke ich immer rein, um eine erste Übersicht zu bekommen, denn sie sind meist unterschiedlich gefüllt. Die Tüte mit dem Fenchel nehme ich sofort, denn den mag ich sehr. Was ganz unten drin liegt, ist meistens eine Überraschung. Für zwei Rettertüten bezahle ich 6 Euro und habe danach eine schöne Obst- und Gemüsemischung, mit der ich mich die ganze Woche ernähren könnte. Zumindest bei „meinem“ Lidl sind es immer gute Zusammenstellungen, bei denen sich das Retten der Lebensmittel lohnt.

Als am Nachmittag recht überraschend die Kommoden – in vielen Einzelteilen – geliefert werden, geht es ans Zusammenbauen. Das ist nicht kompliziert, dauert aber. Da ich die Kommoden nur im Internet gesehen habe, bin ich besorgt, ob sie tatsächlich gut aussehen, aber sie gefallen mir sehr und auch die Höhe ist perfekt.

Am Schluss will ich die Türen einsetzen, da beginnen die Probleme. Abgesehen davon, dass ich beim Einsetzen der Scharniere, die am Innenteil der Holme befestigt werden, nichts erkennen kann und mit Taschenlampe, Spiegel und genervten Flüchen arbeiten muss, sind die dünnen Metallscharniere völlig ungenügend. Die Türen hängen schief, klemmen und die Scharniere verbiegen sich schnell. Ich fluche in zwei Stunden so viel, wie sonst im ganzen Jahr. Entnervt höre ich am späten Abend auf.
Aber auch am nächsten Morgen geht es nicht besser. Wir fahren extra zu einem großen Baumarkt, aber unsere benötigten Stollenscharniere gibt es dort nicht. Ich soll eine E-Mail mit Fotos und Größenangaben schicken, dann fragen sie beim Händler nach, ob der etwas hat. Na, dann muss es erstmal so gehen. Die Kommoden stehen und sehen gut aus und ich kann vorerst einräumen. Die Türen hängen leicht schief, aber so lange ich sie nicht öffne oder schließe, ist es OK. Die Lösung in Form von neuen Scharnieren wird sich finden.
Die Woche endet mit Theater. In der heimischen Szene 93 wird „Honigmond“ gespielt und ich gucke nicht nur zu, sondern lasse auch eine Übersichtskamera mitlaufen.

Die drei Frauen spielen sehr engagiert und gut miteinander, ich störe mich nur daran, dass im Stück die angestrebte „Freiheit“ der Frauen verwechselt wird mit „jetzt ziehe ich mich sexy an, nehme mir viele Männer parallel und nutze alle aus“. Das kann man so machen, es ist aber nicht die Freiheit, die richtig ist, denn schon wieder sind die Frauen in Zwängen, sich so aufzubrezeln und so zu benehmen, wie es Männern gefällt. Ich nehme schwer an, dass der Autor männlich ist. Als ich am nächsten Morgen einen kurzen Blick ins Internet setze, weiß ich: Ja. Nun, ich nehme es als Komödie – was es auch ist.